Sonnenenergie ganz nah

Sonnenenergie ganz nah

Am Südhang direkt unter der Bürgle sollen ab 2025 Solarpanels umweltschonend Strom produzieren und in die umliegenden Gemeinden liefern. Initiator Christian Haueter investiert viel Herz und Zeit in das «Solarprojekt Morgeten».

Auf 2165 Meter über Meer weht ein frischer Wind. Die Bürgle ist unter strahlend blauem Himmel in einen dünnen Schneemantel gehüllt, das Panorama verleiht der Seele Flügel. Im Norden der Birehubel und der Blick ins Flachland, im Osten der mächtige Gantrischgipfel, im Westen das Freiburgerland, im Süden die unzähligen schneebedeckten Gipfel der Alpen. Auf der Bürgle lässt sich’s frei atmen und Energie tanken. Energie soll hier künftig nicht nur das Naturerlebnis bieten, sondern auf handfeste Art und Weise auch ein Solarpark. Südseitig, direkt unterhalb des Grats, neigt sich die Bergflanke trichterförmig der Sonne entgegen. Ideale Voraussetzung, um während dem ganzen Jahr Sonnenstrahlen einzufangen und in Strom umzuwandeln. Dringend benötigten Strom für die bewirtschafteten Sennereien ebenso wie für die angrenzenden Gemeinden. Christian Haueter ist Initiator des Alpinen Solarprojekt Morgeten und setzt sich seit dem Spätsommer für die Realisierung des Projekts ein.

Blackout im Sommer

Letzten Sommer, so berichtet Christian Haueter, habe es zum ersten Mal wegen Wassermangel ein Blackout gegeben auf der Alp Morgeten. Seit 1996 werden auf der Alp Morgeten drei Sennereien dank einem kleinen Wasserkraftwerk mit Energie und Wasser versorgt. Damals hielten 1360 Liter Wasser pro Minute das Kraftwerk am Laufen, diesen Sommer nur noch 90 Liter pro Minute. «Das ist eine Entwicklung, die rund 2003 eingesetzt hat, die Wassermenge ist seither ständig zurückgegangen», berichtet Haueter. Zum ersten Mal kamen Dieselgeneratoren zum Einsatz, um die Melkmaschinen zu betreiben. Für Christian Haueter ein unhaltbarer Zustand. Haueter ist ein Macher, der gerne nach Lösungen und neuen Ansätzen sucht und anpackt, wo nötig. Kurzerhand setzte er sich im September an den Computer und begann, seine Idee in Textform zu giessen. Bereits Anfang Oktober waren erste Investoren an Bord und Mitte Oktober gab die Korporation Morgeten ihre Zustimmung für das ambitionierte Projekt. Auf besagtem Südhang unterhalb der Bürgle, auf einer Fläche von 75’000 m², sollen ab 2025 rund 17’000 Solarpanels, angeordnet in drei Panelreihen, über 11 Gigawatt pro Jahr liefern. Die Neigung sei ideal, dank der bifazialen Panels könne auch vom Boden zurückgeworfenes Licht verwertet werden und dank der Höhe würden Hemmnisse wie Nebel und Dunst weitgehend entfallen, ist Haueter überzeugt. 

Gewinn für die Region

Mit Inbetriebnahme der Solaranlage würden zwei Fliegen mit einem Streich erlegt: Die Sennereien müssten nicht auf Dieselgeneratoren zurückgreifen, um den Alpbetrieb am Laufen zu halten, und die umliegenden Gemeinden Oberwil im Simmental, Därstetten, Guggisberg und Rüschegg sowie die Region Thun könnten ebenfalls von der gelieferten Energie profitieren. Bau, Installation und Betrieb sollen mit lokalen Partnern zusammen umgesetzt werden, die Nachhaltigkeit dadurch nicht nur auf ökologischer und ökonomischer Ebene, sondern auch auf sozialer Ebene gepflegt werden. Nur so lässt sich ein Projekt dieser Grösse auch möglichst breit abstützen. Bislang sind wenige kritische Stimmen zu Christian Haueter gelangt. «Die Leute hier sind eher pragmatisch. Mein Eindruck ist, dass die meisten hier das Projekt gut finden», erzählt er. «Für uns sind die Berge ja auch nicht ein Erholungsraum, sondern Wirtschafts- und Lebensraum.» 

So schonend wie möglich

Zerstörung des Landschaftsbildes, Schädigung des Bodens und der Wildtiere – es sind stets die gleichen Einwände, mit denen Wind-, Wasser- oder Solarprojekte konfrontiert werden. Für Christian Haueter sind diese Kritikpunkte nur bedingt nachvollziehbar. Die Natur werde heute viel zu oft als Konsumgut betrachtet, die gesamte Infrastruktur, welche die Menschen überhaupt in besagte Naturgebiete bringe, ausgeblendet. «Mich stört diese kognitive Dissonanz, dass die Leute jede Segnung der Technik und Infrastruktur in Anspruch nehmen und die Natur gleichzeitig als Konsumgut beanspruchen», erklärt er. Die Gesellschaft verschlinge Unmengen an Energie, die auch irgendwo produziert werden muss und durch entsprechende Anlagen sichtbar wird. «Ich will nicht behaupten, das sei schön», so Haueter. Allerdings sei die geplante Anlage dank der Trichterform aus den umliegenden Gemeinden kaum einsehbar. Höchstens für Tourengängerinnen und Wanderer, welche direkt am Grat unterwegs seien. Dass in erneuerbare Energiequellen investiert werden soll, ist mittlerweile breit akzeptiert. Christian Haueter ist es ein zentrales Anliegen, dass der geplante Solarpark hohe Standards rund um Effizienz und im schonungsvollen Umgang mit den vorhandenen Ressourcen erfüllt. Eine Haltung, die dem Biobauer auch in den letzten fünfundreissig Jahren stets am Herzen lag. Von der Gesamtfläche von 75’000 m² würden zur Installation der Panels nur 300 m² für die Montage der Stützen benötigt, auf Beton wird komplett verzichtet und es ist alles rückbaubar. Auch sind die Panels in einer gewissen Höhe montiert, so dass Kühe die Fläche weiterhin beweiden können und sie für Wild weiter passierbar ist. Auch für den Bau soll möglichst wenig in die Landschaft eingegriffen werden. 1,2 Kilometer Baupiste sind nötig, welche in bereits bestehende Wanderwege integriert werden soll. Lastwagen oder Helikopter werden keine zum Zug kommen, Materialtransporte erfolgen mit Geländefahrzeugen.

Keine Angst vor dem Scheitern

Obwohl das Verfahren für den Bau von Solaranlagen vereinfacht wurde, ist es noch ein weiter Weg zur Umsetzung. Aktuell ist Christian Haueter zusammen mit Mitinitiator Peter Stutz dabei, alle nötigen Bewilligungen und administrativen Arbeiten zu bewältigen. Die Frist ist eng: Nach dem Start des Baubewilligungsverfahrens müssen allfällige Einsprachen geklärt werden, bevor im Anschluss mit dem Bau begonnen werden kann. Um die Richtlinien des Bundes zu erfüllen, muss bereits 2025 10 Prozent der möglichen Strommenge ins Netz eingespeist werden. Da steht Christian Haueter noch einiges bevor. «Ich habe schon so viel Zeit und Arbeit investiert, aktuell ist es beinahe ein Vollzeitjob», erklärt er. Trotzdem ist er überzeugt, dass sich der Einsatz lohnt. «Es braucht Durchhaltewillen, um solche Sachen zu realisieren und man muss wissen, dass man auch scheitern kann. Aber es ist eine sinnvolle Sache und der Klimawandel hat eine bedrohliche Dynamik entwickelt», betont er.

 

INFO:

www.morgeten.ch/alp-morgeten/10-megawatt-solarprojekt-morgeten

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