Bus oder Taxi? – Ja

Bus oder Taxi? – Ja

Seit Mitte August fährt in Belp nicht mehr nur der Ortsbus, sondern auch ein vollelektrischer Neunplätzer, der über 80 Haltepunkte bedient. Die Chauffeure? Freiwillige. Sein Fahrplan? Vom ersten bis zum letzten Zug zu jeder Zeit. Das Modell könnte weit über die Region hinaus wegweisend sein.

Der Dorfkern von Belp ist gut erschlossen. Die Bahnhöfe Belp und Belp Steinbach sind nur wenige Gehminuten entfernt und wochentags im Viertelstundentakt mit der Stadt Bern verbunden. Doch Belp ist grösser als sein Kern: Das «Riedli» etwa ist eine grössere Siedlung am Westhang des Belpbergs und zwar immerhin alle halbe Stunde per Bus erreichbar – allerdings sind die Umsteigezeiten knapp berechnet und um 19.30 Uhr ist Schluss. Bereits eine Viertelstunde früher fährt der letzte Bus in Richtung Viehweid. Das Industriegebiet Hühnerhubel mit seinen vielen Arbeitsplätzen und einem Fitnesscenter ist gar nicht erschlossen, ebenso wenig Toffenholz oder der Belpberg – das wohl grösste öV-Vakuum der Gemeinde.

Innovativ – doch nicht subventioniert
Seit dem 20. August aber fährt «mybuxi». Buxi – ist das jetzt ein Bus oder ein Taxi? Es ist eben beides in einem und doch etwas ganz Neues. Per App bestellen die Reisewilligen den Kleinbus zu einem Haltepunkt in ihrer Nähe – meist nur wenige Schritte entfernt. Die Fahrt kann bis zu 14 Tage im Voraus reserviert werden oder spontan erfolgen. Je nachdem, ob das elektrobetriebene Fahrzeug gerade Passagiere auf den Belpberg bringt oder ob es an der zentral gelegenen Ladestation wartet, beträgt die Wartezeit nur ein paar Minuten. Im Idealfall wollen gleich mehrere Leute in eine ähnliche Richtung. Dann berechnet die App die idealste Route, um die gewünschten Wege «zu poolen», also zusammenzulegen – und zwar mit maximal fünf Minuten Verlängerung der Reisezeit.

Der Begriff «Buxi» ist nicht nur eine elegante Kombination aus «Bus» und «Taxi», sondern auch eine Referenz an «Buchsi». In Herzogenbuchsee nämlich gründeten 2019 innovative «Thinktanker» das Start-up. Drei Jahre später kurven dort bereits mehrere «mybuxi»-Fahrzeuge herum und führen 100 bis 200 Fahrten pro Tag aus. Auch im Emmental und in Andermatt ist mybuxi unterwegs, viele weitere Regionen zeigen Interesse. «Der öffentliche Verkehr ist eine Linienerschliessung, die Schweiz ist aber zersiedelt – alles abseits eines Korridors ist nicht erschlossen», erklärt Kathrin Räss von «mybuxi» den Grund für das grosse Bedürfnis nach neuen Lösungen. «On Demand», auf Verlangen also, sei zukunftsweisend. Doch private Initiativen wie das «mybuxi» sind in keinen Reglementen vorgesehen und werden daher staatlich wenig bis gar nicht unterstützt. In die Bresche springen Sponsoren, dank zahlreichen freiwilligen Fahrerinnen und Fahrern können die Kosten tief gehalten werden. Ist man sich (subventionierte) öV-Preise gewohnt, wirken die Preise anfänglich etwas hoch. Allerdings relativiert sich dies rasch: Kinder bis 12 reisen in Begleitung gratis, bis 25 und anschliessend mit der «mybuxi»-Halbpreiskarte fährt man für einen «Fünfliber» überall hin. Abos und Halbpreiskarten sind zudem auch in der «mybuxi»-Region Emmental gültig.

Wunsch nach Erweiterung
Gemeinderat Jean-Michel With, der die Vision von «mybuxi» nach Belp geholt hat, ist trotzdem zuversichtlich: «Im Gemeinderat verstehen wir die Digitalisierung als Chance für eine optimalere Vernetzung. Klar wünschen wir uns, dass der Kanton künftig solche Angebote mitfinanziert. Wenn dank einem ‹On Demand›-Angebot weniger Busse leer herumfahren, spart das auch Kosten.» Zudem kamen schon einige Bauprojekte in Belp wegen fehlendem öV-Anschluss nicht zustande – etwas, was sich nun ändern könnte – Stichwort Standortattraktivität. Ähnlich sieht es der Berner Regierungsrat und Verkehrsdirektor Christoph Neuhaus: «mybuxi ist die perfekte Ergänzung für Belp, das in alle Richtungen gewachsen ist.» Der Kaufdorfer wohnte früher im Belper Ortsteil Viehweid und erzählt, dass er einige Male spätabends vom Bahnhof aus, bei Regen oder Glätte, nach Hause laufen musste. Ein perfektes Beispiel für die Dienlichkeit von «mybuxi». Kürzlich erweiterte die Regionalkonferenz Bern-Mittelland RKBM die Mobilitätsstrategie 2040 um ein weiteres «V» auf «4V»: Vermeiden, Verlagern, Verträglich gestalten – und neu auch Vernetzen. Neuhaus geht darauf ein, als er sagt: «Es wäre schön, wenn sich ‹mybuxi› noch weiter ausbreitet, etwa in Richtung Gantrisch.» Lydia Plüss stellt schon länger ein grosses Bedürfnis nach Angeboten fest, um Mobilität jenseits des Privatautos zu ermöglichen. «Der Perimeter ist gross, diesen mit ‹mybuxi› zu managen, wäre innovativ», so die Geschäftsleiterin des Naturparks Gantrisch. Auch hier sei die Finanzierung für die vielen flächenmässig zwar grossen, an der Einwohnerzahl gemessen aber kleinen Parkgemeinden ein Knackpunkt.

Belp macht den ersten Schritt
Derweil wagt Belp mit einer Investition von 250’000 Franken und rund 20 Fahrerinnen und Fahrern das Experiment. «Belp kann vorausgehen und ein Zeichen setzen», betont Susanne Grimm-Arnold. Sie war während fast acht Jahren und bis Ende 2020 im Gemeinderat und damit während der Zeit, als die Idee von «mybuxi» erstmals an die Belper Exekutive herangetragen wurde. «Es war und ist eine bestechende Idee. Nun fangen wir hier an, für unser Dorf, besonders aber für den Belpberg.» Dass das Pilotprojekt, das vorerst auf zwei Jahre ausgelegt ist, rege benutzt wird und auf weitere Gemeinden ausgedehnt werden kann, ist also ein Wunsch von Privaten, dem Naturpark Gantrisch und von Politikern von links bis rechts. Jean-Michel With, der die Region in der Verkehrskommission der RKBM vertritt, kennt ein Fazit einer soeben abgeschlossenen Studie zur Mobilität: «On-Demand-Service ist die Zukunft.» Man sei immer mehr der Meinung, dies vorantreiben zu müssen. With und seine Gemeinderatskolleginnen und -kollegen sind zum selben Schluss gekommen. Belp macht den ersten Schritt in die Zukunft der Mobilität. Die Region ist eingeladen, sich anzuschliessen.

INFO:
www.mybuxi.ch/belp

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Bus oder Taxi? – Ja

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