Für sie ist Bio allein nicht i.O.

Für sie ist Bio allein nicht i.O.

Nachhaltig vorausdenken: Vor kurzem gingen sie eine Generationengemeinschaft ein. Was Papa Paul und Sohn Marco Messerli von anderen Betrieben unterscheidet: Sie planen gross und agieren vernetzt. Und denken mit einem neuen Projekt bereits an übermorgen.

Idyllischer geht es fast nicht: Links und rechts des lieblichen Taleinschnitts schmiegen sich Obst- und Weidekulturen bis zur Hügelkuppe. Der Blick geht Richtung Stockhornkette. In der Weiermatt unterhalb des Kirchhügels in Kirchdorf wird seit Langem eng mit der Natur zusammen gearbeitet. Und hier prägt die Zukunft auch die Gegenwart.

«Gemeinsam anpacken»

Marco Messerli war beim Einstieg in die Generationengemeinschaft gut 20 Jahre alt. Er hatte Betriebsleiterschule und Meisterprüfung hinter sich und war voller Tatendrang und Wünsche. Vater Paul, 58, lächelt. «Es ist schön, wenn Landwirte solche Söhne haben. Aber man soll nicht nur fordern, sondern auch Verantwortung übernehmen.» 

Für Marco war das keine Frage. So war auch Mutter Heidi einverstanden. Sie bildet den ruhenden Pol, besorgt die Administration und bringt wenn nötig die neuen Ideen und die langjährige Erfahrung «ihrer» Männer zusammen. Für alle war die Neuausrichtung des Betriebs ein Glücksfall. Der heutige Obstbau umfasst rund 30 000 Bäume auf 12 Hektaren.

«In den jungen Jahren sieht man nie genug… Schön, bieten mir meine Eltern diese Chance», meint Marco überzeugt. Chancen sieht auch Paul: «Mir ging es immer darum, nach vorne zu denken. Zusammen mit Marco können wir unseren Betrieb für die Zukunft stärken.» Zudem freut er sich, dass damit auch die Nachfolge geregelt ist.

Möglichst geschlossene Kreisläufe

Zu tun gabs und gibt es einiges. Paul Mes-serli erzählt von der Umstellung auf Bio vor zehn Jahren und davon, dass Kühlraum teuer und rar war. Doch er hinterfragte die teils weiten Fahrten in externe Kühllager: «Wir sollten eigene Kühlraume haben. Und die Arbeitsflächen sollten höher liegen, auch wegen dem Rücken.» Der Gedanke an ein neues Betriebsgebäude war geboren.

Kurz nach der Meisterprüfung errechnete Marco 2020 die bestmöglichen Proportionen bei gleichzeitig tragbaren Investitionen. Hinzu kamen ein Businessplan und das Baugesuch. Nachdem bereits seit 2003 sämtliche Gebäude – Bauernhaus, Wohnhaus, Stöckli – mit Holzschnitzeln geheizt werden, war die Nachhaltigkeit auch beim Neubau Programm. «Sehr wichtig war Holz als Baustoff», erklärt Marco. Bei den Kühlern wurde eine Wärmerückgewinnung vorbereitet.

Der stattliche Neubau hat eine grosse Dachfläche. So wurde ein Teil davon mit Sonnenkollektoren eingedeckt, das Wasser wird gesammelt und zum Bewässern der Kulturen genutzt. «Eine geniale Sache», sagt Marco. Doch: Fast noch schlimmer als Trockenheit im Sommer ist Frost im Frühling. Dann wird die Blust auf den Niederstammbäumen eingeeist, um sie so vor der Kälte zu schützen. Mit der Aufgabe der Viehhaltung wurde der Stall damals zum neuen Zuhause für 2000 Legehennen; das Jauchesilo funktionierten Messerlis zu einem Wasserreservoir um.

Die Photovoltaikanlage wurde bewusst gross dimensioniert. Weil die Kühltechnik heute weniger Energie als früher braucht, können mit dem Reststrom sämtliche Bauten versorgt werden. «Bei Baubeginn vor rund zwei Jahren lohnte sich eine Einspeisung ins öffentliche Netz noch nicht. Innert kurzer Zeit hat sich das geändert», sinniert der frühere Grossrat Paul, der einige politische Kehrtwenden erlebt hat. Im Sommer kann Strom ins Netz eingespeist werden – «aber noch zu wenig», sind sich Papa und Sohn einig.

Ein «Leuchtturm» in der Obstanlage

Den Ausschlag für das nächste grössere Projekt gaben unter anderem die Trinkwasser-Initiative, die drohende Stromknappheit und die Thematik CO2. So will man etwa den Pflanzenschutz überdenken und soll die  Sonnenkraft nicht nur Früchte reifen lassen. «Warum nicht die Hagelnetze durch Solarpanels ersetzen und Traktoren elektrisch betreiben?», fragten sich die beiden Partner. Das könnte letztlich sogar für CO2-freie Äpfel aus Kirchdorf sorgen. Zukunftsmusik? Nicht unbedingt, obwohl noch kaum Erfahrungen da sind.

Bis es soweit ist, bleibt Zeit für einen Rück- und Ausblick. «Es war nicht immer einfach, aber wir haben viel erreicht», meint Paul. «Ich war schon immer optimistisch unterwegs», sagt Marco. «Ich bin motiviert, zukunftsfähige Ideen umzusetzen.»

Die CO2-freie Obstanlage ist so eine Idee. Das Pionierprojekt könnte nachhaltigem Handeln Vorschub leisten. Und so vielleicht sogar zum «Leuchtturm» werden.

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