Fernweh und Heimweh sind Geschwister

Fernweh und Heimweh sind Geschwister

Manche transportieren ihre Passagiere nur, diese Familie begleitet sie. Seit Generationen. Unterwegs in der weiten Welt oder vor der eigenen Haustüre im Gantrischgebiet – die Familie Engeloch weiss wie kaum jemand anderes, wie eng Reisen und Leben miteinander verbunden sind. Ein Gespräch mit Peter Engeloch.

Man hat das Gefühl, die Freundlichkeit wohnt in seinem Gesicht. Er kann still sein und beobachten wie ein Norweger, der andächtig vor einem mächtigen Fjord steht, er kann gestikulieren wie ein Neapolitaner, der gerade erklärt, wie eine gute Pizza auszusehen hat. Dann wiederum können seine Augen so hell leuchten wie der Sternenhimmel am Gantrisch Firmament, wenn er vom Ausblick auf der Gibel-egg spricht, und kurz danach legt er seine Augenbrauen in Sorgenfalten, wenn er die Veränderungen im Tourismus der letzten Jahrzehnte beschreibt. Peter Engeloch ist unterwegs zuhause, aber auch jederzeit gerne zuhause unterwegs.

Reisen ist nicht Tourismus

«Wir haben einige super Ecken hier», schwärmt er über Land und Leute vor der Riggisberger Haustüre. Unmerklich nickt Engeloch auf die Frage, ob er die Schönheiten des Gantrischgebiets heute mehr schätze als noch in ganz jungen Jahren. «Weil ich in der Welt weitgereist bin, habe ich mit der Zeit all das Schöne hierzulande noch mehr zu schätzen gelernt», meint er. Das Grün des Gürbetals sei noch intensiver, wenn man etwa aus dem Süden heimkehrt, und wenn er selbst das Postauto lenkt, «dann bestaune ich noch heute den Anblick von der Langenegg auf Eiger, Mönch und Jungfrau oder lasse mich von der wilden Kraft der Gantrischkette verzaubern», verrät er. Doch etwas besorgt den 61-Jährigen: «An schönen Tagen ist der Gurnigel schon ziemlich überlaufen, wir müssen Sorge tragen, dass es hier keine Menschenanhäufungen wie an gewissen Orten im Berner Oberland gibt.» Der Gurnigel darf nicht zu einem zweiten Lauterbrunnen werden. Engeloch kennt die Destinationen, in denen aus Tourismus Massentourismus geworden ist. Deshalb ist der Begriff Tourismus für ihn heute nicht mehr derselbe wie früher. Einst stand er für Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung, heute aber für eine Abfertigung an Massen von Menschen, die schnell ein paar Fotos knipsen, um dann zuhause nachzuschauen, wo sie eigentlich genau waren. «Wenn Massentourismus Einzug hält, verändert sich alles. Es ist schön, wenn die Region sich dank ihrer Schönheit entwickeln kann, aber man muss das mit Bedacht tun.»

Reisen heisst kennenlernen

Darauf achtet auch die Firma Engeloch. «Wenn wir Destinationen am Meer anfahren, stellen wir sicher, dass wir nicht zeitgleich mit einem Kreuzfahrtschiff da sind, sonst ist ein Ort schnell überlaufen.» Doch ein Blick in die Reisedestinationen der Engelochs zeigt, von den klingenden Namen bis zu absoluten Geheimtipps ist alles dabei, was Freude schenken kann. Diese Vielfalt verdeutlicht, was an Erfahrungen zusammenkommt, wenn 75 Jahre Herzblut einfliessen. Wenn man sich ein wenig aus dem Cockpit lehnt, darf man sagen: Die Schriftzug «Engeloch» ist schon fast in jedem Winkel Europas aufgetaucht. Wer wissen will, wo Podgorica ist, wo die Weser verläuft oder weshalb die Burgen entlang der Dordogne fast noch schöner als die Loire-Schlösser sind, der braucht ihn nur zu fragen. Und dieses Wissen sammelte er schon, seit er ein kleiner Junge war. «Schon als Schulbub durfte ich schweizweit im Lastwagen meines Grossvaters mitfahren. Er erklärte mir immer, wo was ist, er wusste Bescheid», erinnert er sich. Das Wissen nahm er mit in die Schule; nicht immer zum Wohlgefallen des Lehrers, wenn Peter Engeloch diesen auch schon mal darauf hinwies, dass der eine oder andere Ort genau genommen eben hier und nicht dort liege. «Und in der neunten Klasse durfte ich mal mit einem Chauffeur mitfahren, um den Weg nach Venedig aufzuzeigen», ergänzt er lachend. Hat denn ein solch Weitgereister eine Art Lieblingsdestination? Ohne zu überlegen meint er: «Mich zieht es oft in den Norden.» Doch kaum verschlucken die Wände am Zelgweg in Riggisberg diese Worte, ergänzt er: Aber ich bin auch vom Süden begeistert, dann folgt eine Episode aus dem Balkan, kurz darauf die Erzählung über eine neue Reise in Frankreich. Es juckt den Routinier noch immer, wenn es hinaus in die weite Welt geht. «Ich habe die perfekte Mischung aus einem schönen Zuhause und anderen schönen Flecken auf dieser Welt», fasst er zusammen.

Reisen heisst ankommen

Die einzige Reise, die Peter Engeloch wohl bereuen würde, ist jene, die man nicht macht. Je länger man ihm lauschen darf, desto klarer wird, Tourismus hat als Wort vielleicht seine Bedeutung eingebüsst, ja gar verloren. An dessen Stelle tritt der Begriff Reisen. Denn das beinhaltet schon den Weg an einen Ort und die Zeit, die man sich nimmt. Peter Engeloch Reisen AG, der Name des Familienunternehmens besagt es. Reisen heisst entdecken, erfahren, erleben. Bei Engeloch ist das wichtigste Reisegepäck wohl ganz einfach ein fröhliches Herz. Freude im Herzen trägt er aber auch, weil die ganze Familie diese Faszination teilt. Längst steuert mit Lara und Luca Engeloch die vierte Generation die Geschicke des Unternehmens. «Für meine Schwestern, meine Frau, die Counsins mit Anhang und mich ist das wie ein Geschenk, wir dürfen uns ganz einfach nur glücklich schätzen», betont er. Peter Engeloch sprüht vor Lebensfreude genauso wie vor Reisefreude. Vielleicht ist seine Geschichte der Beweis, dass Lebensfreude und Reisefreude dasselbe sein können. Vielleicht offenbaren seine Einsichten, dass Fortgehen und Heimkommen eng miteinander verbunden sind. Vielleicht sind Fernweh und Heimweh ganz einfach Geschwister. Danke für diese Reise.

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Fernweh und Heimweh sind Geschwister

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