I gloube i gange no meh, a Gantrischsee

I gloube i gange no meh, a Gantrischsee

Ja, Sie haben ja recht. Span besingt nicht das Gantrischseeli, sondern den Lauenensee. Weshalb die Band dem Bergsee in einem Lied huldigt, deckt sich mit den Gründen vieler, welche das Gantrischseeli aufsuchen: «Eifach furt i d’Rueh vor Natur, ganz elei mit em Chopf vou Gedanke, dert hinde bim Louenesee.»

Wenn dem Gantrischseeli aber zukünftig keine Hilfe naht, müsste der Text dieses bekannten Schweizer Songs angepasst werden: «Immer wenn i wieder dra dänke, a das Gfüeuh dert am vertröchnete Ufer vom See, de merk i wie fescht dass es weh tuet, i gloube i gange nie meh.» Was ist passiert mit dem geschätzten Gantrisch-Juwel?

Ein Vorstoss

Das Seelein verlandet; Stück für Stück; und dies seit geraumer Zeit. Einfach gesagt, fliesst mehr Wasser talwärts, als frisches in den See gelangt. Das liegt aber nicht daran, dass weniger Wasser aus den Bergen in den See mündet, sondern am Abfluss. Dieser hat sich nach einem Unwetter in den 1990er-Jahren verschoben. Seither sinkt der Pegel. So lautet die wahrscheinlichste Theorie. Erste kleinere Massnahmen mit einem Bagger konnten die Situation nicht verbessern. Die Lage ist mittlerweile besorgniserregend, weil die Biodiversität darunter leiden könnte. Fische schwammen einst durch das Seeli, heute sind sie verschwunden. Zeit zum Handeln, denken sich einige, darunter etwa Roland Iseli von der unteren Gantrischhütte, Grossrätin Verena Aebischer (SVP) oder Grossrat André Roggli (die Mitte). Letzterer plant nun einen Vorstoss im Grossen Rat des Kantons Bern und erhält Schützenhilfe von Verena Aebischer und weiteren Politikern aus der Region. «Rettet das Gantrischseeli» lautet der Text, mit dem die Politiker die Kantonsregierung beauftragen wollen, ein Juwel im regionalen Naturpark Gantrisch zu erhalten.

Ein Rückhalt

«Es geht darum, den Abfluss wieder so hinzubekommen, wie es vor dem Unwetter war», erklärt Roggli. Also zurück zum alten Ort, wo das Wasser austritt. Kann das Gantrischseeli wieder mehr Wasser speichern, ist das ein wichtiger Rückhalt. «Wasserrückhalt» ist ein Wort, das im Zusammenhang mit extremen Wetterereignissen immer wichtiger wird. Solche Seen verhindern zum Beispiel, dass zuviel Wasser auf einmal talwärts donnert. Sie verringern die Wahrscheinlichkeit, dass Bäche über ihre Betten treten und als regelrechte Gerölllawinen weiter unten grosse Schäden anrichten können. Die Seen speichern zudem Wasser, das dann in trockenen Phasen weiterhin zur Verfügung steht und nicht gleich abfliesst. Nun mag das Gantrischseeli nicht das allein seligmachende Rückhaltebecken des Gebiets sein, aber halt ein Beispiel, an dem klar wird, wie wichtig solche Systeme sind.

Für die Biodiversität

«In erster Linie geht es aber um die Biodiversität», unterstreicht Grossrat Roggli. Das Seeli ist für Flora und Fauna wichtig, sinkt der Wasserspiegel, ziehen sich viele Gattungen zurück. Die Fische mögen hier ein Indiz sein. «Es wäre schön, wenn diese wieder zurückkehren könnten», wünscht sich der Rüschegger Politiker. Was soll denn der Regierungsrat seiner Meinung nach konkret tun? «Die Regierung wird beauftragt, Massnahmen zu ergreifen, damit es überleben kann», sagt er. Solch einen Vorstoss gab es vor Jahren schon einmal für den soeben besungenen Lauenensee im Berner Oberland. Damals zeigte der Regierungsrat wenig Gehör für das Problem, die Gemeinde ebenfalls. Das lag aber weniger am Willen als an der Tatsache, dass sich der sinkende Pegel des Sees aus Sicht einiger Experten wieder stabilisiert hatte. Die Situation am Lauenensee hatte sich beruhigt, zumindest vorerst oder bis das nächste Extremereignis die natürlichen Fliesswege wieder durcheinanderbringt. Droht demnach auch der Vorstoss «Rettet das Gantrischseeli» zu einem Papiertiger zu werden? Die Situation präsentiert sich gänzlich anders. Das Problem besteht nämlich seit vielen Jahren und das Seeli könnte Politiker aus verschiedenen Parteien zu einer breiten Allianz verbinden.

Der Zusammenhang

Welche Massnahmen genau zu treffen sind, dazu sagen die Politiker zurecht nur wenig. Ist der Beschluss einmal da, dem Seeli zu helfen, sind die Experten gefragt. Ob die Lösung lautet, den Abfluss wieder an seinen ursprünglichen Ort von vor dem Unwetter zu transferieren, oder ob es effizientere Möglichkeiten gibt, darüber werden die Fachkundigen im Anschluss befinden. Sicherlich hängt der Lösungsansatz auch damit zusammen, wie klar man das Problem mit der Klimakrise in Verbindung setzen kann. Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling und ein Gewitter noch keine Sintflut, respektive dieses Unwetter noch keine Krise. Klar ist aber auch, dass stärkere Unwetter sich häufen. Und wenngleich dieser Sommer vielleicht kein Hitzesommer war, so mag die nächste heisse Phase bereits nächstes Jahr Flora und Fauna belasten. Dann sinkt der Seespiegel noch schneller als bisher. Die Häufung von starken Unwettern oder extrem heissen Trockenphasen, das sind klare Zeichen der Klimakrise.

«I weiss no guet wo’n i ar Sunne bi gsässe, wit awäg vom Lärm vo der Stadt. I weiss no guet wie ’n i ha chönne vergässe, dert hinger bim Louenesee.» Der Anfang des Songs klingt wehmütig und erfreut zugleich. Es sind genau die Gefühle, welche all jene verbindet, die sich um das Gantrischseeli besorgen. An den Ufern des kleinen Juwels kommt alles zusammen: Biodiversität, Ruhe, Rückhalt und die Pflicht von uns Menschen, der Natur und ihren Schätzen Sorge zu tragen, mitunter auch mit helfenden Eingriffen. Möge das Vorhaben gelingen, möge bald wieder vielerorts zu vernehmen sein «I gloube i gange no meh, a Gantrischsee.»

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I gloube i gange no meh, a Gantrischsee

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