Stellen Sie sich vor, die Welt wäre ein Apfel. Nun vierteln sie diesen. Drei Viertel gehen weg, die entsprechen in etwa der Wasserfläche. Den übrig gebliebenen Viertel teilen sie erneut in vier kleine Teile. Drei davon entsprechen den Erdoberflächen, die unfruchtbar sind oder bebaut sind. Der übrig gebliebene Achtel muss genügen, um 8 Milliarden Menschen zu ernähren. Ja, es ist Zeit, diesem Sorge zu tragen.
Dasselbe Ziel
Genau hier liegt die Krux der Landwirtschaft. Die Ernährungssicherheit muss gelingen, ohne den Boden auszulaugen. Für die Bauern von heute oft zusätzlich ein Kampf mit Sünden der Vergangenheit. Man denke nur an die Art und Weise, wie das Gürbetal vor gut 100 Jahren trockengelegt wurde. Man darf davon ausgehen, dass kein Bauer seine Scholle absichtlich verschlechtert; das Land ist seine Produktionsfläche und der Ertrag seine Existenz. Nur müssen die Landwirte dafür sorgen, dass die Fruchtbarkeit hoch bleibt, trotz Klimawandel, trotz historisch gewachsenen Problemen, trotz Schädlingen, trotz invasiven Pflanzen. Obwohl die Agrarinitiativen an der Urne eine deutliche Abfuhr erlitten, ist der Druck auf die Landwirtschaft nach wie vor hoch, damit möglichst schonend und nachhaltig mit der knappen Ressource umgegangen wird. Eigentlich eine Forderung, die beide Seiten wollen, nur über das «Wie» streiten sich viele. In der Tendenz ist das vielleicht der Graben Stadt gegen Land oder Konsument gegen Produzent. Doch so schwarz-weiss wie die Freiburger-Fahne ist es nicht. Es gibt Bauern, die neue und andere Wege suchen und es gibt Konsumenten, die nach wie vor die Billigware aus dem Ausland vorziehen.
Was die Forschung sagt
Vor zwei Jahren hat der Kanton Freiburg seine Resultate zu 30 Jahren Bodenbeo-bachtung veröffentlicht. Die Forscher stellen fest, dass die organische Substanz teilweise schlechter geworden ist. Sorgen haben sie wegen den Mikroverunreinigungen und wegen der Verdichtung. Die Analyse zeigte vor allem aber viele Lücken auf oder, wie es der Forscher Clément Lavasseur sagt: «Viele wichtige Faktoren haben wir noch gar nicht erfassen können». Wie wichtig das aber ist, unterstreicht Christophe Joerin, Chef des Amtes für Umwelt im Kanton Freiburg: «Schon die oberste Schicht braucht 150 Jahre für eine Erneuerung, die untere sogar Jahrtausende.» Szenenwechsel: An einer Fachtagung für Ackerbau im letzten Jahr sind konkrete Ansätze für die Bewirtschaftung in unserer Region präsentiert worden. Wie etwa Pestizide dosiert und genau auf die Bedürfnisse angepasst besprüht werden. Nicolas Linder zeigte auf, wie eine herkömmliche Unkrautbekämpfung durch Hacken zu 94% den Bewuchs eindämmen könnte; entsprechend meint er: «Wir müssen wieder lernen, mit den mechanischen Systemen zu arbeiten.» Adrian Sutter von der «fenaco» präsentierte Ansätze, wie man auf Glyphosat im Maisanbau verzichten kann. Zentral ist, den Mais unkrautfrei zu halten, denn es mache wenig Sinn kein Glyphosat zu verwenden, dafür aber Herbizid. Mechanische Alternativen wie etwa die Celli-Fräse oder der Geohobel sind im Einsatz und zeigen vielversprechende Resultate.
Neue Wege fördern jedoch neue Pro-bleme zutage. Man denke nur an die Schneckenzunahme bei einer Mulchschicht. Keine Gründe, die gegen nachhaltigere Systeme sprechen, aber sie verdeutlichen, dass die Landwirte keine Patentlösung in der Hand halten, sondern Schritt für Schritt anpassen müssen.
Mehr auf dem Feld stehen
Immer wieder geht es dabei um den Einsatz von Giftstoffen. Seit 2018 haben Umweltorganisationen ein Mitspracherecht und das spürt die Landwirtschaft. Die Liste der erlaubten und verbotenen Mittel sind zum Spielball von Rechtstreitigkeiten geworden und sorgen für unlogische Fristen. Neue Lösungsansätze versus neue Verbote? Sutter fasst es wie folgt zusammen: «Man wird in Zukunft wieder vermehrt auf dem Feld stehen müssen.» Fruchtfolgen müssen optimiert werden, Unterwüchse im richtigen Zeitpunkt eingedämmt und Schädlinge früh erkannt werden. Das alles braucht mehr Zeit und mehr Handarbeit. «In Zukunft sprechen wir also vermehrt von Hacken, Schaben, Striegeln, dem Einsatz von Drohnen und nur noch von einzelnen, dafür gezielten Massnahmen», resümiert er.
Kostbare Kartoffeln
Die Probe aufs Exempel macht ein Gemüse, das als Starkzehrer den Boden auslaugt und gleichzeitig in unserem Konsum eine eminent wichtige Rolle einnimmt: die Kartoffel. Die Nässe in diesem Jahr hat dem «Erdapfel» (vom französischen «Pomme de terre») zugesetzt und der Kraut- und Knollenfäule den Weg geebnet. Je nach Gebiet gingen die Erträge um 15 bis 30% zurück und da sind die Lagerschwierigkeiten mit den feuchten Erzeugnissen noch nicht mitgerechnet. Das Beispiel zeigt das ganze Spannungsfeld auf. Die Landwirte müssen mit geeigneten Sorten, die Trockenheit und Nässe aushalten, arbeiten können, damit sie das Wetter im Griff haben; und sie müssen eingreifen können, wenn Krankheiten auftreten, punktuell und zum richtigen Zeitpunkt. Das verlangen die Umstände.
Konsumenten und Produzenten haben dieselben Wünsche. Der Graben ist eigentlich gar nicht so tief, wie er oft beschrieben wird. Konsument und Produzent wollen dasselbe: nachhaltige Produkte, die geschätzt und genossen werden können. Beide Seiten müssen aber noch einiges tun dafür. Der Stellenwert regionaler Produkte muss grösser werden und die Einsicht wachsen, dass die Erzeugnisse etwas kosten dürfen, dass uns diese etwas wert sind. Der Weg für die Produzenten geht Richtung mehr Handarbeit und schonenden Methoden. Nur so kommt zusammen, was zusammen gehört: produzieren und konsumieren.