«Richtig oder gar nicht»

«Richtig oder gar nicht»

Wenn es bei uns keine grossen Kartoffeln mehr gibt, dann doch nur, weil es keine dummen Bauern mehr gibt. Landwirtschaft ist nicht nur eine Lehre, es ist eine Lebensschule. Und das sind nicht nur grosse Worte, wie ein Junglandwirt aus Burgistein beweist.

Mächtige Pranken, eine breite Schulter und ein stapfender Gang. Wer sich einen Bauern immer noch so vorstellt, der dürfte seinen Augen nicht trauen, wenn er Stefan Hadorn zum ersten Mal sieht. Der frischgebackene Bronzemedaillengewinner in der Landwirtschaft ist ein athletischer junger Mann mit einer Postur, die an einen Ausdauerathleten erinnert. Und auf diesem Körper steckt ein kleveres Köpfchen. Ein verschmitztes Lächeln und funkelnde Augen lassen vermuten, wie viel Lebensfreude und Schalk in ihm wohnen.

Unerwartet einer der Besten

«Ich dachte sofort, hier lehrt man etwas, vertieft sein Können und bringt sich auf den neusten Stand», begründet der Jungbauer, weshalb er an den Swiss-Skills mitmachte. Das überrascht. Eigentlich steckte der Burgisteiner mitten in den Abschlussprüfungen zum Landwirt EFZ, tagsüber arbeiten, am Abend lernen und dann noch eine Berufsmeisterschaft anstreben. Viele seiner Kolleginnen und Kollegen verzichteten deshalb auf eine Teilnahme. Dennoch gab es eine kantonale Vorausscheidung. Auf Rang drei stand am Schluss Stefan Hadorn. Er löste das Ticket für die Schweizermeisterschaften. «Ich war sicher, dass es schwer werden würde, einerseits kamen ja gute Landwirte aus der ganzen Schweiz, anderseits auch etliche, die wegen der Corona-Pandemie in den letzten Jahren nicht antreten konnten und jetzt teilnahmen», erinnert er sich. Doch der junge Berner ging nicht etwa unter, ganz im Gegenteil. Nach den Vorausscheidungen stand er im Final, nach dem Final erhielt er die Bronzemedaille umgehängt. «Das war wahnsinnig, ein Lehrabschluss ist ja schon ein tolles Gefühl, aber das hier ist nochmals eine ganz andere Liga», schwärmt er noch heute über den Moment.

Seinem Umfeld dankbar

Doch kaum kehrt er aus seiner Gedankenwelt zurück, keimt ein neuer Samen in ihm auf: jener der Dankbarkeit. «Der Berner Bauernverband hat uns bestens unterstützt und vorbereitet, alle drei Medaillengewinner kamen dann auch aus dem Kanton Bern, wir waren ein richtig gutes Team», fügt er an. Stolz indes sind seine Eltern Walter und Monika Hadorn sowie seine Schwester Andrea. Die Siloballen zieren Gratulationsbekundungen und ein jeder, der vorbeifährt, erkennt, dass hier ein Topbauer wohnt. Und wie steht es um seinen eigenen Stolz? «Eher Freude als Stolz, ich bin einfach der Meinung, wenn man etwas macht, dann macht man es gleich richtig», sagt er. Vielleicht ist diese Lebenseinstellung der Grund, weshalb er meint: «Schulisch war es nicht so schwer und nach der Oberstufe in Wattenwil war ich auf diesen Schritt bestens vorbereitet.» Und wieder ist sie da, die Dankbarkeit. Diesmal gilt sie der Schule und auch seinen drei Lehrbetrieben in Kiesen, Seftigen und Steffisburg. Als wenig später die Katze versucht am Küchentisch ein warmes Plätzchen zu ergattern, schaut er seine Mutter an und ergänzt: «Und ihr natürlich. Ihr habt mich auf dem ganzen Weg begleitet und bestärkt.» Stefan Hadorn ist ein wissbegieriger, fast ein wenig ehrgeiziger Mann mit einem grossen Herz, das Lebensfreude ausstrahlt.

Offen für die Zukunft

Das klingt alles ein wenig nach einem Bauernsohn, der schon immer Landwirt werden wollte und es immer sein wird. Ganz so klar ist das aber nicht. «Da ich ja wusste, was mein Vater arbeitet, ging ich am Zukunftstag zu meinen beiden Göttis auf den Bau und zu Gilgen Door Systems. Wenngleich mir das alles gefiel, und ich lange daran dachte, Zimmermann zu lernen, liess mich die Landwirtschaft nie los», erinnert er sich. Den Ausschlag gab eine Einsicht: «Ich bin nicht der Typ, der drinnen rumsitzen kann, ich muss draussen arbeiten.» Erneut keimt sein verschmitztes Lächeln auf und er ergänzt: «Hier bin ich daheim.» Die Folgefrage drängt sich schon fast auf: Wird er eines Tages den elterlichen Betrieb übernehmen? «Das Problem ist, wir sind ein eher kleiner Betrieb, den man aufgrund der Umgebung kaum vergrössern kann. Wir können keine grosse Scheune für 40 Kühe oder dergleichen bauen, da der Betrieb in einem Dorfkern liegt», stellt er fest. Ackerland, Futterbau, Kühe, Schweine, Hühner, bei Hadorns wirkt alles wie eine kleine heile Welt. Der übersichtliche Hof, kleinstrukturierte Landwirtschaft und ein gemeinsamer Küchentisch, an dem regelmässig auch gelacht wird. Willkommen im Dilemma der Schweizer Landwirtschaft; in einer Entwicklung, in der es für solch liebevolle «Heimetli» fast keinen Platz mehr gibt.

Bildung als Chance

Findet er einen Weg, um das Gehöft in eine gesicherte Zukunft zu führen? Darauf warten, bis die Gesellschaft erkennt, wie wertvoll solche Betriebe für die Region sind, mag er nicht. Stattdessen nutzt Stefan Hadorn seine Fähigkeiten. «Ich bilde mich weiter aus. Als erstes mal erwartet mich die Rekurtenschule beim Train, dann denke ich an die Betriebsleiterschule», danach und bei diesem Gedanken muss er fast ein wenig schmunzeln: «Wer weiss, vielleicht noch den Meisterlandwirt.» Wie sagte er doch so schön: Wenn man etwas macht, dann richtig oder gar nicht. Ob hauptberuflich oder im Nebenerwerb: Der Betrieb in Burgistein soll weiterleben. Aber «so Jahre wie dieses trockene 2022 sowie die momentan schlechten Schweinpreise oder die immens gestiegenen Rohstoffpreise können wir nicht viele verkraften, das ist klar.» Weg ist das verschmitzte Lächeln. Der junge Mann wirkt aber nicht etwa ängstlich, sondern entschlossen, etwas dafür zu tun. Konkret heisst das: Weiterbildung. «Ich habe dann mehr Möglichkeiten für die Zukunft», meint er kurz und knapp.

Stefan Hadorn hat einen Wissenshunger wie ein Labrador, eine Neugierde wie ein Jungtier  und eine unbändige Lebensfreude obendrein. Er hat alles, was es braucht, um den heimischen Betrieb in die Zukunft zu führen, hauptberuflich oder im Nebenerwerb. «Die dümmsten Bauern haben die grössten Kartoffeln.» Wenn dieser Spruch stimmt, dann gäbe es auf dem Acker der Familie Hadorn sicherlich nur sehr kleine Knollen in der Erde. Dass der Spruch nicht ganz richtig ist, weiss man. Stefan Hadorn wird gerade wegen seiner Cleverness grosse Kartoffeln ernten. Der Grund ist einfach: «Wenn man etwas macht, dann richtig oder gar nicht.»

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