Zu einem Bauernhof gehört meistens auch ein Garten. Immer geprägt von der jeweiligen Zeit, erfüllte er über die Jahrhunderte verschiedene Funktionen. Mal stand die Selbstversorgung im Vordergrund, mal diente er als «Visitenkarte des Hofs» und wurde zum Statussymbol. Viele erinnern mit ihren kreuzgangartigen Wegen an Klosteranlagen, oft ziert ein Rondell mit Blumen oder gar ein Springbrunnen ihre Mitte. Ebenfalls typisch sind Hecken aus Buchsbaum, unter anderem ein Einfluss der Patriziergärten. Eines ist den bäuerlichen Nutzgärten gemein: Wo viel gedeihen soll, fällt viel Arbeit an. Ein Aufwand, der sich immer weniger rechnet, besonders dann, wenn der Druck, rentieren zu müssen, gross ist. Oder dann, wenn die Bäuerin – die sich in den meisten Fällen des Gartens annimmt – externe Verpflichtungen hat.
Gemüse und Biodiversität in
Oberwangen
«Neben dem Bauernbetrieb führte ich einen Blumenladen», erzählt Kathrin Gilgen aus Oberwangen. «So war mir die Pflege des grossen Gartens unmöglich.» Umso mehr investiert die Grossmutter ihres Mannes bis ins hohe Alter hinein in die Blumen, Beeren und ins Gemüse. Aufgrund von nötigen Bauarbeiten ergab es sich, dass der Garten vor knapp zwei Jahren verkleinert werden konnte. «Nun habe ich ein paar ‹Beetli› für Gemüse und Salate, die meine Familie auch essen mag», sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Daneben wachsen Blumen, Kräuter, Sträucher und Beeren. «Wichtig ist mir das «Bandeli», in dem immer etwas blüht. Es soll schon früh und bis in den Herbst hinein etwas für die Bienen, Hummeln und Schmetterlinge da sein», so die Bäuerin, die auch als Parlamentspräsidentin von Köniz amtet. Kein Wunder, reicht die Zeit nicht für alles. Dennoch lässt sich die farbenfrohe Fläche sehen. Immer wieder bleiben Spaziergänger stehen und loben den Anblick, der sich ihnen bietet. Ein zweiter Teil des Gartens – wo es früher die typische Buchs-Umrandung hatte – wurde zu einem Biotop mit Sitzplatz umfunktioniert. Den Quellstein, einen Findling, entdeckte die Familie beim Aushub für den Boxenlaufstall und erkannte ihn gleich als etwas Besonderes. Kathrin Gilgen investiert viel in die Umgebung des Hofs und freut sich über die Pflanzenvielfalt, welche Insekten und andere Tiere anzieht.
Trotzdem bleibt sie pragmatisch: «Manche finden, es sei ein «Gnuusch» – aber ich bin alt genug, um über dem zu stehen.» Ihr Garten ist kein typischer Bauerngarten im herkömmlichen Sinn. Susanne Rüegsegger, Riggisberger Gemeinderätin und Kursleiterin und Expertin bei den Bäuerinnenprüfungen, empfahl der Schreibenden den Garten trotzdem wärmstens: «Ich mag es sehr, wenn Bäuerinnen sich neben all der Arbeit auch Raum nehmen und sich einen Platz zur Erholung gestalten.»
Selbstversorgung und Entspannung
in Rümligen
Auf der anderen Seite des Längenbergs liegt ein Garten mit schönster Aussicht auf die Jungfraukette. Seit 1865 führt die Familie Messerli in Rümligen einen Landwirtschaftsbetrieb. Vor dem Haus, auch auf Google Street View bestens sichtbar, liegen akkurat angeordnete Beete mit Springbrunnen in der Mitte. Der Blick geht übers Gürbetal hinaus in die Berge, während die Füsse von Kräutern und Blumen umgeben sind– und von viel Gemüse. Auf die Frage, ob sie überhaupt noch welches zukaufen muss, denkt Elisabeth Messerli einen Moment nach: «Eigentlich nicht – vielleicht ab und zu aus ‹Gluscht› eine Peperoni.»
Die viele Arbeit, die sie hier investiert, zahlt sich aus: «Es ist so gäbig, dass ich vor dem Mittagessen noch schnell einen Salat holen kann, bis zu acht Monate lang eigene Kartoffeln habe und, wenn in den wärmeren Monaten immer frisch geschnittene Blumen auf dem Tisch stehen», schwärmt sie. Salat, Bohnen, Krautstiel, Brokkoli, Blumenkohl, Tomaten, Fenchel, Gurken, Zucchetti. Im Winterhalbjahr Chabis, Sellerie, Randen, Rüebli, Lauch, Zwiebeln, Zuckerhut, Rosenkohl und Kürbis. Beeren geniesst die Familie auch im Winter – Tiefkühler oder Konfitüre sei Dank. Die Hühner liefern Eier, die Kühe Milch und Rahm –Selbstversorgung ist ein wichtiger Aspekt auf dem ganzen Hof.
Es sieht ordentlich aus, während ringsherum liebevoll angerichtete Blumenbeete Farbe ins Gemüse bringen. Vorbeispazierende Passanten loben sie immer wieder für ihre Mühe. «Ich sehe den Garten schon als Visitenkarte des Hofes», so die Bäuerin. Auch über Rümligen hinaus: Wenn der Sohn von der Alp Lischboden heimkehrt, schmücken Dahlien die Häupter der Rinder – natürlich aus Elisabeth Messerlis Garten. «Wann immer ich Zeit habe, bin ich hier», beschreibt sie den Arbeitsaufwand der letzten 25 Jahre. Gern beobachtet sie die Vögel, die beim Brunnen baden. Ihr Hund oder die Hofkatze begleiten sie oft hierhin, sogar die Pferde nebenan scheinen an schönen Tagen die Berge zu bestaunen, erzählt sie und betont: «Das Werken im Garten ist auch erholsam.»
Parkplätze statt Pflanzblätze
Das Merkblatt «Gärten III: Bauerngärten» des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz von 2006 widmet sich Historischem und neueren Erkenntnissen. So habe vor dem
2. Weltkrieg jeder Hof seinen eigenen Garten besessen. Seither hat diese Tradition an Bedeutung verloren. Seit einigen Jahren geben jedes Jahr um die 1000 Landwirte ihre Betriebe auf. Das Land wird dabei meist verpachtet, das Bauernhaus rein zum Wohnen genutzt. Die dazugehörigen Gärten erfahren oft eine Umnutzung: Manchmal wird nur die Pflanzfläche verkleinert, mal kommt ein Sitzplatz mit Rasen darauf – oder der Boden wird als Parkplatz genutzt. Umso wertvoller erscheinen die noch existierenden Bauerngärten. Wo es nicht um Profitmaximierung pro Quadratmeter geht, sondern um Wertschätzung, Pflege und Weiterentwicklung einer jahrhundertealten Tradition.