Gewächse aus der Apotheke Gottes

Gewächse aus der Apotheke Gottes

Ein Bio-Bauer aus Heitenried produziert seit mehr als 10 Jahren Heilpflanzen – das Interesse an seinen Produkten sowie seinem Fachwissen wächst.

Erntezeit bei Reto Reber: Junge Frauen und Männer mit Wollmützen oder Rastas laden die kostbare Fracht von der Transporter-Ladefläche und bearbeiten sie. Die Erntehelfer haben ein fröhliches und gelassenes Lachen auf dem Gesicht. Auch zwei Göttibuben Rebers helfen mit – «nid so vieu uf d Maschine legge», ruft er ihnen im freundschaftlichen Ton zu. Das Artemisia-Kraut, welches Reber zusammen mit Monika Bertges Reber anbaut, ist von der Wirkung her mindestes 20-mal potenter als die bekannte Annua-Pflanze. Letztere ist in ihrer Grundform als uralte Heilpflanze bekannt. «Ihre Wirkung ist seit über 2000 Jahren in der chinesischen Medizin dokumentiert», so Reber. Zudem vergab 2015 das Nobelpreiskomitee den Medizinnobelpreis für die Entdeckung, dass das traditionelle Kraut nicht nur bei Fieber, sondern auch bei Malaria eingesetzt werden kann. Insgesamt verfügt die Pflanze über 245 Wirkstoffe, zehn von ihnen wirken gegen Malaria andere gegen Pilzerkrankungen oder Viren. Auch die «Grüne Fee», besser bekannt als Absinth-Schnaps, gewinnen Destillateure aus einer Unterart derselben Pflanzenfamilie.

Naturmedizin auf dem Vormarsch
Aktuell stellt Reber einen Trend hin zur Phyto- und Pflanzenheilkunde fest: «Früher machte der Doktor die Arbeit, dieser verabreichte eine Tablette. Heute versuchen immer mehr Menschen präventiv zu agieren und sammeln beispielsweise bei einem Spaziergang etwas Spitzwegerich oder Fünffingerkraut. Daraus entsteht dann Tee.» Im Umfeld der Rebers absolvieren zurzeit diverse Bekannte eine Ausbildung zum Phytotherapeuten, also Pflanzenheilkundler. Reber will dem wachsenden Interesse mit einem Schau- und Erlebnisgarten begegnen, dort sollen sich Interessierte weiterbilden können. Weiter plant der findige Landwirt einen neuen Seminarraum: «Wir wollen in Seminaren unser Wissen über Heilkräuter einem grösseren Publikum zugänglich machen.» Und in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsverband «vitaswiss» bietet Reber Salbenherstellungs-Workshops an. Auch sonst gibt er sein Wissen gerne weiter: «Bei mir sind alle eingeladen, über die Schulter zu schauen, gerne gebe ich meine Erfahrung zu Anbau, Trocknung und Heilung weiter», sagt er.

Dabei ist es Reber wichtig, die «Chrütli-Heilkunst» nicht gegen die Schulmedizin auszuspielen, wozu er ein Beispiel nennt: «Wenn ein Schmerzpatient beispielsweise ein Opium-Präparat benötigt, dann können ihm dies die Ärzte in einer genauen Dosierung verabreichen.» Würde das Schmerzmittel ‹direkt vom Feld› verabreicht, könne es zu einer Über- oder Unterdosierung kommen. Reber selbst war vor einigen Jahren wegen einer Herzoperation auf Spezialisten angewiesen, deren Hilfe er gerne in Anspruch nahm. Für ihn sind also altes Kräuterwissen und Spitzenmedizin wertvoll, wenn sie sich ergänzen, oder wie er sagt: «Alles zur rechten Zeit.»

Vielseitige Pflanzen
Auch eine weitere von Reber angepflanzte Heilpflanze, die Aronia-Beere, ist in ihrer Wirkweise faszinierend. Interessant ist sie vor allem wegen ihrem Gehalt an Polyphenolen. Diese Stoffe reduzieren freie Radikale im Körper, was enorm gesund ist – typisch für ein Naturheilmittel sind zudem die fehlenden Nebenwirkungen. Freie Radikale sorgen ungebunden im Körper für zahlreiche schwerwiegende Krankheiten und fördern den Alterungsprozess. Beim Konsum von Aronia ist lediglich darauf zu achten, dass bei regelmässiger Einnahme das Blut dünnflüssiger wird und für Patienten, die Blutverdünner einnehmen, eine Kontrolle sinnvoll ist. Und auch Chilischoten baut Reber an. Diese sind nicht nur wegen ihrer Schärfe oder zum Würzen interessant, sondern ebenfalls wegen ihrer heilenden Wirkung. Chili hilft die Magenschleimhaut aufzubauen und fördert zudem die Fettverbrennung, womit sie Menschen beim Abnehmen unterstützen kann. Zudem erweitert die Schote die Blutgefässe, was die Blutzirkulation vereinfacht.

Aktuell plant der Heitenrieder zusammen mit anderen Bio-Bauern den Anbau einer weiteren Heilpflanze, nämlich von Rotem Ginseng. Dieser wird derzeit mehrheitlich aus China importiert. Doch weil chinesische Bauern andere Dünge- und Herbizidmittel verwenden, erfüllt das Produkt die Schweizer Bio-Kriterien noch nicht. Nach Meinung der Rebers tut sich hier ein neues Fenster für andere experimentierfreudige Bio-Bauern auf – der Absatz wäre garantiert. Reber tauscht sich zudem regelmässig mit Kräuterbauern aus der ganzen Schweiz aus. Gemeinsam wollen die «Chrüter»-Netzwerker für eine sichere Ernte sorgen und regionale Effekte auffangen, womit sie die Abdeckung des Marktes sicherstellen.

Vom Beruf zur Berufung
Mit dem Erwerb der «Villa Meriba» hat sich für die Rebers ein Traum erfüllt: «Wir suchten damals als junge Familie ein Bauernhaus und wurden hier fündig.» Mit ihnen arbeiten in der Zwischensaison zwei Personen Teilzeit auf dem Hof, während der Ernte sind es rund zwölf, die Heilkräuter-Anbaufläche beträgt gut eine Hektare.
Am Abend kehrt in der «Villa Meriba» Ruhe ein, wenige Tage später verlässt die geerntete Pflanze pulverisiert oder als Tee den Hof. Wertvolle Arzneien aus der Natur, welche Wohlbefinden steigern und Krankheiten vorbeugen können.

INFO
www.villameriba.ch

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Gewächse aus der Apotheke Gottes

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