Eva Huber kennt nächtliche Schwierigkeiten von Familien nur zu gut. Denn sie ist dreifache Mutter, Naturheilpraktikerin – und Schlafberaterin für Kinderschlaf. «Häufig empfinden es Eltern als ein Problem, wenn die Kinder zu ihnen ins Bett kommen», erzählt sie. Denn im typischen 160cm-Gemach wird es mit jeder noch so kleinen Person schnell eng. Doch selbst wenn die Kleinen auf der eigenen Matratze nächtigen, ist genug Ruhe nicht garantiert. «Die Eltern müssen bei jedem Schreien des Babys aufstehen und es aus dem Bettchen nehmen.» Meist sei die Unruhe rasch vorbei und der Nachwuchs schlummere weiter – doch die Mama oder der Papa sind noch eine Weile hellwach.
Gitter- oder Familienbett?
Was ist die Lösung? Lieber das Baby von Beginn an ans eigene Bett oder sogar ans eigene Zimmer gewöhnen, damit es später gar nicht erst auf die Idee kommt, bei den Eltern zu schlafen? Oder ein Familienbett einrichten, in dem alle die Geborgenheit finden, die sie für eine stressfreie Nachtruhe benötigen? Eva Huber lächelt und sagt überzeugt: «Das Richtige ist das, was für die ganze Familie stimmt.» Sie berät nach der Lehre von «1001 Kindernacht», die gemäss eigener Beschreibung «die Bedürfnisse aller Familienmitglieder, die Entwicklung und Reife des Kindes und den Aufbau einer sicheren Eltern-Kind-Bindung» ins Zentrum stellt. Darum werde den Eltern kein 10-Punkte-Plan in die Hand gedrückt. Stattdessen hört Huber zuerst einmal zu. «Ich schaue, wo die Familie steht, was räumlich und was energietechnisch möglich ist und wie die Familie tagsüber entlastet werden kann.» Das Ziel ist: «Die Kinder sollen sich im Schlaf sicher fühlen.» So schliefen sie nämlich besser.
Sicherheit sieht für alle anders aus. Manche Kinder können sich im eigenen Bett besser entspannen, andere kuscheln sich lieber an Mama oder Papa. In jungen Jahren sind die Schlafphasen kürzer, die meisten Heranwachsenden wachen dazwischen kurz auf und vergewissern sich, ob alles in Ordnung ist – vermutlich ein Erbe aus der frühesten Zeit der Menschheitsgeschichte, als wir noch in Höhlen lebten und ein Kind abseits seiner Eltern wilden Tieren oder der Kälte schutzlos ausgeliefert war. «Wenn Kinder in diesen Momenten ihre Bezugspersonen nicht sehen, rufen sie nach ihnen», erklärt Huber.
Bindung statt schwarze Pädagogik
In den meisten Kulturen der Welt ist es undenkbar, dass die Kinder allein und im eigenen Zimmer schlafen – global gesehen haben nur die wenigsten Familien überhaupt Platz für eigene Kinderzimmer.
«Allein schlafen ist ein westliches Ding», bestätigt auch die Schlafberaterin. Sie verweist auf Johanna Haarer, die mit ihren Büchern während des Nationalsozialismus den Eltern vermittelte, das Kind müsse abgehärtet werden, sie sollen es weinen lassen und ja nicht verwöhnen. «Schwarze Pädagogik» nennt man das heute. Im Gegensatz dazu steht der «bindungsbasierte Ansatz», nach dem die 40-Jährige und die anderen Schlafberaterinnen von «1001 Kindernacht» handeln. Wenn Eltern ihr Baby nicht «trainieren», also nicht schreien lassen, dann lerne das Kind: «Ich bin sicher, zu mir wird geschaut.» Babys brauchen zudem im Schnitt drei Jahre, bis die Hirnreifung im Bezug auf die Schlafentwicklung abgeschlossen ist.
Alle Bedürfnisse sind wichtig
«Mit Zuneigung und Liebe kann man ein Kind nicht verwöhnen», betont die Belperin. Wenn die Kleinen aber grösser werden, dürften sie gerne auch merken: Die Eltern haben auch Bedürfnisse. Es müsse für alle stimmen. Nur können die Erwachsenen und die älteren Kinder besser «zurückstecken» als die Kleineren. Sie brauchen meist noch länger die Nähe ihrer Vertrauenspersonen. Wie das umgesetzt wird, kann verschieden aussehen. Manche entscheiden sich der Einfachheit halber für ein grosses Familienbett, damit niemand nachts aufstehen muss. Andere richten für die älteren Kinder ein Geschwisterbett ein und hängen ein «Beistellnest» ans Elternbett. Wieder andere legen eine grosse Matratze ins Kinderzimmer, damit Mama oder Papa sich bei Bedarf oder zum Einschlafen zu ihren Kindern legen können. «Die Lösung muss ins Familiensystem passen», so Huber.
Wichtig zu wissen sei: Schlafen hat seine Wurzeln auch im Tag. Die Schlafberaterin schaut darum immer auch den Tagesablauf ihrer Klientinnen und Klienten an. Reizüberflutung, Medienkonsum, Essverhalten, ständig wechselnde Betreuung oder aber «gluckenhafte» und dadurch ausgebrannte Mütter können Stressfaktoren sein. Hier rät sie: «Um ruhigere Nächte zu haben, kann es helfen, sich tagsüber ein sprichwörtliches Dorf aufzubauen.» Denn von der menschlichen Natur her seien wir nicht fürs Kleinfamilienmodell konzipiert.
Und was ist mit der Intimität der Eltern, wenn die Kinder mit im Bett sind? Eva Huber lacht. Diese Frage werde ihr oft gestellt. Zu Recht, denn Sex und Zärtlichkeit seien auch wichtige Bedürfnisse. «Ich ermutige die Paare, ihre Fantasie zu nutzen.» Man könne sich auch an anderen Orten als im Ehebett der Romantik widmen. Müsse man aber nicht. Auch Sex im Familienbett sei möglich und sogar verbreiteter, als viele denken. «In den meisten Kulturen geht es gar nicht anders», ruft sie in Erinnerung.
Es tut den Eltern sicher gut, zu wissen, dass jede Phase einmal vorübergeht. Früher oder später will jedes Kind sein eigenes Bett haben, «das Bedürfnis nach Autonomie nimmt zu». Bis dahin rät Eva Huber, immer wieder die bestmögliche Lösung zu suchen – «damit alle genug Schlaf, Sicherheit und Geborgenheit bekommen».
INFO:
www.pranaturama.ch/schlafberatung
Tipps für gute Familiennächte:
- Jedem Familienmitglied seine Schlaffläche. Empfohlen sind mindestens 80cm Breite
pro Person - Lieber die Situation anders gestalten, als zu versuchen, etwas abzutrainieren
- Frühes Abendessen, danach «Sinkflug»
- Bettritual: z.B. Pyjama anziehen, Zähneputzen, Büechli schauen
- Tagsüber viel Tageslicht, abends gedämpftes Licht
- Manche Kinder brauchen abends Ruhe, andere schlafen nach einer Runde «austoben» besser