Bärenstark oder bienenwichtig?

Bärenstark oder bienenwichtig?

«Ohne Bienen kein Leben, keine Lebensmittel, keine Menschheit», sagt Jürg Iseli, Präsident des Berner Bauernverbands. Wie verletzlich das Ökosystem ist, wie wichtig Bienen für die Ernährungssicherheit sind, das ist hinlänglich bekannt. Wie wichtig die Imkerinnen und Imker sind, hingegen weitaus weniger.

Auf dem Wappen des Verbands Bernischer Bienenzuchtvereine wird der Bär durch die Biene ersetzt. Stolz thront dieses im grossen Saal des Schlossgartens in Riggisberg. Die Delegiertenversammlung des VBBV sollte ein freudiges Zusammenkommen all jener sein, die sich jahrein jahraus um das Wohl von insgesamt 30000 Bienenvölker kümmern. Ein Viertel der Schweizer Bienen bestäuben den Kanton Bern. Eine Vielzahl davon das Gantrischgebiet. «Bienen sind wichtig, da sind wir uns alle einig», begrüsst dementsprechend Theo Schmid, Präsident des gastgebenden Vereins Bienen Gantrisch, die Gäste. Doch in den Gesichtern der Imkerinnen und Imker sind Sorgenfalten zu sehen.

Krisenmanager im Imkeranzug

«Ihr habt Herausforderungen, die ihr immer wieder meistern müsst. Krankheiten, der Einfall der Varroamilbe, wilde Bienenzüchter, die sich nicht an Bestimmungen halten, und vieles mehr. Tag für Tag setzt ihr euch für die Biodiversität ein. Ich danke euch für euren Einsatz und euer Engagement.» Diese Worte stammen nicht etwa von einem Imker, sondern von Grossrat André Roggli (die Mitte). Als Nachbar des Bienenpräsidenten im Gantrisch, Theo Schmid, ist er sensibilisiert und will sich auch politisch für das Wohlergehen der Bienen einsetzen. Oder wie er selbst sagt: «Mein Nachbar hat die Binen und ich den wilden Garten, in dem sie sich ernähren können.» Eine Symbiose, die nun auch politisch gefordert sein wird, denn auf die fliegenden Bestäuber wartet eine Bedrohung von nationalem Ausmass: die asiatische Hornisse. Egal, ob Wildbienen oder Honigbienen, diese eingeschleppte Hornisse lauert vor den Fluglöchern und tötet die Bienen. Sie ist rund drei Zentimeter gross, kann rückwärts fliegen, in der Luft wie ein Helikopter stehen und ist blitzschnell. Der Exot aus dem südostasiatischen Raum ist laut EU eine der gefährlichsten invasiven Arten überhaupt – für Imker eine ernsthafte Bedrohung und damit für die Bestäubung und Ernährung. Wenn sich die Hornisse einmal einnistet, ist es schwer, ihrer Herr zu werden. Sie bildet grosse Völker und hat kaum natürliche Feine. Die ersten Exemplare tauchten in der Nähe von Bordeaux auf, nun verbreitet sich die Killerhornisse in ganz Europa. Die Schweizer Imker haben erste Exemplare gesichtet, etwa im Kanton Genf. Nun schlagen sie Alarm. Während Frankreich mit grossanlegeten Fangaktionen mit beköderten Flaschen operiert, arbeitet Agroscope in der Schweiz ein Notfallkonzept aus und bildet Spezialisten aus, um Nester zu entdecken und zu zerstören. Wie die Imker in Riggisberg erfahren, ist es keine einfache Aufgabe, solche Nester aufzuspüren. Entsprechend besorgt sind die Imker. Das hat André Roggli mit in die Politik getragen und mittels einer Motion den bernischen Regierungsrat beauftragt, Gelder für diese aufwändige Arbeit sicherzustellen. Doch auf der Berner Flagge posiert nicht umsonst der behäbige Bär statt der arbeitsamen Biene. Der Regierungsrat will die Motion in ein Postulat umwandeln und belässt es bei ein wenig Information. «Das werde ich nicht akzeptieren», sagt Roggli und wird an der Motion festhalten. Holt er eine Mehrheit im Parlament, kann dieses den Regierungsrat gegen seinen Willen beauftragen, hier tätig zu werden. Beispiele, wie das geht, gäbe es genügend. Der Kanton Aargau verspricht laut Aussagen eines aargauischen Imkers vor Ort in Riggisberg 13 Mio. Franken für die Bejagung der asiatischen Hornisse. Auch der Kanton Genf und der Kanton Jura haben die Gelder längst freigegeben. Und Bern? Hier verweist man darauf, dass dies eine nationale Aufgabe sei und nicht jene der Kantone. Doch auch auf dieser Ebene sind die Bienenzüchterinnen und -züchter bereits aktiv und verfügen über einen Lobby-Zugang in die Wandelhallen. Zwischen den Interessensvertreter der Pharmalobby und anderen Grossunternehmungen kämpft ein Imker ums Überleben der Königsinsekts. Wie wichtig das ist, zeigt die Rückkehr von der Politbühne in die heimische Flora und Fauna das Gantrischgebiets. Ein Drittel der Ernährung der Bevölkerung ist auf die Bestäubung angewiesen. Die fliegenden Ernährungs- und Biodiversitätssicherer benötigen genügend Nektar. Gärten aus Stein sind Wüsten, in denen Bienen verhungern. Retortenpflanzen aus dem Grossmarkt nicht mehr als Attrapen. Kaum eine Gegend der Schweiz verfügt über eine so intakte Insektenpopulation wie das Gantrischgebiet. Die Nächte sind dunkel, die Hecken zahlreich und Hobbygärtnerinnen mehrheitlich daran interessiert, insektenfreundliche Pflanzen im Garten stehen zu haben. Auf der Webseite von Bienen Gantrisch gibt es Tipps für den Garten und den Link auf die Blühflächenförderung. Alle Interessierten können Blühpatinnen werden unter dem Motto: «Jeder Quadratmeter zählt.» Denn: «Unsere Mitarbeiterinnen bestäuben für Sie», heisst es weiter. Die Biene ist das Wappentier aller Insekten. Sie hat eine Lobby, die eigentlich für alles steht, was kreucht, fleucht und fliegt. Das Gantrischgebiet ist eine Schatztruhe für Insekten und Bienen. Zumindest, so lange die Landwirtschaft genügend Blühflächen zur Verfügung stellt und die Einfamilienhausbesitzer auf Steinwüsten und Rollrasen verzichten. Manche Schätze sind eben nicht vergraben, sondern fliegen tagtäglich durch unsere Lüfte. Imker sind die Gralshüter dieses Schatzes. Wobei Theo Schmid wenig Freude am Name Imker hat. «Das lässt sich auf Berndeutsch nicht richtig sagen», stellt er fest. Was wäre dann besser? Beieler oder für das Gantrischgebiet der geläufige Name Beyeler? Zugegeben, historisch gesehen stammt dieser Name vom alemannischen Wortstamm «Bialere», was so viel wie Bauer bedeutet. Aber könnte nicht im Gantrischgebiet dieser Name stellvertretend dafür stehen, dass man sich hierzulande seit jeher für die Beyeli eingesetzt hat? Dann wären Beyelers solche, die sich um die Bienen kümmern. Und kennt die Fernsehwelt Biene Maya, gibt es hierzulande vielleicht eine Maya Beyeler als eine Art Bienenkönigin? Bevor dieses Gedankenspiel gänzlich abhebt und davonfliegt, neigt sich die Delegiertenversammlung des VBBV in Riggisberg dem Ende zu. Nebst den Sorgenfalten erwachen im gemütlichen Teil auch wieder die Lachfalten. Jede einzelne und jeder einzelne Beyeler scheint sich seiner Aufgabe bewusst zu sein und den Kampf gegen die asiatische Hornisse aufzunehmen, um die Biodiversität zu erhalten. Das ist für unser aller Leben wichtig oder kurz: bienenstark. Sie glauben das Wort gibt es nicht? Doch ab heute schon, es ist die Steigerungsform von bärenstark.

INFO: www.bienengantrisch.ch

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Asiatische Hornisse im Anflug

Ein weiterer Schädling setzt seit letztem Herbst den einheimischen Insekten zu und kann Bienenvölker massiv belasten. Hier finden Sie die Erkennungsmerkmale und die Adresse zum Melden von Nestern: www.asiatischehornisse.ch

Es ist schade für jeden Bienenschwarm, der verloren geht.

Rufen Sie uns auf die Schwarm Hotline an.

www.bienengantrisch.ch oder

https://bienenfreunde-thun.ch

Was kann ich generell für unsere Honigbienen tun?

Gesunde Honigbienenvölker und starke Wildbienenpopulationen brauchen ein vielfältiges, möglichst kontinuierliches und grosses Blütenangebot ab Anfang März bis Oktober. Pflanzen Sie bienenfreundlich. Auskünfte erhalten Sie über die oben stehenden Internet-Adressen oder rufen Sie an.

Unterstützen Sie die Blühflächenkampagne von Bienen Schweiz: https://floris.bienen.ch

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Bärenstark oder bienenwichtig?

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