Schlafen unter der Schneedecke

Schlafen unter der Schneedecke

Wie würden wir bei einem sportlichen Ausflug im Winter mit unseren Energiereserven haushalten, wenn wir nicht die Sicherheit hätten, dass am Abend in der warmen Stube ein währschaftes Znacht auf dem Tisch steht? Tatsächlich würden wir sie wohl etwas anders einteilen. Denn jede Anstrengung kostet Energie. Kann keine neue Energie zugeführt werden, ist das sparsame Haushalten damit überlebenswichtig. Dieser Herausforderung müssen sich die Wildtiere jeden Winter aufs Neue stellen. Dabei greifen sie auf erstaunliche Strategien zurück.

Beinschlaf der Hirsche

Ein Hirsch macht keinen Winterschlaf – jedenfalls glaubte man dies lange Zeit. Neuere Forschungen zeigen aber, dass der Rothirsch seine Körpertemperatur und seinen Herzschlag in kalten Winternächten deutlich zu senken vermag. Während diesen Stunden sind die Extremitäten kaum durchblutet, die Beine werden kalt und starr. Hirsche halten sozusagen «Winterschlaf in den Beinen». 

Im Wald auf den Wegen bleiben

Bemerken Hirsche eine Störung, flüchten sie. Jedoch erfordert dies im Energiesparzustand, dass der Körper enorm schnell aufgeheizt wird. Das zehrt an den Energiereserven. Sind Störungen jedoch gleichartig und vorhersehbar, müssen die Wildtiere nicht flüchten. Bleiben wir zum Beispiel im Wald auf den ausgeschilderten Routen, können sich die Wildtiere an unsere Präsenz gewöhnen und unsere Bewegungen einschätzen. Das energiezehrende Fluchtverhalten bleibt aus. 

Biwakierende Birkhühner

In der Moorlandschaft Gurnigel-Gantrisch leben die selten gewordenen Birkhühner. Sie sind perfekt an die kalte Jahreszeit angepasst: Ihre Füsse sind mit Federn bedeckt und bei jeder Körperfeder wächst zusätzlich eine kleine Daunenfeder, die den Körper wärmt. Die Birkhühner graben sich eine Schneehöhle und verbringen dort gut versteckt den ganzen Winter. Zweimal pro Tag trippeln sie hervor, um Nahrung wie Tannennadeln zu suchen. 

Waldränder meiden

Wildtiere wie die Birkhühner leben dort, wo der Wald lichter wird und langsam zur Alpwiese übergeht. Werden die Birkhühner durch Wintersportler aufgescheucht, verlassen sie fluchtartig ihr Biwak. Sie fliegen auf Bäume in Sicherheit und verbringen oft den Rest des Tages im Freien. Durch die Anstrengung und durch die Kälte hoch oben auf den Baumwipfeln verlieren sie viel Energie, welche mit der mageren Nahrung im Winter kaum wieder gedeckt werden kann. Meiden wir Waldränder, verursachen wir weniger Störungen für die Wildtiere, die sich in diesem Lebensraum aufhalten. 

Der Schneehase als radikaler Vertreter von No-Food-Waste

Die typische Y-förmige Spur des Schneehasen dürfen wir oft bestaunen. Einen Schneehasen gesehen haben jedoch die wenigsten von uns, denn mit seinem weissen Fell ist er gut getarnt, solange sich unsere Voralpen im Winter noch in weisse Landschaften verwandeln. Der Schneehase ernährt sich von Knospen, Gräsern, Baumrinde und Wurzeln. Im Winter schränkt er seinen Radius für die Futtersuche etwas ein und macht längere Ruhepausen in Senken im Schnee. Während diesen Ruhephasen scheidet der Hase Kot aus, welchen er zur weiteren Energieverwertung wieder aufnimmt. Erst bei der zweiten Verdauung nimmt der Körper die wichtigen Vitamine auf. 

Hunde an die Leine

Durch Störungen werden die Ruhephasen unterbrochen und der Schneehase ändert sein Verhalten: Wenn er sich bedroht fühlt, macht er sich bereit und flüchtet im letzten Augenblick aus seinem Tagesversteck. Daher kann er seine Nahrung kein zweites Mal aufnehmen und die Nährstoffe sind verloren. Bleiben auch Hunde auf den Wegen, zwingen sie die Wildtiere nicht zur Flucht. 

Hintergrundinfos direkt vor Ort

Kennen die Besuchenden die Hintergründe der Verhaltensempfehlungen in sensiblen Naturräumen, verstehen und akzeptieren sie diese Empfehlungen eher. Aus dieser Überzeugung heraus bauen die Parkbotschafterinnen und Parkbotschafter des Naturpark Gantrisch sporadisch ihren Infotisch am Winterwanderweg auf dem Gurnigel auf. Besuchende können im dichten Fell der Gämse wühlen, den dünnen Lauf des Rehs betrachten oder Trittsiegel in den Schnee stempeln. Sie erfahren Spannendes zur Lebensweise und zu den Bedürfnissen der Wildtiere im Winter. Und sie erfahren, wie der Natur durch respektvolles Verhalten etwas mehr Raum und Ruhe gelassen werden kann. Möglich sind diese Einsätze des Naturparks im Rahmen eines Pilotprojekts, das von der Neuen Regionalpolitik und der «Wyss Academy for Nature» unterstützt wird.

 

Respektiere die Grenzen

Vier Regeln für unterwegs: Damit helfen wir den Wildtieren, den strengen Winter zu überleben.

1. Wildruhezonen und Wildschutzgebiete be-
achten: Sie bieten Wildtieren Rückzugsräume. 

2. Im Wald auf Wegen und bezeichneten Routen
bleiben: So können sich Wildtiere an den
Menschen gewöhnen. 

3. Waldränder und schneefreie Flächen meiden:
Sie sind die Lieblingsplätze der Wildtiere. 

4. Hunde an der Leine führen, insbesondere
im Wald: Wildtiere flüchten vor freilaufenden
Hunden.

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Schlafen unter der Schneedecke

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