Hauptsache Likes und Follower?

Hauptsache Likes und Follower?

Er beobachtet und bewertet Flugzeuge, sie spricht über Heimatliebe und Ziegen: Matthias Hänni und Anita Marina Zahnd. Die beiden Influencer aus der Region beschäftigen sich mit Themen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Eines aber haben sie gemeinsam: ihre Motivation, dies zu tun.

Kurz vor dem Gespräch fragt Matthias Hänni, ob es auch 15 Minuten später gehe. Der Grund: Es ist soeben ein spannender Flieger gelandet. Denn, wann immer möglich, unabhängig von Wetter und Tageszeit, macht sich der 44-Jährige auf den Weg zum Flughafen Belp, um Videos zu drehen.

Unter allen Umständen
Auf seinem Youtube-Kanal «Matt’s Aviation Channel» veröffentlicht Hänni Videos mit Informationen zu verschiedenen Flugzeugtypen. Vorwiegend zu Oldtimern, Verkehrsflugzeugen oder Businessjets, also Maschinen für Geschäftsreisen. Für seine 58’500 Abonnentinnen und Abonnenten zeigt er vollen Einsatz: «Ich passe mich der Landezeit an, filme bei jeder Tages- und Nachtzeit. Auch das Wetter spielt für mich keine Rolle», erklärt er. Seine Faszination für Flugzeuge begann schon im Kindesalter und verfolgt ihn bis heute: «Es ist einer der grössten Träume der Menschheit, fliegen zu können. Mein Interesse daran versuche ich zu vermitteln.» Gerne wäre Hänni Pilot geworden, was ihm aus gesundheitlichen Gründen jedoch verwehrt blieb. Heute arbeitet er im Online-Marketing.

Weltweites Interesse
Obwohl mittels «Tracking-Apps» die ungefähre Landezeit der verschiedenen Maschinen herausgefunden werden kann, ist Erfolg nicht garantiert: «Glück und Pech liegen oft nahe beieinander. Businessflugzeuge haben nicht immer zuverlässige Pläne», meint Hänni. Weiss man denn auch, welche Personen in den Flugzeugen sind? Es kommt drauf an. Bei berühmten Schauspielern etwa erfahre man es nicht. Da sei man auf interne Informationen angewiesen, weiss er. Ihm gehe es allerdings nicht um die Passagiere: «Bei mir sind die Flugzeuge die Stars.»

Manchmal verdient der YouTuber etwas an seinem Hobby, etwa durch aufgeschaltete Werbung bei seinen Videos oder durch solche, die er selbst macht. «Ich habe vor kurzem beispielsweise eine Flight App empfohlen», erklärt er. Im Gespräch mit Hänni merkt man schnell, dass Geld nicht der Grund für seine Videos ist, sondern tatsächlich seine Leidenschaft. «Durch meinen Content entsteht ein weltweiter Austausch. Ich erhalte etwa Rückmeldungen durch Airlines oder von Piloten, die die jeweilige Maschine schon geflogen sind. So lerne ich viele spannende Leute kennen.» Ob er bei seinen Videos viele «Klicks» bekommt, hängt auch von Glück ab. «Kürzlich passierte es wieder; ich konnte einen brandneuen Jet filmen, der Menschen weltweit interessiert», meint er. Obwohl es purer Zufall war, dass dieses Modell gerade dann im Belpmoos landete, als Hänni vor Ort war, bekam dieses Video 100’000 Klicks auf Youtube, schildert der Fliegerfan aus Belp begeistert. Andere Clips bringen es innert weniger Jahre gar auf über zwei Millionen Aufrufe.

Heimatliebe
Nicht mit Flugzeugen, sondern mit anderen Themen beschäftigt sich die 18-jährige Anita Marina Zahnd auf ihrem Instagram-Konto. Dort zeigt sie sich mit ihren Ziegen, spricht über ihre Liebe zum Land und über persönliche Themen. Die junge Frau lebt bei ihren Eltern auf dem Bauernhof, macht eine Lehre als Schreinerin und startete vor ein paar Jahren mit dem «Posten» von Bildern auf den sozialen Medien. Begonnen mit null Abonnenten, hat sie heute über 1700, die die Beiträge regelmässig anschauen, «liken» und kommentieren. Bezeichnet sich Zahnd deshalb als Influencerin? «Eigentlich würde ich nein sagen, da man dabei eher an Personen denkt, die davon leben und denen 10’000 Menschen folgen. Ich google regelmässig die Definition des Begriffs, laut der man als Influencer gilt, wenn man auch Werbeträgerin ist», erklärt sie und fährt fort: «In diesem Sinne bin ich es, da ich manchmal Werbung mache, etwa für Ziegenfutter, und dabei etwas verdiene.»

Mehr Selbstwertgefühl
Der Grund, wieso Zahnd sich öffentlich zugänglich auf Instagram zeigt, ist vor allem ein persönlicher. «Ich wurde in meiner Schulzeit gemobbt, was mir meine Lebensfreude nahm», sagt sie nachdenklich. «Das Posten von Bildern – teilweise von mir selbst – und das Schreiben von Texten gab mir Bestätigung», erklärt sie. Durch positive Rückmeldungen zu ihren Posts habe sie sich verstanden gefühlt und sich immer mehr Mut angeeignet, blickt sie zurück. «Heute poste ich vor allem für mich selbst und nicht mehr für andere», ist sie überzeugt. Ihre Beiträge richten sich eher an Leute «vom Land» und an solche, die sich nicht nur für die Sonnenseite des alltäglichen Lebens interessieren, beschreibt sie. Dabei ist es der Instagrammerin aus Rüschegg-Gambach wichtig, die Realität zu zeigen: «Ich glaube, es gibt in den sozialen Medien generell einen Wandel weg von einer Scheinwelt hin zur realen Welt, das finde ich super.»
Trotz unterschiedlicher Themeninhalte von Matthias Hänni und Anita Marina Zahnd fällt vor allem eines auf: Das Veröffentlichen von Bildern und Videos erfolgt bei beiden aus Freude und dem persönlichen Mehrwert, den sie dadurch gewinnen. Die Anzahl Klicks und Abonnenten scheinen dabei zweitrangig.

Nadia Berger

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