Einer davon ist Michael Friedli. Pikant dabei ist: Der Mann mit dem krausen, langen Haar hält selber eine Schafherde in Guggisberg und sömmert seine Tiere mitten im vermeintlichen Wolfsgebiet. «Hier ist ein ideales Gebiet für Wölfe, es hätte Platz für ein ganzes Rudel», sagt er. Sein Blick wandert dabei vom heimischen Tibaherd aus dem Fenster über die Matten oberhalb der Hirschmatt in Richtung Pfyffe. Noch ein ganzes Stück weiter hinten und oben, beim Ochsen, sömmert er seine Tiere.
Zwei Varianten
Wie also schützt er seine Schafe vor F78 und anderen Wölfen? Mit europäischen Hirtenhunden. «Schon seit vielen Jahren begleiten meine Hunde die Herde», erklärt er. In der Schweiz sind derzeit der Berger des Pyrénées und der Maremmano als Hirtenhunde zugelassen. «Es müssen Tiere sein, die enorm viele Anforderungen erfüllen, weil in unserem kleinstrukturierten Gebiet die Herdenschutzhunde gesellschaftskompatibel sein müssen», weiss Berger, der bernische Herdenschutzbeauftragte. Mit durchquerenden Wanderwegen, Passanten mit Hunden oder Schulwegen müssen die Hunde umgehen können. Das klappt meistens, aber nicht immer, da sind auch die Wanderer als Gäste in der Natur angehalten, tolerant zu sein. «Wenn ein Schafhirte einen solchen Hund wünscht, muss er ein zirka sechsmonatiges Prozedere in Kauf nehmen», erklärt der Berner Beauftragte. Dazu gehören viele Sicherheitsaspekte, wie Warntafeln, die Umzäunung und das Absolvieren des Sachkundenachweises zur Haltung eines solchen Hundes. Der Kanton Bern bietet diese Möglichkeit kostenlos an.
Maremmano
«Truc» wirkt erhaben, kraftvoll und ruhig zugleich. Der Maremmano-Rüde ist bei Friedlis Teil der Familie. «Der Mensch muss auch eine Beziehung zum Hund haben, man muss mit ihnen arbeiten», verdeutlicht der Guggisberger, dass es mit dem kantonalen Prozedere noch nicht getan ist. Alle Tiere und die Menschen müssen miteinander harmonieren. So ist der langjährige Schafbesitzer zwar zufrieden mit Truc, findet es aber schade, dass es nicht mehr Auswahl von idealen Hirtenhunden gibt. «Früher war etwa der Bernhardiner ein guter Schutzhund, heute gibt es nur noch wenige Möglichkeiten für geeignete Hunde und die Schweiz muss sich da ein wenig nach dem spärlichen Angebot richten», bedauert er zwar, ergänzt jedoch: «Das Wichtigste ist aber ohnehin der Hirt und das vergisst man oft.» Eigentlich wäre es schön, wenn der Spruch stimmen würde: Wo Schafe sind, gehört ein Hirte dazu. Die Realität ist anders, weil diese Arbeit in unserer Gesellschaft wenig Wert hat und deshalb kaum entlöhnt wird. Die Erwartungen an die Tierhalter sind hoch und nun kommt noch der Wolf dazu. Tierische Hilfe ist daher unabdingbar.
Alternativen
Die Hunde könnten durchaus auch um einen Esel ergänzt werden. Doch das Schweizer Tierschutzgesetz verbietet die Haltung eines einzigen Esels. «Wenn aber zwei oder mehr Esel zusammen sind, besteht latent die Gefahr, dass diese selber eine Herde bilden und sich dann weniger um die Schafe kümmern», weiss Berger aus Erfahrung. Dann muss er lächeln und ergänzt: «Lamas wären ebenfalls gute Schutztiere, sie sind furchtlos.» Der Kanton setzt aber neben den Hunden weder auf Lamas noch Esel, sondern zusätzlich auf Wolfschutzzäune, wenngleich solch elektrifizierte Zäune im unwegsamen Gelände nicht einfach zu errichten sind. Deshalb hallen die Worte von Friedli noch lange nach, wenn er sagt: «Der Hund allein ist nicht der perfekte Schutz, wenn etwa ein Rudel angreift, dann können die Hunde nicht alles abwehren.»
Achtung
Ganze Rudel sind im Gantrischgebiet noch Theorie, aber die Möglichkeit, dass sich eines bildet, besteht. Friedli sieht noch eine andere Lösung als Zäune: «Wir müssen aufhören mit unseren kleinstrukturierten Flächen. Diese sorgen immer wieder für Hindernisse für das Grossraubtier. Wenn wir uns zusammentun und grosse offene Flächen beweiden würden, statt jeder seine eigene Scholle, dann könnten die Wölfe ungestört weiterziehen. Aber dazu bräuchte es ein generelles Umdenken von uns allen», wechselt er in den Konjunktiv, weil er nicht so recht daran glaubt, dass viele diese Idee gut finden würden. Für ihn ist es aber eine Frage der Achtung vor der Natur, wenn er sagt: «Wölfe sind Teil der Alpen und haben genauso ein Recht auf dieses Gebiet wie wir.» Diese Achtung vor dem Wolf hat historisch gelitten, dem Wolf haften viele negative Attribute an. «Vielleicht müssten wir ihn anders nennen, wir sprechen ja heute auch von Greifvögeln und nicht mehr von Raubvögeln», macht er einen überraschenden Vorschlag.
60 bis 80 Kilometer legt die Wölfin täglich zurück, weiss Berger. «Bis jetzt zeigt sie ein sehr natürliches Verhalten, sie meidet die Menschen und so lange das so bleibt, wird ein Abschuss nicht zum Thema», fasst er zusammen. Eine Neuigkeit, die Friedli gerne hört, weil er überzeugt ist: «Wir haben Möglichkeiten, neben dem Wolf zu lenen. Mehr noch: Es ist unsere Aufgabe, der Natur Sorge zu tragen. Es ist eine Frage der Achtung.»
INFO
www.herdenschutzschweiz.ch