Unweigerlich tun sich einem Bilder vor dem inneren Auge auf, wenn man das Wort «Hochwasserschutz» liest. Man denkt vielleicht an massive bauliche Aktionen, wie das Erstellen von Betonmauern oder das Erhöhen der Flussufer. Dass Hochwasserschutz aber schon ansetzt, bevor das Wasser zurückgehalten werden muss, zeigt das Hochwasserschutzprojekt 2 der WGM. «Wenn dem Wasser Platz gegeben wird, wird ihm die Energie genommen», so Hans Ulrich Tanner. Das bedeutet im Fall der Gürbe konkret, dass diese verbreitert wurde und bei einem Hochwasser an verschiedenen Stellen auf Kulturland ausgeleitet wird. Nur: Der Landbesitzer erfährt durch die Überschwemmung seines Landstücks einen erheblichen finanziellen Schaden. «Hochwasserschutz setzt Solidarität voraus», betont Tanner. «Wir schätzen die Solidarität der Landwirtinnen und Landwirte sehr, denn diese opfern ihre Felder, um einen noch grösseren Schaden zu verhindern. Diese Bereitschaft wird von Bund, Kanton und dem Wasserbauverband entsprechend honoriert und finanziell entschädigt.» Das Hochwasserschutzprojekt 2 umfasst noch einige weitere Massnahmen, die neben dem Offensichtlichen noch einen weiteren Nutzen beinhalten. «Hochwasserschutz bedingt immer auch eine ökologische Aufwertung», so Tanner. Beispielsweise wird mit Strömungs- und Strukturelementen die Gürbe stellenweise beschleunigt, damit das Wasser lebendiger wird. An diesen Stellen ist das Wasser tiefer und dadurch länger kühl, was im Sommer vor allem den Fischen zugutekommt. Durch die Bewegung, die durch die Elemente erzeugt wird, erhält das Wasser mehr Sauerstoff – und mehr Sauerstoff bedeutet mehr Leben. An Land wurden bei der Verbreiterung der Gürbe die Ufer mit reichlich Saatgut bepflanzt, um eine ökologische Pflanzenvielfalt anzusiedeln. Es wurden spezifische Sträucher wie Hagebutten und Wildrosen als Rückzugsorte für einheimische Vögel gepflanzt und sogenannte Steinlinsen angelegt, in denen sich Reptilien und Amphibien niederlassen können. Durch Platzieren von Totholz im Wasser und Einsetzen von Rohren in Steilufer wurden Ruhezonen für Fische und Nisthilfen für Eisvogel und Wasseramsel geschaffen.
Dem Hochwasserschutzprojekt 2 ging eine lange Planungsphase von 15 Jahren voraus. «Bereits in den vergangenen 2 Jahren hat sich all die Arbeit schon als goldwert erwiesen», so Simon Urfer, Vorstandmitglied des WGM. «Beispielsweise im vergangenen Winter, als die Gürbe so viel Wasser wie noch nie in dieser Jahreszeit führte. Die Wetterextreme nehmen immer weiter zu, und dementsprechend muss sich auch der Hochwasserschutz immer weiterentwickeln.» Dem fügt Hans Ulrich Tanner zum Abschluss hinzu: «Wir dürfen die Natur nie unterschätzen und es wäre uns Menschen dringend angeraten, wieder mehr Respekt vor ihr zu haben.»