Wärmeverbund Riggisberg – Wärme aus Wäldern, die das Dorf umgeben
Bis zuoberst gefüllt hat es der Lastwagen zum Spital hinaufgeschafft. Nicht einmal zehn Minuten dauerte die Fahrt von der Lagerhalle im Geisshaus bei Rüti bis hierher. Im Boden hinter ihm öffnet sich eine Luke. Die ersten Holzschnitzel fallen hinein, bald ergiesst sich die Ladung wie ein Wasserfall in das unterirdische Depot.
«Den Winter hindurch werden alle zwei Wochen drei Mulden angeliefert», weiss Hanspeter Jaun, Leiter Gebäudetechnik im Spital Riggisberg. Das sind 120 m3 Holzschnitzel. Verarbeitet und angeliefert werden sie von der Waldgenossenschaft Untergurnigel. Acht Gemeinden gehören dazu, darunter auch Riggisberg. Der Verband erstellte 2012 ein Holzschnitzellager in Rüti und verfügt so über ausreichend Nachschub an Brennmaterial.
Auf Gemeindegebiet und in der angrenzenden Umgebung ist Rohstoff in Fülle vorhanden. Darum mass die Energieversorgung Riggisberg (EVR) AG bei der Ausschreibung der Nähe der potentiellen Schnitzellieferanten hohen Wert bei. Die Zusammenarbeit mit der Waldgenossenschaft Untergurnigel sehen beide Partner als Gewinn. Holz, das sonst vermutlich vermodern würde – meist «Käferholz» kann verwertet werden, Arbeitsplätze in der Region sind gesichert und der Transport vom Lager zu den Heizungen fällt kaum ins Gewicht.
Als vor sieben Jahren die Heizungen der Schulanlagen Aebnit ersetzt werden mussten, sahen Martin Guggisberg, Geschäftsführer der EVR AG, und sein Team rasch das Potential einer Fernwärmeanlage. 2014 wurde der Fernwärmeverbund Dorf in Betrieb genommen, bald darauf fanden Gespräche mit dem Spital Riggisberg statt, das bereits über eine Holzschnitzelfeuerung, damals noch ergänzt mit Öl, verfügte. 2017 konnte die neue Anlage gebaut werden.
Heute sind den beiden Wärmeverbunden insgesamt rund 100 Liegenschaften angeschlossen (Wohnhäuser, Gewerbe, Gemeindegebäude). «Dadurch können im Jahr rund 1’500 Tonnen CO2 und circa 500’000 Liter Heizöl eingespart werden», freut sich Guggisberg. Die EVR AG, die zu 100% im Besitz der Gemeinde Riggisberg ist, trägt somit einen grossen Teil dazu bei, dass die Gemeinde die Ziele der Kantonalen Energiestrategie umsetzen kann. Nächstes Jahr soll das Dorf das Label «Energiestadt» erhalten.
Aus den Kaminen beim Spital ist wenig bis kein Rauch zu sehen, obwohl einer der beiden Öfen in Betrieb ist. Dies ist den Elektrozyklonfiltern zu verdanken: Der Rauch muss an Drähten vorbei, die unter Hochspannung stehen: Dadurch wirken sie wie ein Magnet: Der Feinstaub setzt sich auf ihnen ab und kann mit Bürsten in Metallfässer befördert werden. Was oben aus den Kaminen rauskommt, entspricht in etwa der Menge Feinstaub drei herkömmlicher Cheminées – also fast nichts für eine Anlage, die pro Jahr 3’500 m3 Holzschnitzel verbrennt und derart viele Gebäude heizt – darunter grosse wie das Spital, den Riggishof oder die Schulanlagen. Ein eindrücklicher Leistungsausweis, der auch die anfängliche Skepsis von Anwohnern zu beruhigen vermochte.
INFO: www.evrag.ch
Die Schinglemacher
Das Dach der Rütiplötschbrücke oder die Fassade der Süftenenhütte sind zwei Projekte aus der Region, die von ihnen umgesetzt wurden. Doch auch die Fassade einer Konferenzhalle in Genf wurde von den «Schinglemachern» erstellt und beeindruckt Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt.
Fritz Künzle, «Popeye» – niemand kenne ihn unter seinem offiziellen Namen, sagt er – , Werner Riesen, Marco Kreuter, Roger Kolly, Fritz Kohler sowie Fritz Künz-
les Söhne sind die bekanntesten «Schinglemacher» aus unserer Region. Im Herbst sind sie im Ätteberg, Schwarzsee, zu finden, wo sie in minutiöser Handarbeit die Schindeln auf dem Dach verlegen. Schindeln sind langlebig und leiten, sofern sie gut verarbeitet sind, Regenwasser nach unten und aussen ab. Pro Jahr verarbeiten die «Schinglemacher» etwa 35 m3 Holz aus unserer Region. 1 m³ Holz ergibt circa 2’500 Schindeln, die eine Fläche von rund 8 m2 abdecken. Eindrückliche Zahlen!
Die verwendeten Nadelhölzer – bei uns ist es die Fichte – werden dann gefällt, wenn der Mond abnehmend und «nidsigehend» ist. Dann zieht der Baum seinen Saft zurück. Die «Gantrisch Zeitung» konnte beim Holzschlag, der diesmal gleich neben dem Wald des Berner Stadtpräsidenten in Rüti stattfand, dabei sein.
INFO: www.schingle.ch
Sägerei Trachsel AG –
Gantrischholz umrahmt Ausblicke auf die Schweiz
Eine der grössten Verarbeiterinnen von Holz aus der Region ist seit rund hundert Jahren die Sägerei Trachsel. Per 2019 wird jährlich 25’000 m3 Rundholz – davon 20% aus der Region Gantrisch – von etwa 70 Mitarbeitern in Rüti bei Riggisberg und dem Zweigbetrieb Rüschegg verarbeitet: vom Entrinden über den Einschnitt, das Kappen, das Hobeln und Trocknen bis zum Lamellieren und Verleimen. Hauptsächlich werden die Bäume in Fenster- und Türenholz «verwandelt», die als Zuschnitte und Stangen sowie Spezialprodukte an die Kundschaft ausgeliefert werden.
Etwa jedes sechste Holzfenster in der Schweiz ist aus Holz aus dem Hause Trachsel gefertigt – hochgerechnet stand also jedes 60. Schweizer Holzfenster mal als Teil einer Fichte oder Tanne in einem Wald in unserer Umgebung!
Die Sägerei Trachsel ist seit 1964 eine Aktiengesellschaft mit Beteiligung der Familie Wälchli. Seit fast 40 Jahren ist sie zu 100% in Familienbesitz – heute sind die zweite und dritte Generation der Familie Wälchli in der Firma tätig.
INFO:
www.trachsel-holz.ch
Erich Lehmann – seine Teetassli reisen bis nach Tokio
Holz, Holz und noch mehr Holz: In Erich Lehmanns Werkstatt in Albligen trocknen Bretter an der Wand, von der Decke hängen Kanus, auf dem Zwischenboden stapeln sich Rohlinge für Schüsseln. Harassen mit fertigen «Chäs-Chübeli» für die Belper Knolle stehen bereit, auf der anderen Seite warten Pfeffermühlen darauf, für den nächsten Markttag eingepackt zu werden.
«Drechseln ist eines der ältesten professionellen Handwerke der Welt», weiss Erich Lehmann. Bereits die alten Ägypter hätten mit einer Art «Pfeilbogen» das Holz gedreht oder angetrieben und mit Werkzeugen bearbeitet. Heute sind Drechsler in der Schweiz eine Seltenheit – und heissen neuerdings «Holzhandwerker». Doch als Lehmann Ende der 70er-Jahre erstmals seinen Fuss über die Schwelle einer Drechslerwerkstatt setzte, war ihm sofort klar: «Das will ich werden!»
«Ich weiss von praktisch jedem meiner Werkstücke, wo ihr Holz gewachsen ist», sagt der Albliger. Im Gegensatz zu den anderen auf diesen Seiten Porträtierten bezieht er seine Stämme nur selten aus dem Wald. «Meist höre ich in einer Hostett in der Umgebung die Motorsäge», beschreibt er den Weg, wie er an Holz kommt. Oder Landschaftsgärtner reut es, Stämme einfach in den Häcksler zu werfen – dann fragen sie ihn an. All sein Holz stammt aus dem Umkreis von rund 20 Kilometern.
Stolz zeigt Erich Lehmann seine Werkstatt: «Ich habe hier 30 verschiedene Hölzer.» Ahorn, Eiche, Ulme, Zwetschge – jedes erkennt er sofort, immer wieder nimmt er eine Pfeffermühle, einen «Hurlibueb» (Zwirbel), eine Schüssel oder ein Kunstobjekt in die Hand und erzählt eine Geschichte dazu. Etwa, aus welchem Garten das Holz kommt oder wie alt der Baum war. Auch vor über 300 Jahren verbautes Holz wird ihm manchmal zuteil – ob er da noch was daraus machen könnte? Lehmann schmunzelt: «Wenn ich einen Baum durchsäge, sehe ich sofort, was sich alles darin versteckt. Die Art des Wuchses und die verschiedenen Zeichnungen geben die Idee für die weitere Verarbeitung.
Seit 1992 ist Erich Lehmann selbständiger Drechsler – und leidenschaftlich am Werk wie am ersten Tag. Ideen hat er noch viele. Die bereits umgesetzten können am Handwerkermarkt und am Weihnachtsmarkt auf dem Berner Münsterplatz bestaunt und erstanden werden.
INFO: www.drechslereilehmann.ch
Dominic Corpataux – ein Hirsch für jedes Budget
Der Holzacher liegt in Rüschegg Gambach, am Ende einer Naturstrasse: Hier wohnt und wirkt Dominic Corpataux. In Rüschegg geboren und in Riffenmatt aufgewachsen, lernte der heute 25-Jährige zuerst Zimmermann, bevor er noch die vierjährige Lehre zum Holzbildhauer und parallel dazu die Handelsschule absolvierte. Seit Anfang Jahr ist er selbständig tätig.
Obwohl er eigentlich «etwas macht, was niemand braucht», wie er es ausdrückt, ist Corpataux gut ausgelastet. Er erschafft Tier- oder Menschenfiguren von lebensecht bis abstrakt, Kratzbilder, Schriften auf Möbeln oder Schildern, Ornamente an Gebäuden. Aber man findet auch täuschend echt aussehende «Lingerie» aus Holz, Skulpturen, Löffel und Teller oder sogar Skateboards. Begehrt sind die Hirsche, die es «für jedes Budget» gibt. An der Arbeit mit Holz schätzt er, «dass die Möglichkeiten endlos sind». Sowohl Tradition als auch Modernes sei mit Holz umsetzbar, so der Kunsthandwerker. Er arbeitet nicht für einen eigenen Laden oder Marktstand, sondern meist auf Bestellung. Kundinnen und Kunden können mit einer Idee oder einem Budget anfragen – so ergibt sich der Weg zum Werk.
Was das weisse Blatt Papier für den Maler ist, ist die Linde für den Holzbildhauer. Ausgerechnet dieser Baum wächst kaum wild in der Region Gantrisch und wird deshalb meist aus dem Berner Oberland bezogen. Die verwendeten Eichen, Lärchen, Ahornbäume, Nussbäume oder Fichten und Tannen sowie Obstbäume stammen ausschliesslich aus der Umgebung. Jede Eigenart und individuelle Schönheit der Baumart prägen das Objekt. «Es ist gut, Partner zu haben, die wissen, was ich brauche», erklärt Corpataux. Dies sind zum Beispiel Forstarbeiter aus den umliegenden Gemeinden oder Förster der Burgergemeinden. Aber auch Private fragen immer mal wieder an, ob er eine Linde oder einen Nussbaum brauche.
Teamevents, wie gemeinsames Kochlöffelschnitzen oder Schnitzkurse für Kinder, bietet Dominic Corpataux ebenfalls an. Ausserdem studiert er an zwei Tagen pro Woche Produktdesign. Man darf also gespannt sein, welche Marktneuheiten aus Gantrischholz der ideenreiche Holzbildhauer lancieren wird.
INFO: www.dominiccorpataux.com