Wie aus einer jurassischen eine Längenberger Tradition wurde

Wie aus einer jurassischen eine Längenberger Tradition wurde

Es ist ein ruhiger Ostersonntag, die ganze Schweiz steht spät auf und geniesst das lange Wochenende. Die ganze Schweiz? Nein, in Niedermuhlern sieht man Dutzende von kleinen und grossen Einwohnenden, wie sie sich, mit Gartenhandschuhen, Stöckchen und Körbchen ausgerüstet, beim Schulhausparkplatz treffen und dann gemeinsam in Richtung Tannhölzli laufen.

Eine Erinnerung aus der Kindheit wurde zu dem, was heute das halbe Dorf bewegt: Daisy Marti, aufgewachsen im Jura, hatte sich als Kind jedes Jahr auf die dortige Tradition der gemeinschaftlichen Eiersuche im Wald gefreut. Sie wollte dieses Erlebnis auch ihren Kindern ermöglichen – und fand Mitstreiterinnen in der Nachbarschaft. Vor 26 Jahren versteckten Daisy und Beat Marti aus der Schmitte, Rosmarie und Peter Ruchti sowie die Gemeinde-Hauswarte Hedwig und Ruedi Wenger zum ersten Mal Eier für ihre Kinder sowie für einige Freunde und Verwandte. Beim anschliessenden Bräteln fand das Abenteuer einen gemütlichen Ausklang. Jahr um Jahr wuchs das Interesse, bald einmal waren Dutzende dabei. Die drei Familien zügelten das gemeinsame Mittagessen und Beisammensein deshalb in die Turnhalle.

«Inzwischen kommen recht viele vom Dorf», erzählt Hedwig Wenger bescheiden. Denn die «Osterhasen» verstecken frühmorgens jeweils 20 Blecheier und 220 gefärbte Ostereier, die sie aus der Region beziehen. 80 bis 100 Personen machen sich ab halb elf auf die Suche nach ihnen. Darunter solche, die seit der Anfangszeit dabei sind, aber auch Neuzuzügerinnen. Sie erhalten so Gelegenheit, in Kontakt mit Mitbürgern zu kommen. Denn die Eiersuche ist neben dem Schulfest oder der Gemeindeversammlung einer der wenigen Anlässe, an denen man sich im Dorf trifft. Die Eiersuche schafft es sogar, Weggezogene wieder in die alte Heimat zu bringen. «Dieses Jahr hatten wir zum Beispiel Familien, die aus Sumiswald und aus Thun anreisten», erzählt Hedwig Wenger. Nicht wenige seien früher als Kinder dabei gewesen und würden heute mit ihren eigenen Kindern teilnehmen. Wer nicht mehr so gut zu Fuss ist, muss nicht daheim bleiben. Viele begeben sich direkt in die Turnhalle, wo am Schluss um die 150 Personen zusammen Gegrilltes und Kartoffelsalat sowie ein Stück Murtner Nidelkuchen geniessen.

«Die blechernen Eier werden immer gefunden», weiss Wenger. Zur Sicherheit fertigen die «Osterhasen» selbstgezeichnete Pläne an, auf denen die Verstecke notiert sind. Auch die gekochten Eier landen vermutlich alle in einem Körbchen. «Wir gehen im Anschluss jeweils nochmal in den Wald und schauen dort nach, wo wir uns an Verstecke erinnern. Bisher kam noch nie ein vergessenes Exemplar zum Vorschein», sagt sie. Die Organisierenden achten darauf, sowohl einfache wie auch anspruchsvollere Plätzchen für die kleinen Schätze zu finden. Das Buchenwäldchen bietet mit den vielen Wurzeln und Astgabeln einige Möglichkeiten. Wer ein blechernes Ei gefunden hat, darf in der Turnhalle auf dem «Gabentisch» einen Preis auswählen. Diese organisieren nach wie vor die drei Gründerfamilien. Und das ohne Startgeld: Sowohl die Eier wie auch die Preise können mit den Einnahmen aus dem Essens- und Getränkeverkauf finanziert werden.

So sitzen Jahr für Jahr Gross und Klein zusammen, messen sich beim Eiertütschen oder tauschen sich aus. Niedermuhlenerinnen und Niedermuhlener bewegen sich gemeinsam und pflegen einen Brauch, der längst zur eigenen Tradition geworden ist.

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