Zurück ins Leben

Zurück ins Leben

Eine Hirnblutung kann das Leben in wenigen Minuten beenden oder dieses, wegen bleibenden Behinderungen, für immer verändern. In allen Fällen geht es um Sekunden und die richtigen Entscheide. Ein Fall, in dem sowohl die Patientin als auch die stillen, aber wichtigen Helden der Insel Gruppe mit dem Standort Riggisberg alles richtig machten, ist die Geschichte von Elisabeth Andermatt*. Sie erzählt vom Ereignis und wie dieses sie prägte. Aber auch von helfenden Händen, die sie aufnahmen und ihr neuen Mut gaben.

«Wie jeden Morgen stand ich früh auf und hatte dann das Gefühl, meine Hand hänge so herunter. Anschliessend hielt ich sie, worauf ich das Gefühl hatte, dass es gar nicht meine ist. Anschliessend wollte ich mich anziehen und ging Richtung Wohnzimmer, wobei ich in den Türrahmen lief und der Länge nach auf den Boden fiel.» So die Schilderung der 73-jährigen Andermatt der Ereignisse vom 12. August 2022, dem Tag, als «ihre» Hirnblutung eintrat.

Effektive Erstintervention

«Von da an erlebte ich die Geschehnisse wie eine Film-Zuschauerin. Ich war zwar Teil desselben, blieb aber gleichzeitig auch im Kinosessel», so die Patientin. In der gleichen Weise erlebte sie auch den kurz nach dem Schlaganfall stattfindenden REGA-Überweisungsflug ins Inselspital, wo Ärzte die Patientin notfallmässig operierten. «Was dort während der ersten Stunden geleistet wurde, ist Weltspitze», so Jörg Isenegger, Chefarzt für Innere Medizin in Riggisberg. Wie bei jeder Hirnblutung mussten die Spezialisten eine Abwägung zwischen einer äusseren Behandlung durch «Beobachten und Regulation» oder einem operativen Eingriff vornehmen. Im Fall der 73-jährigen wählten diese den Eingriff. Denn beim vorliegenden Fall trat Blut ins Hirn und belastete die benachbarten Areale: «Die Patientin erlitt eine schwere Lähmung auf der linken Seite, nur das Bein hatte noch eine gewisse Aktivität», sagt Oliver Höfle, der leitende Arzt der Neurorehabilitation in Riggisberg.Hinzu kam eine Wahrnehmungsstörung auf der linken Seite. Kurz nach der Operation zeigte sich bereits, wie erfolgreich diese war, denn Andermatts Extremitäten sprachen an.

Stimmiger Therapie-Mix

Nach einem Zwischenstopp in Frutigen überführten sie die Spital-Verantwortlichen schliesslich nach Riggisberg. Unmittelbar nach der Ankunft griff dort der ärztliche, therapeutische sowie pflegende Angebotsfächer. «Beim Festlegen meines Behandlungs-Settings hatten sich die Ärzte mit den Therapeuten schon vor meiner Ankunft abgesprochen», so die Rentnerin. Nach umfangreichen Tests ergab sich, dass für die Hand Ergotherapie und für die Beine und die Wahrnehmung zudem Physiotherapie und Neuropsychologie die bestmöglichen Heilungschancen versprachen. Sowohl Therapeuten und Ärzte als auch Pflegende unterstützten die Patientin mit Gesprächen: «An letzteren schätze ich das menschliche und das ‹Sich-Zeit-Nehmen›, auch dann, wenn es einmal ‹traurig› ist», sagt Andermatt dazu, und ergänzt: «Ich finde es toll, dass es dieses Spital gibt und gleichzeitig traurig, dass nicht mehr Menschen in der näheren und weiteren Umgebung davon wissen.»

Kämpfernatur

Trotz der erwähnten Rahmenbedingungen hatte auch die mehrfache Mutter und Grossmutter ab und an schwierige Momente zu überstehen: «Bereits am Anfang gab es eine Zeit, in der ich mich fragte, ob ich noch leben will, vor allem wenn es zu bleibenden Schäden kommen würde.» Als Reaktion erlitt sie eine depressive Phase, genau wie beim mehrere Jahre zurückliegenden Tod ihres Mannes. Das Angebot einer entsprechenden Medikation schlug die ehemalige Lehrerin aus. Und das zu Recht, denn schon bald besserte sich die psychische Verfassung unter aktivierenden Massnahmen. Woher die starke Resilienz der Reha-Patientin kommt, lässt sich nicht genau definieren. Wichtige Einflüsse lassen sich aber in der Biografie erahnen. So verfügt sie über ein intaktes soziales Umfeld, mit Familie und Freunden. Und auch ihr Berufsleben war durch eine sehr herausfordernde und zugleich sinnstiftende Tätigkeit als Lehrerin geprägt. Diese und weitere Eckpunkte in ihrem Leben führten sie dann auch zur Kernaussage über ihren Aufenthalt in Riggisberg: «Ich wünsche allen, die so etwas durchmachen, nicht aufzugeben und die Einstellung, die Tage hier oben nicht für die Pflegenden und Ärzte hinter sich zu bringen, sondern für sich selbst.»

*Name geändert

 

Regionalspital mit Kurz- und Langzeitqualitäten

Wie der Chefarzt für Innere Medizin Jörg Isenegger betont, arbeitet die Rehabilitationsabteilung in Riggisberg auf internationalem Spitzenniveau. Mit ihren 45 Betten liegt sie, was die Grösse betrifft, im Mittelfeld, doch dank ihrer Spezialisierung und dem Fokus auf Schlaganfallpatienten gehört sie wiederum zu den grösseren Betrieben. Angeboten werden ein ganzer Strauss von Therapien, dazu gehören Physio-, Sprach- und Ergotherapie sowie Neuropsychologie. Das Therapie-Setting stellen die Fachleute vor Ort jeweils selbst zusammen, angepackt werden die Defizite während rund sechs Stunden am Tag. Aussergewöhnlich und trendbestimmend ist zudem das Vorhandensein einer Notfallabteilung. Dank dieser können Komplikationen in der Rehabilitation sogleich von den Verantwortlichen behandelt werden, was eine risikoreiche Verlegung überflüssig macht. Zudem bettet sich das Riggisberger Doppelangebot sinnvoll in das Umfeld der Inselgruppe ein: «Wir sind stolz, dass wir die ganze Linie anbieten können», so Isenegger. In diese gehört – bezogen auf Hirnblutungen – der Notfall der Insel Gruppe und die dortige Intensivstation, die beiden Abteilungen Riggisbergs für Akut- und Notfälle zur Aufnahme und Triage sowie die Neurorehabilitation. Nach Abschluss der dortigen Therapie greift zudem in den Heimatregionen der möglichst vollständig Genesenen die ambulante Behandlung.  

 

Hirnschlag, Hirnblutung und Ischämische Hirnanfälle

Hirnschlag gilt als Oberkategorie für Hirnblutungen und sogenannte «Ischämische Hirnanfälle». Beim «Ischämischer Hirnanfall» ist ein Blutgefäss im Hirn verstopft und das dahinterliegende Gewebe ist somit von der Blutversorgung mehr oder weniger abgeschnitten. Dadurch gelangen Sauerstoff und Zucker nicht mehr in ausreichender Menge in die umliegenden Gehirnareale. Bei anhaltender Unterversorgung sterben die betroffenen Gehirnregionen ab. 80 % der Hirnschläge sind sogenannte «Ischämische Hirnanfälle». Die restlichen 20 sind Hirnblutungen, die durch einen krankhaft erhöhten Druck in den Arterien entstehen.

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