Das Tor zum Gantrisch

Das Tor zum Gantrisch

Unsere Gemeinde liegt, wie viele andere auch, am Rande des Naturparks Gantrisch. Doch wir bezeichnen uns nicht etwa als Randgemeinde, nein, wir sind das «Tor» zum Naturpark. Ist das ein bisschen überheblich?

Das Gefühl, als kleine Gemeinde wichtig zu sein, liegt vielleicht in unseren Genen. Ein Blick zurück, in die Belle Epoque ab 1880, zeigt Folgendes: Das Gurnigelbad stand in seiner vollen Blüte; reiche ausländische Touristen reisten in den zukünftigen Naturpark Gantrisch. Die Hauptroute führte mit dem Zug nach Bern, mit der Gürbetalbahn nach Thurnen und von dort weiter mit der Postkutsche. Es gab aber auch private Fuhrhalter, die für Reisende ab Thun direkte Kutschenfahrten ins Gurnigelbad anboten. Unterwegs gab es verschiedene Stationen, an denen die Fuhrwerke haltmachten. Von meinem Grossvater Wilhelm Wenger erfuhr ich, dass unsere Dittligmühle in Längenbühl so eine Haltestelle gewesen sein musste. Dort gab es damals ein kleines Zentrum mit Lebensmittelladen, Bäckerei und Poststelle. Und hier wurden die Pferde gewechselt. Man brauchte frische Tiere, die von hier aus den Aufstieg zum Gurnigelbad bewältigten. Oder, ab 1905, auch zur Stafel-alp oberhalb von Wattenwil, wo «Waldbaden» als Kur angeboten wurde: Die Gäste badeten dort in kleinen Becken im Wald. Das Wasser stammte aus Waldquellen und wurde mit Leitungen herbeigeführt.

Kaum etwas davon ist aufgeschrieben worden. Kein Wunder, hat sich ChatGPT bei der Recherche die künstlichen Zähne ausgebissen. Verschiedene Bürger, die viel über die Geschichte unserer Region forschen, konnten mir schliesslich weiterhelfen. Sie wiesen etwa darauf hin, dass man aufgrund der Lage von Forst-Längenbühl davon ausgehen könne, dass es im 16./17. Jahrhundert hier Säumerstationen gegeben habe. Dort wurde gefeilscht, gehandelt, sogar eine Art Zoll eingenommen und nicht selten das älteste Gewerbe betrieben. «Wart», ein Flurname sowohl in Forst als auch in Längenbühl, deutet darauf hin: Warten waren Kontrollposten, zum Teil mit Rastfunktion entlang von wichtigen Verkehrswegen.

Forst-Längenbühl ist das gefühlte «Tor» zum Gurnigel respektive zum Naturpark geblieben. Wir waren wohl nie das Zentrum einer Tourismusregion; unsere Schätze erschliessen sich nur Reisenden, die uns mehr oder weniger zufällig finden und sich die Mühe nehmen, sie zu entdecken. Eine Ausnahme ist der Gasthof Linde, der 1899 in Längenbühl eröffnet wurde. Viele städtische Gäste aus Thun und Bern suchten damals Sommerfrische auf dem Land, verbunden mit schöner Natur und einer guten Gastronomie. Der Dittligsee und die Umgebung von Längenbühl passten perfekt in dieses Muster: eine idyllische Landschaft, die man bequem mit Kutschen oder bald auch mit Fahrrädern erreichen konnte. Ein Brand zerstörte das Gebäude und 1977 wurde der Gasthof Grizzlybär gebaut, das heutige Erlebnisland Grizzlybär. 

Mit dieser bescheidenen Tourismus-Infrastruktur sind wir ganz zufrieden. Man stelle sich vor, ein Influencer entdeckt im Geistsee eine ihm unbekannte Kreatur (einen Biber?) und löst eine Art Loch-Ness-Hysterie aus. Es bräuchte eine Besucherlenkung, Absperrung, Parkplätze, einen Shuttleservice. Wohl oder übel einen Steg mit Drehkreuz. Da bleiben wir doch gerne das Tor, wo die Eiligen weitergehen und die Geniesser verweilen. 

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