Mauern erzählen Geschichte

Mauern erzählen Geschichte

Die vierte Restaurierung der Ruine Grasburg ist abgeschlossen, ihre Erforschung aber noch lange nicht. Am 5. Februar fand im Schloss Schwarzenburg ein Vortrag über den aktuellen Forschungsstand zur mittelalterlichen Königsburg statt.

Während 1906 der erste Erforscher der Grasburg, Friedrich Burri, diese zu den zähringischen Anlagen zählte, stellte der Bauhistoriker Thomas Biller 2011 die Hypothese auf, dass es sich um eine staufische Königsburg gehandelt haben könnte. Die die Restaurierung begleitende Dokumentation, Bauuntersuchungen und punktuelle Ausgrabungen durch den Archäologischen Dienst des Kantons Bern tragen heute dazu bei, die ursprüngliche Funktion der Grasburg als temporären Wohn- und Versammlungsort des hochmittelalterlichen Reisekönigtums besser zu verstehen.

Geschichten aus der Geschichte

Organisiert wurde die Veranstaltung von der Volkshochschule Schwarzenburg, dem Naturpark Gantrisch sowie dem Schlossverein Schwarzenburg. Pünktlich um 20 Uhr begann das Referat über die Grasburg, welches neue Erkenntnisse zur Geschichte, Architektur und früheren Funktion der Burg versprach. Im Zentrum des Interesses stand Professor Dr. Armand Baeriswyl, Leiter des Ressorts Mittelalterarchäologie und Bauforschung beim Archäologischen Dienst.

Ein Blick auf die Architektur des 13. Jahrhunderts

In seinem eineinhalbstündigen Vortrag ging der Historiker und Archäologe unter anderem auf die Architektur der mittelalterlichen Königsburg ein und machte zugleich auf einen wichtigen Grundsatz seiner Forschungsergebnisse aufmerksam: «Wissenschaft ist nur der aktuelle Stand des Wissens. Dieser Stand gilt nur so lange, bis er widerlegt ist.» Geht man mit diesem Bewusstsein an die neuesten Erkenntnisse heran, so wurde die Grasburg um 1240 vom Stauferkönig Friedrich II. oder seinem Sohn und Stellvertreter Heinrich VII. errichtet.

Stellt sich die Frage, warum die Adelsburg aus dem frühen 13. Jahrhundert auf einem Sandsteinfelsen über der Sense-Schlucht erbaut wurde? Laut Archäologe Baeriswyl wurde dieser Standort gewählt, «weil er durch seine Höhe sichtbar war und Schutz vor möglichen Angriffen bot». Neben den schriftlichen Quellen, wonach Berchtold der Fünfte 1218 ohne männlichen Erben starb und damit das Zähringerreich zerfiel, deuten seit einigen Jahren auch architektonische Befunde auf die Staufer als Bauherren hin. Der Bauhistoriker Biller datiert den Bau der Königsburg auf die Jahre um 1240, und zwar aufgrund einer Waffentechnik, die es zur Zeit der Zähringer noch nicht gab. Es geht dabei um die «Kreuzschlitzscharte», die der Historiker Baeriswyl wie folgt beschreibt: «Es handelte sich um eine etwa zwei Meter hohe Schiessscharte, durch die mit dem Bogen geschossen werden konnte. Sie tauchte 1230 im Elsass auf und verbreitete sich erst im Laufe der Zeit.» Ein weiteres Argument für die Verbindung der Region mit den Staufern ist die Tatsache, dass Bern ab 1218 staufische Königsstadt war. Zudem unterhielt der Stadtberner Adlige Peter von Bubenberg enge Beziehungen zu Heinrich V., wie eine Urkunde belegt, die Bubenberg als treuen Gefolgsmann des Königs bezeichnet. Ein weiteres Symbol staufischer Präsenz in Bern ist die Gründung der Niederlassung des Deutschen (Ritter-)Ordens in Köniz, der damals eng mit dem Stauferkönig Friedrich II. verbunden war.

Funktion der mittelalterlichen Königsburg

Heute wissen wir, wer die Grasburg erbaut hat, doch der ursprüngliche Zweck der Burg bleibt ein spannendes Thema. Im Mittelalter war die Grasburg vermutlich eine der vielen, über das ganze Reich verteilten zeitweiligen Residenzen der Staufer. Historische Quellen belegen, dass die Monarchen im 12. und 13. Jahrhundert nicht an einem festen Ort residierten. Stattdessen reisten sie durch ihr Reich und hielten sich an verschiedenen Orten auf, um dort für einige Tage ihre regionalen adligen Gefolgsleute zu versammeln, um sich zu beraten (man nennt das «Hoftag») und so ihre Macht durch Präsenz vor Ort zu festigen. Diese Praxis wird als «Reisekönigtum» bezeichnet. Ein kleiner Scherz des Referenten verdeutlichte den Lebensstil jener Zeit: «Wer damals eine Pferdehaarallergie hatte, hatte kaum eine Chance, König zu werden.»

Während die Monarchen von einer Königsburg zur nächsten reisten, blieben die «verlassenen Anlagen» nicht unbewacht. Sie wurden von sogenannten Burgmannen betreut, die mit der «Burghut» beauftragt waren. Diese Burgmänner, die die Burgen verteidigten und verwalteten, wurden von einem Burgherrn, wie etwa einem König, Herzog oder Grafen, mit dieser Aufgabe betraut.

Obwohl die Erforschung der Grasburg noch nicht abgeschlossen ist, bieten die neuesten Erkenntnisse spannende Einblicke in ihre Rolle und Bedeutung im mittelalterlichen Herrschaftssystem.

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