In der Ruhe der Guggisberger Natur entstehen kleine Kunstwerke oder werden bestehende wieder zum Klingen erweckt. Schon fast ein wenig verwunschen, umschlungen von Bäumen und Stauden, liegt der kleine Bauernhof der Familie Mani. Christoph Mani findet im ehemaligen Stall die Ruhe, um ein Handwerk zu betreiben, das neben Gespür auch Präzision und Kreativität erfordert.
Verschiedene Hölzer
1,5 Tonnen Zug hat eine Harfe. Der Rahmen, bestehend aus Hals, Säule und Klangkörper, kann nicht aus Massivholz gebaut werden, weil es diesen Rahmen verziehen würde. So entsteht nach und nach eine Konstruktion aus vielen einzelnen verleimten Hölzern, die am Schluss nach Vorliebe des Kunden furniert werden; etwa mit Kirsche, Ahorn oder Nussbaum. Das Innenleben des Klangkörpers besteht aus Birkenholz, das auch im Flugzeugbau Anwendung findet, und auf dem Klangtisch, der flachen Ablage dieses Seitenteils, bringt Fichte den schönsten Klang hervor.
Metallarbeiten
Auch etliche Metallteile werden benötigt: Für die Halbtöne erhält die Harfe wahlweise Klappen oder Fusspedale. Die Metallarbeiten beginnen maschinell und per Computer. Die Handarbeit erfolgt anschliessend bei den Nieten und einer Apparatur, die alles bewegen können muss. «Hier geht es um Hundertstel-Millimeter», erklärt Mani und zeigt eine imposante und komplexe Konstruktion aus Metall, die in einem geschwungenen «S» über den ganzen Hals der Harfe befestigt wird. «Ob Holz oder Metall, der Anfang des Harfenbaus ist maschinell, je kleiner die Arbeit wird, desto mehr kommen die Hände zum Einsatz», resümiert er.
Vielseitiger Werdegang
Die Werkstatt ist entsprechend prall gefüllt mit vielen Werkzeugen, Materialien und Harfen. Nur – wie ist es möglich, dass ein Mensch allein all diese präzisen und künstlerischen Fertigkeiten beherrscht? Mani absolvierte in seiner Jugend die Ausbildung zum Maschinenmechaniker; darauf folgte drei Jahre lang die Ausbildung zum biodynamischen Landwirt, später kam er zum Heimatwerk, um das manuelle Schreinern zu erlernen. Parallel dazu begann er, Harfenunterricht zu nehmen. «Aber ich bin nicht der Musiker, ich bin der Handwerker», verrät Mani, weshalb er heute lieber Harfen baut, statt sie zum Klingen zu bringen. Mani verfügte nun über die Fertigkeit seiner Hände, aber noch nicht über das Wissen. Dieses eignete er sich in der «Welsh School of Musical Instrument Making and Repair» im britischen Wales an.
Routine und Zukunftssorgen
Seit 1992 ist Christoph Mani Harfenbauer, repariert und erstellt die Instrumente für Musiker und Musikschulen, für Schüler und Amateure – für alle, die den besonderen Klang einer einzigartigen Harfe suchen. Eine, die nicht industriell gefertigt ist, sondern minuziös auf Klang und Harmonie geprüft, in monatelanger Handarbeit in Guggisberg gebaut wird und zu einem kleinen Kunstwerk heranreift. Inzwischen ist er einer der letzten Schweizer Harfenbauer. «Es wird langsam Zeit, dass ich mich mit der Nachfolge auseinandersetze und dieses Wissen weitergebe», erzählt Mani. Doch das ist gar nicht so einfach: Jemand muss gewillt sein, viel Zeit in sich und seine Fertigkeiten zu investieren, um zu einem veritablen Harfenbauer heranwachsen zu können. Ob eines seiner Kinder, Berenice, Serafin oder Nuria, eines Tages in der Werkstatt steht, ist ungewiss. «Die Kinder sollen selber entscheiden können, was sie lernen wollen, ich werde da sicherlich keinen Druck ausüben», spricht er Klartext. Doch ab und an stünde schon ein Kind in der Werkstatt und frage den Vater ein wenig aus, erzählt er nicht ohne Freude.
Inzwischen bringt eine Kundin eine Harfe in die Werkstatt. Sie ist den weiten Weg von Luzern bis nach Guggisberg gefahren. Schnell wird klar, dass Mani nicht nur eine Option im Harfenbau ist, sondern der Kunsthandwerker, für dessen Dienste sich eine Fahrt durch die Schweiz lohnt. In einem ruhigen und zurückgezogenen Bauernhof in Guggisberg erschafft ein stiller Künstler harmonische Klänge, die weit über das Guggershörnli hinaus in die Welt hallen. Handwerk bis zur letzten Saite.