Von wegen keine Bodenschätze

Von wegen keine Bodenschätze

Zu hunderten strömen sie an die entlegensten Gebiete. Bewaffnet mit Sieb und Schaufel sichern sie sich einen «Claim» und hoffen auf die gelb glitzernden Steine. Der Goldrausch im 19. Jahrhundert in den entlegensten Teilen Nordamerikas hat auf den ersten Blick herzlich wenig mit dem Gantrischgebiet zu tun, auf den zweiten hingegen schon weitaus mehr.

Denn das Gold der Zukunft läuft quasi über das Sieb der Goldwäscher. Wasser. Damals lief es noch aus allen Poren der Berge und belieferte Menschen, Vieh und Mühlen zuverlässig und vor allen Dingen regelmässig. 150 Jahre später ereilen uns Meldungen von jahrelang ausbleibenden Regenfällen in den subtropischen Gebieten. 150 Jahre später schmelzen die Gletscher wie ein Vanillecornet in der prallen Sonne eines Strandbads. 150 Jahre später versiegen die Quellen reihenweise, Brunnen bleiben leer, Alpwirtschaften müssen Wasser mühselig hochtransportieren.

Wasser ist ein Rohstoff

Die Wasserknappheit ist auch in der Schweiz angekommen. Etwas, was sich unsere Ahnen nicht hätten vorstellen können. Es gab in der jüngeren Geschichte der Schweiz Hungersnöte und bittere Armut, nur verdurstet ist niemand. Heute nach wie vor nicht. Aber Wasser wird rar, versiegt, sprudelt mancherorts nicht mehr, sondern tröpfelt nur noch, die Grundwasserspiegel sinken, die Versorgung mancher Gemeinde wird zur Herausforderung. Nannten die Siedler Nordamerikas damals Gold als einen der wertvollsten Rohstoffe, so mausert sich Wasser nach und nach zu einem solch raren Gut, dass man langsam aber sicher von einem Rohstoff sprechen sollte. Das ist den grossen Nahrungsmittelkonzernen nicht entgangen. Sie sichern sich Wasserrechte, kaufen Quellen auf und bestimmen somit über Leben und Tod von ganzen Gebieten. Darf man das? Ist das ethisch korrekt? Versteckt hinter sozialen Entwicklungshilfen scheinbar schon. In der Schweiz hingegen ist der Rohstoff Wasser dem bäuerlichen Bodenrecht unterstellt. Quellen liegen ja meist im Landwirtschaftsgebiet und sind als eigene Parzelle mit einer Nummer versehen. Wer eine Quelle besitzt, muss sie in Stand halten, so lautet das Gesetz. Die Verwendung des Wassers ist dann wiederum im Grundbuch klar geregelt. Nur was ist mit den fliessenden Gewässern oder Seen? Sie gehören grundsätzlich dem Kanton. Bei Seen kann es allerdings sein, dass diese den Gemeinden gehören oder – wie der Gerzensee – gar in privatem Besitz sind.

Wasser ist ein Kreislauf

Und diese grossen Wasservorkommen sind es denn auch, welche als Flüsse die Schweiz verlassen und vielfache Verwendung finden bei unseren Nachbarländern. Bezogen auf das Wasser darf man festhalten: Die Schweiz lebt nach wie vor in Saus und Braus – mit sauberem Trinkwasser. Wer – nachdem er sein Geschäft verrichtet hat – die Spülung betätigt, benützt mehrere Liter Trinkwasser. Dieses fliesst nach einem Besuch in der Aara als sauberes Trinkwasser weiter flussabwärts und versorgt Millionen von Menschen wiederum mit Wasser. Grundsätzlich ist immer etwa gleich viel Wasser vorhanden, es befindet sich in einem Kreislauf, verdunstet und fällt wieder als Regen zu Boden. Die Frage ist aber, wie kann man das Wasser mit immer mehr versiegelten Flächen überhaupt noch speichern und was geschieht, wenn die Wasservorräte in Form von Eis wegbrechen? Eine Art Schreckensszenario hat der Künstler Ronald Kocher aus Köniz gemalt. Auf einem Ölbild eröffnet sich die imposante Alpenkulisse mit Eiger, Mönch und Jungfrau. Jedoch gänzlich schneebefreite 4000er. Das Szenario ist durchaus realistisch, wenn auch nicht gleich heute und morgen. Aber in de Folge würde auch die Aare kein Wasser mehr führen und austrocknen.

Wasser ist wertvoll

Eine Serengeti-Wüste im Gürbetal? Soweit ist es zum Glück noch lange nicht. Denn das Gantrischgebiet gehört zu den grossen Wasserschlössern dieses Landes. Genauer ist es eben kein Schloss mit einem überdimensional grossen See, sondern eine Art Schwamm. Das Gebiet des Naturparks Gantrisch speichert riesige Mengen an Wasser. Das Resultat sind eine Vielzahl an Quellen, Bächlein und unterirdischen Seen. Manche sind so gross wie nirgends sonst in der Schweiz. Man denke nur an die Blattenheid-Quelle in Blumenstein mit über 2000 Litern in der Minute. Oder aber an den mysteriösen unterirdischen See, den es früher anscheinend ausserhalb von Schwarzenburg gab, so zumindest erzählt das eine Sage aus dem Gebiet. Andere sind so klein, dass es gerade mal reicht, die Blumen zu giessen, oder sie versiegen in den Trockenphasen. Aussagekräftig sind aber die Wassermengen oder jene Quellen, die einst noch zuverlässig lieferten und heute zu einem Rinnsal verkommen sind. Wasser wird auch hierzulande knapper. Und wo Rohstoffe knapp werden, werden sie teurer. Noch merkt die Wasserversorgung Gemeindeverband Blattenheid wenig von der Verknappung. Viele kleinere Bauernhöfe oder Sömmerungsorte hingegen verlieren ihre Quellen.

Wenn es also heisst, die Schweiz habe keine Bodenschätze und Rohstoffe, so dürfte diese Aussage bald veraltet sein. Denn Wasser hat sich längst zu einem wertvollen Rohstoff entwickelt. Entsteht dann eine Goldgräberstimmung im Gantrischgebiet? Wird jede Quelle zur Goldader? Statt einen «Claim» zu ergattern geht es dann darum eine vergrundbuchte Quelle zu haben. Statt Siedler mit Sieb und Schaufel werden die Landwirte mit langlebigen Quellen plötzlich reich? Oder doch eher die Gemeinden mit reichlich Wasservorkommen? Die Zukunft wird zeigen, in welche Richtung sich die verstärkte Wasserknappheit entwickelt. Mit globaler Sicht darf man aber sagen: Wasser ist flüssiges Gold und das Gantrischgebiet hat jede Menge davon. Sollte also jemals wieder jemand die alte Leier der fehlenden Bodenschätze in der Schweiz ankurbeln, darf man getrost einen Schluck Hahnenwasser nehmen und sagen: «Von wegen keine Bodenschätze.»

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Von wegen keine Bodenschätze

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