Wobei Bank noch nicht der passende Begriff war. Erstmal hiess die heutige Bank Gantrisch nämlich «Ersparnis-Casse». Der Name sollte sich 1905 nochmals ändern in Amtsersparniskasse Schwarzenburg, ehe sich ab 2011 der heutige Name Bank Gantrisch manifestiert. Der Name mag gewechselt haben, die Werte aber haben zwei Jahrhunderte überdauert. Das ist keine leichtfertige Behauptung aus heutiger Sicht, sondern ein Recherche-Resultat aus der Chronik, welche die Bank in Auftrag gegeben hat.
In der Recherche zur Chronik wird schnell klar: Man kann die Geschichte der Bank nicht ohne die der Gantrischregion erzählen. Beides steht in gegenseitiger Abhängigkeit. Doch anstelle einer chronologischen Sammlung als Staubfänger fürs Bücherregal wollte die Bank Gantrisch etwas so Einzigartiges schaffen, wie dies Land, Leute und Bank hierzulande darstellen. Geboren ist die Idee, einen Roman zu verfassen. Menschen, die es wirklich gegeben hat, treffen auf Menschen, die es vielleicht gegeben hat. Historische Fakten treffen auf fiktive Geschichten. In der bitteren Armut, in der die kleine Elsi ums Überleben bangt, trifft sie auf Pfarrer Roschi. Der Weg, den Roschi damals unter die Räder nahm, ist mit beschwerlich nur unzureichend beschrieben. Die Schlucht vom Schwarzwasser wird zum Schauplatz des umtriebigen Fuhrmanns Gfergg-Urli. Sie zeigt exemplarisch, wie wichtig die Vergabe von Krediten im Kampf gegen die Armut sein konnte. Doch eine «Ersparnis-Casse» allein macht noch keinen Wohlstand. Viele Menschen der damaligen Zeit verweilten nicht nur in der bitteren Armut, sondern zeichneten sich durch einen unbändigen Überlebenswillen aus.
Die Eisenbahnbrücke besiegelte das Ende der Abgeschiedenheit und den Anfang des Wohlstandes. Doch selbst hier zeigt sich die Geschichte der Gantrischregion wenig linear. Währenddem sich einige Frauen ein überlebenswichtiges Zubrot für die Familie dazuverdienten, indem sie Schneiderarbeiten verrichteten, versickerte diese Geldquelle mit der Industrialisierung und der ersten Textilmaschine in Freiburg wie Wasser im Hochmoor. Eine Entwicklung, welche gekoppelt an die europäischen Unruhen die Schweiz in den 1870er- und 1880er-Jahren in eine beispiellose Wirtschaftskrise stürzte. Auch die Gantrischregion. Die «Ersparnis-Casse» stand in diesen umtriebigen Zeiten so stabil wie ein Fels in der Wirtschaftsbrandung da und bot der ganzen Region einen sicheren Rückhalt.
Ob ein Jahr gut oder schlecht sein würde, war wetterabhängig, die Jahresberichte der Bank zu Beginn des 20. Jahrhunderts legen davon Zeugnis ab. 1905 verwandelte sich die «Ersparnis-Casse» in eine Genossenschaft. Ein wichtiges Zeichen der Verbundenheit zwischen Bürgerinnen, Bürgern und ihrem Finanzinstitut. Als die Schweiz dank ihrer neutralen Haltung von den Querelen des ersten Weltkriegs verschont blieb, gedieh die Bank unvermindert weiter. Trotz Eisenbahn, die Einzigartigkeit hinter den Toren von Bern ist geblieben. Herausfordernder war da die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Manch einer mochte die Niederlage Deutschlands nicht anerkennen und träumte stattdessen von einem deutschen Grossreich. Als eine erneute Wirtschaftskrise Europa heimsuchte, war das der richtige Nährboden, um Verwaltungen und Banken zu verunglimpfen, Volksaufklärer trieben ihr Unwesen und die Armen und Ungebildeten waren ein fruchtbarer Boden. Auch im Schwarzenburgerland. Reihenweise räumten die Menschen ihre Konten, viele Banken mussten sich bei der Kantonalbank oder der Nationalbank Kredite sichern, um zu überleben. «Bärti» Flückiger-Dürr war damals Verwaltungsratspräsident der Amtsersparniskasse Schwarzenburg. Er, Notar Karl Jenni und Buchhalter Johann Kurz wehrten sich dagegen. Ohne Sanktionen, ohne Regeln und ohne Drohungen. Erstmals wirft die Bank die Geschichte der Region in die Waagschale, 110 Jahre, in denen die Bank manche Armutsnot gelindert und manches florierende Gehöft oder Geschäft gefördert hat. Bank, Land und Leute gehen aus jeder Krise gestärkt hervor. Nichts vermag dies so schön aufzuzeigen wie die Geschichten einiger Firmen, die aus dem Gantrischgebiet nicht mehr wegzudenken sind. Längst ist allen klar: Diese Bank gehört zur Region wie der Gantrisch, die Sense und das Schwarzwasser. Das manifestiert sich 2011 mit dem neuen Namen Bank Gantrisch ein für allemal. Noch im selben Jahr entsteht der Naturpark Gantrisch und gibt der Region ein Gesicht nach aussen.
Über zwei Jahrhunderte hinweg sind die Geschichten eng miteinander verknüpft. Die Region und ihre Menschen sind als Einheit zu verstehen und, wenn dieser Erzählungen auf eine grosse Erkenntnis zusammengefasst werden müssten, dann auf jene, dass die Bank Gantrisch wie eine Konstante alle Wirrungen der Zeit überdauert hat. Und das ist ihr nur gelungen, weil sie damals, heute und auch morgen nicht Gewinnmaximierung anstrebt, sondern sich genossenschaftlich in den Dienst von Land und Leuten stellt. So wie das Land, so die Leute und ihre Bank. Eine Gleichung, die im Gantrischgebiet felsenförmig in die Silhouette gemeisselt ist. Das Vermächtnis von einst wird zur Berufung für die Zukunft. Armut besiegt – Bank Gantrisch sei Dank.