Regionale Produkte – nachhaltige Produkte?

Regionale Produkte – nachhaltige Produkte?

Wenn es um nachhaltige und regionale Ernährung geht, gehen die Meinungen auseinander. Kurze Transportdistanzen, regionale Wertschöpfung und Saisonalität sorgen für Nachhaltigkeit, meint die eine Seite. Das andere Lager ist der Meinung, es sei effizienter, Produkte dort anzubauen, wo die natürlichen Rahmenbedingungen passen. Was stimmt? Ist es so einfach? Oder anders gefragt: Auf was müssen wir achten, damit unser Einkauf möglichst nachhaltig ausfällt?

Um es vorweg zu nehmen: Einfache Antworten gibt es nicht. Die Sachlage ist sehr komplex und je nach Gewichtung der einzelnen Faktoren fällt die Beurteilung anders aus. Was es aber sehr wohl gibt, sind alltagstaugliche Handlungsmöglichkeiten, die allen offenstehen. 

Die Nachhaltigkeit von regionalen Produkten hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, so zum Beispiel Transportdistanz, landwirtschaftliche Anbaumethoden, Wasser-, Energie- und Pestizidverbrauch – aber natürlich auch von weiteren Aspekten wie einer gerechten Entlöhnung und fairen Arbeitsbedingungen, Tierwohl oder Verpackung. 

Schon bei der Transportdistanz ist es allerdings schwierig. Nehmen wir das Beispiel Tomate: Natürlich hat eine Tomate aus Südspanien einen viel längeren Transportweg hinter sich als eine Tomate aus dem Seeland. Das ist jedoch nur ein Faktor. Konsumieren wir die Tomate aus dem Seeland im Sommer, wenn es auch bei uns schön warm ist, ist die Bilanz wohl ziemlich klar – die hiesige Tomate schneidet klar besser ab. Konsumieren wir regionale Tomaten jedoch schon im März, muss das Treibhaus bei uns beheizt werden, was in vielen Fällen mit Heizöl erfolgt. In Südspanien ist es allerdings schon genügend warm, um ohne den Einsatz fossiler Energien Tomaten anzubauen. Zudem ist der Transport von Lebensmitteln aus dem Ausland oft sehr effizient organisiert, so dass er tatsächlich nicht mehr so ins Gewicht fällt. In diesem Fall fällt die CO2-Bilanz der Tomate aus Südspanien wohl besser aus (vgl. das Tool «Ein guter Tag hat hundert Punkte»). Trotzdem: Der Transport verursacht nebst CO2 auch Feinstaub, Stickoxide und Lärm – was wiederum negative Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Natur entlang der Transitachsen hat. 

Komplexe Anbaumethoden

Noch komplexer wird es bei den Anbaumethoden – verdeutlichen wir dies am Beispiel Milch. Die Produktion von Milch verursacht mehr Treibhausgase als pflanzliche Nahrung, weil zuerst ein Tier gefüttert werden muss, um Milch zu produzieren. Dies ist ineffizienter, als die pflanzlichen Kalorien direkt zu konsumieren, und verursacht so einen grösseren CO2-Fussabdruck. Zudem wird dabei Kraftfutter auf Sojabasis eingesetzt. In der Schweiz wird meist Soja aus europäischem Anbau verwendet – aber auch Soja aus Brasilien. Ganz auf die Tierhaltung zu verzichten ist jedoch auch keine Alternative: Auf vielen Flächen, auf welchen Kühe weiden – insbesondere den Sömmerungsgebieten, kann gar kein Ackerbau betrieben werden. Der Vergleich ist also zu einem gewissen Grad hypothetisch. Um möglichst viele Menschen ernähren zu können, macht es also durchaus Sinn, diese Flächen zu nutzen. Zudem leistet eine nachhaltige Beweidung auch einen wesentlichen Beitrag zur Offenhaltung von Grasflächen und schafft damit Nischen für viele Lebewesen. 

Ein Faktor, der in letzter Zeit immer stärker beachtet wurde, ist die Verfügbarkeit von Wasser. Die Gemüseproduktion in Spanien mag zwar deutlich weniger auf beheizte Treibhäuser angewiesen sein als diejenige in Mitteleuropa, doch sie steht wegen ihres enormen Wasserverbrauchs immer mehr in der Kritik. Wichtige Feuchtgebiete, Heimat für viele bedrohte Arten, drohen auszutrocknen, mit gravierenden Folgen für ganze Ökosysteme (vgl. ARTE Doku). Auch gesunde «Superfoods» (vgl. Artikel auf Seite 26), wie zum Beispiel Avocados, stehen diesbezüglich in Kritik. Der Anbau dieser Früchte ist sehr wasserintensiv. Mehr Informationen über den sogenannten Wasserfussabdruck finden Sie auf der Website der Schweizer NGO Wasser für Wasser (siehe Hinweise).  

Faktor Pestizide

Auch der Einsatz von Pestiziden ist ein wichtiger Faktor in der Nachhaltigkeit von regionalen Produkten, der zunehmend in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Pestizide gelangen überall hin und werden als einer der wichtigsten Gründe für das Insektensterben genannt (vgl. dazu auch den Artikel aus «Reportagen»). Hier punktet, wer regional einkauft. Erstens ist der Einsatz von Pestiziden in der Schweiz deutlich stärker reglementiert als in den Ländern des Südens und zweitens gilt auch der Grundsatz der Eigenverantwortung: Wenn wir als Konsumentinnen und Konsumenten makellose Früchte und Gemüse zu einem günstigen Preis wollen, müssen wir auch bereit sein, die Konsequenzen dieser «Ansprüche» bei uns zu tragen und sie nicht einfach in Länder mit einer weniger strengen Gesetzeslage auszulagern. Wer auf weniger Pestizide setzt, kauft Bio (vgl. Hinweis rechts). 

Vielleicht mag der CO2-Abdruck einer Tomate aus Südspanien geringer sein als jener von einer Tomate aus der Schweiz: Wir alle wissen jedoch, dass die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft auch bei uns in Europa in gewissen Ländern alles andere als fair sind (vgl. Reportagen). Indem wir Produkte aus unserer Region kaufen, stärken wir lokale Wirtschaftskreisläufe, bekennen uns zu gerechteren Löhnen und stärken den ländlichen Raum.  

In der Summe spricht also alles für regionale Produkte – wenn auch hier noch gewisse Spielregeln zu beachten sind (s. Infos rechts). Mit diesen im Hinterkopf kann die nachhaltige Ernährung einfach gelingen.

 

Info: Wie ernähre ich mich möglichstnachhaltig?

Regional ist Trumpf! Wer regional einkauft, trägt zu kurzen Transportdistanzen und regionaler und fairer Wertschöpfung bei. Zudem übernehmen wir die Verantwortung für die Umweltauswirkungen der Nahrungsmittelproduktion bei uns. Wer zudem noch die drei weiteren folgenden Punkte berücksichtigt, ist top! 

Pflanzlich: Man muss nicht gleich Veganerin oder Veganer werden, doch tierische Produkte verursachen mehr CO2 als pflanzliche. 3x pro Woche auf eine klimafreundliche Ernährung umstellen spart gleich viel CO2, wie wenn 1/6 weniger Autos auf unseren Strassen unterwegs wären (vgl. Eaternity). Viel Gemüse und pflanzliche Proteine sind zudem auch gesund. 

Saisonal: Wer saisonal einkauft, spart CO2 und Geld und reduziert seinen Fussabdruck, weil er keine Produkte aus fossil beheizten Treibhäusern kauft und auf lange Transportwege verzichtet. Weniger Verkehr auf unseren Strassen freut auch die Anwohnenden und wirkt sich positiv auf die Luftqualität aus. 

Bio: Biostandards haben in punkto Umweltauswirkungen viele Vorteile. So sind z. B. der Einsatz synthetischer Pestizide und Dünger verboten. Auch hier punktet regional: Bei einem Produzenten, den ich kenne, kann ich direkt nach den Anbaumethoden fragen – auch ohne Label (vgl. SRF – Bio einfach erklärt).  

Weiterführende Hinweise und Quellen

Zwei sehr spannende Hintergrundberichte zur nachhaltigen Lebensmittelproduktion sind im Magazin «Reportagen» erschienen. Sie sind für die Leserschaft der Gantrisch Zeitung für begrenzte Zeit frei zugänglich auf www.reportagen.com/gantrisch.

Es sind dies die Artikel über die Beerenproduktion in Portugal aus Reportagen #70: «Früchte der Ausbeutung – Was Portugals Himbeervisum für nepalesische Arbeiter bedeutet» von Fabian Federl und Bhrikuti Rai (Text) sowie Sarah Furrer (Illustration). 

Über den Haselnussanbau in Italien aus Reportagen #71: «Wie Nutella Italien frisst» von Anne Branbergen (Text) und Animationseries2000, Gregory Gilbert-Lodge (Illustration). 

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Regionale Produkte – nachhaltige Produkte?

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