Kostbares Gut in Not

Kostbares Gut in Not

Die Schweiz ist bekannt als «Wasserschloss». Doch kein anderer Lebensraum wurde im letzten Jahrhundert so stark vom Menschen beeinflusst wie unsere Gewässer. Es ist an der Zeit, dem Wasser mehr Sorge zu tragen. In der Region Gantrisch passiert bereits einiges – mithilfe von Rangern oder Schulklassen. Aber alle können etwas beitragen.

Die Füsse tauchen in der kühlen Sense, in der Nase der Duft der grillierten Cervelat und im Blick die Grasburg, die hoch auf einem Felsen über der eindrücklichen Schlucht thront. Kaum ein Fluss kann sich heutzutage noch so frei wie die Sense in seinem Flussbett bewegen. Damit bietet sie nicht nur einen einzigartigen Erholungsraum für uns Menschen, sondern auch Lebensraum für unzählige selten gewordene Tier- und Pflanzenarten. Nicht umsonst wurde die Sense 2017 vom WWF als Gewässerperle ausgezeichnet. Doch auch anderes Wasser im Naturpark verdient das Label Gewässerperle. So schlängelt sich das Schwarzwasser genauso elegant quer durch den Naturpark wie seine grosse Schwester. Mit der Belper-Aue befindet sich zudem einer der wertvollsten Abschnitte der Aare im Naturpark. Auch die gezähmte Gürbe bekommt wieder mehr und mehr Platz und ist zudem wasserbautechnisch ein wahres Geschichtsmuseum.

Seltene Arten
Neben den Flüssen beherbergt unsere Region noch viele weitere Schätze. So funkeln zwischen grünen Hügeln immer wieder grössere und kleinere blaue Seen hervor und bilden einzigartige Landschaftskulissen und Lebensräume für teilweise sehr seltene Arten. So wohnt z.B. am Dittligsee eine unscheinbare Schnecke, deren Bedeutung erst bei einem Blick auf die Karte klar wird: Diese kleine Population in Längenbühl ist wohl die letzte in der Schweiz. Ähnlich sieht es am Bächlein aus, welches aus dem Gantrischseeli fliesst: Hier wächst das Pyrenäen-Löffelkraut, eine Pflanze, die im restlichen Teil des Landes bereits verschwunden ist. Weniger bekannt, aber genauso wertvoll und schön sind die sogenannten Kalktuffquellen, die sich über den ganzen Park verteilen und in unserer Region noch besonders oft vorkommen. Rund um die Quellen überzieht der ausgelöste Kalk die Moose. Diese aussergewöhnlichen und faszinierenden Formationen bilden ebenfalls den letzten Lebensraum für einige ganz seltene Tierarten.
Ein bedrohter Lebensraum
All diese Perlen prägen unser Landschaftsbild, bieten uns Menschen Erholung und den Tieren und Pflanzen eine Lebensgrundlage. Der sorgsame Umgang mit diesen übrig gebliebenen Schätzen verdient deshalb unsere höchste Priorität. Denn die Entwicklung in den letzten hundertfünfzig Jahren führte zu einem immensen Verlust dieses mittlerweile stark bedrohten Lebensraums. Begradigungen und Verbauungen von Bächen und Flüssen, Trockenlegungen ganzer Täler und der Einsatz von Pestiziden und anderen Stoffen, die ins Wasser gelangen, führten zu gewaltigen Schäden. Sichtbar wird dies unter anderem an den Zahlen der bedrohten Arten. Mehr als zwei Drittel der Amphibien- und Fischarten stehen heute auf der roten Liste. Das heisst: Ihre Bestände nehmen ab oder stehen sogar kurz vor dem Aussterben. Bei den Wasserinsekten sieht es sogar noch düsterer aus, da sie auch noch stark von der immer intensiveren Lichtverschmutzung betroffen sind. Die nun auch noch zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels treffend die Gewässerlebensräume besonders stark. Die Gewässer trocknen aus oder erwärmen sich so stark, dass gewisse Fischarten, die lange vor uns Menschen die Flüsse und Bäche bewohnt haben, wohl bald keine Überlebenschance mehr haben.

In die richtige Richtung
Die Lage ist also ernst. Erfreulicherweise geht die Entwicklung nun aber langsam in die richtige Richtung. So wird Flüssen und Bächen wieder etwas mehr Platz eingeräumt. Natürlich können der Aare oder der Gürbe nicht wieder die ganze Breite ihrer Täler zurückgegeben werden. Das gewonnene Ackerland brauchen wir, es dient uns als Nahrungsgrundlage. Doch unsere Gewässer brauchen wieder etwas mehr Platz, denn sie sind unsere Lebensgrundlage. Und auch, um die Folgen des Klimawandels abfedern zu können. Denn nur ein funktionierendes Ökosystem versorgt uns mit all den lebenswichtigen Leistungen wie sauberem Wasser oder fruchtbaren Böden. Es braucht also Kompromisse und Verständnis für all die Anliegen rund um den Gewässerraum. Hier will der Naturpark einen wichtigen Beitrag leisten. Er geht dies mit unterschiedlichen Ansätzen an. Im Zentrum stehen dabei stets die Information und die Sensibilisierung.

Unterwegs für die Natur
«Was man kennt, das schützt man.» Unter diesem Motto sind Parkbotschafterinnen und Parkbotschafter des Naturparks Gantrisch im Gebiet präsent. Im Sommer zum Beispiel stehen sie an der Sense beim Sodbach im Einsatz. An Infotischen vermitteln sie anhand von Anschauungsmaterial Informationen zur Landschaft, zu den Wildtieren und zum Schutzgebiet. Die Auenlandschaft ist ein äusserst wertvoller und sensibler Lebensraum. Viele spannende Geschichten gibt es dazu zu erzählen: zum Beispiel, wieso der Flussuferläufer jeden Schauspieler in den Schatten stellt, warum der Biber nie Kopfweh hat oder wieso man die Türks Dornschrecke nur mit Adleraugen sehen kann. Springt der Funke der Begeisterung für die Natur auf die Besucherinnen und Besucher über, ist die Basis für ein respektvolles Verhalten in der Natur gelegt.
Auch Rangerinnen und Ranger sind in den Gebieten mit hohem Besucheraufkommen unterwegs. In Gesprächen werden die Besucher an die geltenden Verhaltensregeln erinnert und es wird erläutert, weshalb diese Verhaltensregeln im Schutzbeschluss eines Naturschutzgebietes stehen. Viele dieser Beschlüsse bieten auch den Menschen Vorteile: Wer legt sich schon gerne neben einen Abfallberg? Je mehr wir den Lebensraum der Tiere respektieren, umso grösser ist die Chance, sie auch in Zukunft in der freien Natur beobachten zu können. Auf ihren Rundgängen beobachten die Ranger auch die Flora und Fauna und führen zum Beispiel beim schauspielernden und sehr seltenen Flussuferläufer das Monitoring (Bestandzählung) durch. Als Bodenbrüter mit sehr kleinen Eiern, welche an die Farbe der Steine angepasst sind, ist der Flussuferläufer während der Brutzeit vielen Gefahren durch die Natur und den Menschen ausgesetzt.
Die allermeisten Gespräche sind für beide Seiten spannend und bereichernd. Sie sind nicht immer einfach – insbesondere, wenn Leute darauf hingewiesen werden müssen, etwas zu unterlassen. Die Wertschätzung unserer wertvollen Natur- und Erlebnisräume ist aber den meisten Ausflüglern ein gelegentlicher, kleiner Verzicht allemal wert. In der aktuellen Podcast-Folge des Naturpark Gantrisch ist der Ranger Stefan Steuri zu Gast.

Wenn Schulklassen forschen
Ist das untersuchte Gewässer für die anspruchsvolle Bachforelle geeignet oder nicht? Wieso ist ein kurviges Flussbett ökologisch wertvoller, wann steigt der Sauerstoffgehalt im Wasser an und welche Rolle spielt der Mensch im Ökosystem Fluss? Diese und viele weitere Fragen erforschen Schulklassen mit der neuen Wasserbox des Naturparks Gantrisch.
Die kostenlos ausleihbare Box bietet den Lehrpersonen Anleitungen und Materialien für Forschungsaktivitäten am Gewässer. Die gesammelten Daten können der Öffentlichkeit über «Globe-Swiss» zugänglich gemacht werden. So werden die Schulkinder Teil der Wissenschaft.
Auch in den geführten Exkursionen des Naturparks zum Thema «Abenteuer Sense» oder «Geheimnis Tuffquelle» stehen Forschungsfragen und Erlebnisse am Gewässer im Zentrum. Ziel dabei ist es, den Kindern und Jugendlichen die Bedeutung und den Wert unserer Flusslandschaften näherzubringen.

Mit der Wasserbox selbst forschen
Für die kostenlose Ausleihe ist eine Reservation notwendig: 031 808 00 20 / info@gantrisch.ch.
Die Wasserbox kann im Schloss Schwarzenburg abgeholt werden.
In Zusammenarbeit mit der PH Bern und der PH Freiburg organisiert der Naturpark eine Weiterbildung zur Wasserbox für die Lehrpresonen des Zyklus 3. Weiter werden Exkursionen zum Thema Wasser angeboten.
Mehr Informationen:
www.gantrisch.ch/schulen

Was wir alle tun können
Für einen nachhaltigen Umgang mit unseren Gewässern ist es wichtig, dass alle einen Beitrag leisten, um diese Perlen auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Denn auch unsere Wasserversorgung hängt davon ab. In heissen und trockenen Sommern, wie sie in den vergangenen Jahren wiederholt aufgetreten sind, wird das Trinkwasser in manchen Regionen bereits knapp. Auch im Wasserschloss von Europa wird es immer wichtiger, unseren Wasserverbrauch zu reduzieren. Mit ein paar Kniffs gelingt das relativ einfach.

Bei der täglichen Körperpflege
Duschen statt Baden. Während eine volle Badewanne etwa 200 bis 250 Liter Warmwasser fasst, verbraucht man unter der Dusche etwa 15 Liter pro Minute, mit einer Sparbrause sogar nur ca. 6 Liter pro Minute. Wer zusätzlich die Duschzeit minimiert und während dem Einseifen das Wasser abdreht spart viel Wasser. Das Abdrehen ist natürlich auch während dem Rasieren, Zähneputzen und Einseifen der Hände eine gute Idee.

Im Haushalt
Dank immer sparsamer werdenden Geräte wie Wasch- und Spülmaschinen konnte der Wasserverbrauch in den Haushalten bereits stark reduziert werden.
So braucht das Geschirrspülen von Hand mehr Wasser als moderne Spülgeräte. Um den Wassverbrauch weiter zu reduzieren, sollten die Geräte nie nur halbvoll starten. Wenn möglich Spar- oder Öko-Programme wählen. Auch Vorwaschprogramme sollten möglichst vermieden werden, stark verschmutzte Kleider können stattdessen vorher eingeweicht werden. Bei der Toilette kann der Wasserverbrauch ebenfalls stark reduziert werden, indem die Spülung jeweils nur kurz betätigt wird.

Im Garten
Mit dem Sammeln von Regenwasser in einer Regentonne kann der Verbrauch von Leitungswasser reduziert werden. Den Pflanzen bekommt das Regenwasser sogar noch besser als das teilweise stark kalkhaltige Wasser aus der Leitung. Beim Bewässern im Garten lässt sich Wasser sparen, indem das Regenwasser direkt im Wurzelbereich auf den Boden gegossen wird. Giessen Sie gezielt und am besten abends oder am frühen Morgen, damit das Wasser nicht gleich wieder verdunstet. Vor allem während Trockenperioden sollte auf grossflächige Rasenbewässerung ganz verzichtet werden. Am besten den Rasen vorher etwas länger wachsen lassen, damit er trockenresistenter ist.

Weitere Ideen
Das Wasser aus dem Hahn hat bei uns eine hervorragende Qualität. Vor allem auf den Kauf von Mineralwasser aus dem Ausland sollte deshalb verzichtet werden. Regional und saisonal produzierte Lebensmittel schonen Wasserreserven im Ausland. Dort ist das kostbare Nass oftmals noch ein viel rareres Gut als bei uns im «Wasserschloss Schweiz».

Medikamente oder Speisereste wie Öl sollten immer korrekt entsorgt werden und nicht im Abwasser landen. Ansonsten können sie in unseren Gewässern landen und dort Schäden anrichten. Sowohl in der Wohnung wie auch draussen im Garten kann man darauf achten, nur biologisch abbaubare Produkte zu verwenden. Auf Pestizide und künstliche Dünger sollte wenn möglich komplett verzichtet werden.

 

Claudia Vonlanthen, Fabian Reichenbach, Stefan Steuri

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Kostbares Gut in Not

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