Denn Bäume stehen nicht einfach nur in der Gegend herum. Bäume sind ein lebendiger Organismus. Sie kommunizieren ober- und unterhalb der Erde mit Artgenossen und mit anderen Pflanzen. Durch ein unterirdisches, abertausende Kilometer langes Pilzgeflecht sind Bäume in der Lage, in Hochgeschwindigkeit miteinander zu kommunizieren, ähnlich, wie wir Menschen das Internet nutzen. Die Feinwurzeln der Bäume verbinden sich mit den Pilzfäden und können einander so beispielsweise wissen lassen, welcher Baum Nährstoffe oder Wasser braucht. Oberhalb der Erde senden Bäume Botenstoffe aus – eine weitere Kommunikationsstrategie, mit der sie sich auch gegenseitig vor Gefahren warnen können. Wenn ein Baum beispielsweise durch Schädlingsbefall oder Trockenheit gestresst ist, kann er dies seine Artgenossen durch das Freisetzen von Duftmolekülen, sogenannten Terpenen, wissen lassen und sie warnen. Bäume scheinen auch mit ihrer Umwelt über solche Botenstoffe zu kommunizieren. Es gibt Hinweise darauf, dass sie durch die Freisetzung von Terpenen sogar Regenfälle herbeiführen können, denn: Steigen Terpene in die Luft, beschleunigt das Kondensationsprozesse. Man könnte also vereinfacht durchaus sagen: Bäume äussern ihre Bedürfnisse, und die Gesundheit eines Baumes bedingt die Gesundheit eines anderen.
Wie Pflanzen mit Bestäubern kommunizieren
Dieser Ansicht ist auch Beat Scheuter, Landschaftsarchitekt und Co-Präsident der Klima- und Umweltgruppe Belp. Und: «Bäume sind nicht nur miteinander, sondern auch mit allen anderen Pflanzen verbunden, und umgekehrt», so Scheuter. «Es ist alles eine riesige Vernetzung, und die Pflanzenwelt kann viel mehr, als wir uns heute vorstellen können.»
Dem US-amerikanischen Fotografen Craig P. Burrows gelang es, mithilfe einer UV-Fototechnik zu zeigen, wie Pflanzen Bestäuber durch ultraviolette Fluoreszenz anlocken. Je intensiver eine Blüte leuchtet, desto mehr Pollen stehen für Bienen und andere Insekten bereit. Diese Entdeckung führte zu weiteren Forschungen, die zeigten, dass Pflanzen ihr Wachstum anpassen, um Bestäubern den Zugang zu erleichtern. «Schon Charles Darwin erkannte diese Zusammenhänge, doch fehlten ihm damals die technischen Mittel zur Untersuchung», so Scheuter. «Diese Fotografien und die darauf gefolgten Studien zeigen deutlich: Vernetzung findet nicht nur unter Menschen statt, sondern auch in der Natur.» Bäume und Pflanzen kommunizieren also nicht nur mit ihren Artgenossen, sondern auch mit Tieren, und wenn wir dazu bereit sind, ihre Sprache zu lernen, sogar mit uns. «Wollen wir auf die Vernetzung der Umwelt schauen, müssen wir auch die Vernetzung unseres eigenen Denkens und Handelns miteinbeziehen», so Scheuter.
«Der 2012 erschienene Dokumentarfilm ‹More than honey› hat eindrucksvoll gezeigt, was passiert, wenn es eines Tages keine Bienen und andere Bestäubungsinsekten mehr gibt.»
Sich der Vernetzung der Natur wieder anzunähern – das beginnt in kleinen Schritten. Beispielsweise mit der anfangs beschriebene Pause auf dem Bänkli unter der Linde, mit einem offenen Blick, einem offenen Ohr und einem offenen Geist. Wenn wir eines von den Bäumen lernen können, dann, dass alles ein Kreislauf ist, in dem auch wir ein Teil sind.