Die S4 und die S44 wechseln sich halbstündlich ab. Von Thun aus fahren sie durchs Gürbetal in Richtung Bern und von dort aus weiter in Richtung Emmental. Wer in Kaufdorf ein-, zwei Haltestellen später auf die S3 um- und schliesslich am Europaplatz aussteigt, kann in sportlichen zehn Minuten Fussmarsch den Fussballplatz in Holligen erreichen. SV Kaufdorf und SC Holligen 94: hier der Gürbetaler, da der Stadtberner Fussballverein. Was sie verbindet? Mehr als eine S-Bahn-Linie.
Zusammenarbeit für «Quality»
«Holligen und wir waren unter den schweizweit ersten Vereinen, welche die ‹Quality Club›-Zertifizierung erhielten. In den Monaten davor arbeiteten wir in enger Zusammenarbeit auf dieses Ziel hin», erklärt Thomas Kühni. Der Quality Club ist eine Initiative des Schweizerischen Fussballverbands SFV für die nachhaltige Förderung der Vereinsentwicklung im Breitenfussball. Der Präsident des Kaufdorfer Vereins schwärmt: «Die Vorstände von ihnen und uns pflegen dieselben Werte; wir konnten so viel voneinander lernen.» Mit seinem Amtskollegen Roberto Campanielli telefoniere er «wie ein altes Ehepaar» mehrmals pro Woche. Am Rande der Zusammenarbeit für den Quality Club habe man Potenzial erkannt – für über die Stadt-Land-Grenze hinweg, nachbarschaftlich geführte Mädchen- und Frauenteams. Die Kaufdorferinnen sind zwar bereits mit Münsingen, Rubigen und Belp gruppiert, namentlich im Team Gürbetal. Doch: «Die 1. Mannschaft der Holligerinnen bewegt sich seit ihrem Aufstieg in die 1. Liga bereits im Spitzenfussball.» Das zweite Damenteam in der 4. Liga, das seit dieser Saison als «SC Holligen 94 / Kaufdorf» gemeldet ist und sogar mit dem Aufstieg liebäugeln kann, bietet eine gute Einstiegsmöglichkeit nach der letzten Juniorinnenstufe FF19. Bereits hat ein Freundschaftsspiel mit anschliessendem Essen stattgefunden, «und wir haben sie im Berner-Cup geschlagen», so Kühni mit einem Augenzwinkern. Das Pilotprojekt ist vorerst auf drei Jahre ausgelegt; zwei Kaufdorferinnen trainieren bereits in Holligen, weitere sind im Gespräch und nächstes Jahr könnten die ersten FF19-Frauen bei den Holligen-Aktiven mitkicken. «Die Struktur ist geschaffen, nun geht es darum, dem Ganzen Leben einzuhauchen», so Kühni.
Weitere Wege schon jetzt normal
Ist es nicht etwas weit bis nach Bern? In der Tat stellen sich manche Eltern fussballbegeisterter Mädchen diese Frage. Doch Kühni ordnet ein: Es sei gang und gäbe, dass besonders ambitionierte und begabte Jungfussballerinnen bald einmal zu einem Stadtclub wechselten, etwa in den YB-Nachwuchs. Gerade bei den Buben habe sich dieser Weg längst etabliert. Mit Holligen habe Kaufdorf einen Partnerclub, dessen Juniorinnen Trainings auch im Gürbetal absolvieren können. Etwa dann, wenn ihre FF12-, FF15- oder FF19-Teams zu gross seien. Dank der engen Zusammenarbeit auf Vorstandsebene und den gemeinsamen Werten könne eine Partnerschaft sogar fruchtbarer sein, als wenn man sich bloss geografisch orientiere.
Eine Region, in der man sich aushilft
Im Junioren- und Herrenfussball des ländlichen Raums ist eine regionale Zusammenarbeit längst Standard. Die rund 460 Mitglieder des SV Kaufdorf stammen, nebst dem Dorf selbst, denn auch aus Belp, Toffen und Thurnen, Gerzensee, Riggisberg und Rüschegg, gar aus Ostermundigen oder Bern. «Wir Landvereine helfen einander auch mit Trainingsplätzen oder Turnhallen aus», zeigt Thomas Kühni eine weitere Facette von nachbarschaftlichem Fussball auf.