In zwei Jahren wird der Naturpark Gantrisch sein zehnjähriges Jubiläum feiern und – nach erfolgreichen Gemeindeabstimmungen – in die zweite Betriebsphase kommen.
In der Schweiz gibt es vier Parkkategorien:
– Schweizerischer Nationalpark: Wildnisgebiet mit praktisch unberührter Natur.
– Nationalpark der neuen Generation: Kernzone mit freier Entfaltung der Natur, Umgebungszone mit traditionellen und nachhaltig genutzten Kulturlandschaften.
– Regionaler Naturpark: Aufwertung der traditionellen Kulturlandschaften, Förderung der Wertschöpfung der Region.
– Naturerlebnispark: Stadtnahe, ungestörte Lebensräume für Tiere und Pflanzen.
Der Naturpark Gantrisch gehört zur dritten Kategorie. Zum ersten regionalen Naturpark der Schweiz wurde 2008 die UNESCO Biosphäre Entlebuch. Sie ist somit der einzige Naturpark, der bereits in die zweite Betriebsphase von wiederum zehn Jahren gestartet ist. Der solothurnische Naturpark Thal vollzieht diesen Schritt dieses Jahr.
Ein regionaler Naturpark ist nicht zu verwechseln mit einem Naturschutzgebiet – er soll eine Modellregion für nachhaltige Entwicklung sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Naturparks Gantrisch setzen sich in den drei Bereichen Natur, Bildung und Wirtschaft dafür ein.
Die «Gantrisch Zeitung» hat im Hinblick auf die Abstimmungen, welche ab diesem Sommer abgehalten werden, einige Stimmen zum Naturpark Gantrisch eingeholt.
Manuela Angst kennt als Vorsitzende der Geschäftsleitung von Bern Welcome die Region Bern bestens:
Manuela Angst, welche Bedeutung hat der Naturpark Gantrisch für die Region Bern, speziell für den Tourismus?
Der Naturpark Gantrisch wird als Naherholungsgebiet von Einheimischen ebenso geschätzt wie von Gästen aus Nah und Fern. Die intakte Natur befriedigt das Bedürfnis der Menschen nach Entschleunigung und Authentizität. Mit der Fülle an Wanderwegen, den vielen Bike-Routen und natürlich der spektakulären Landschaft ist der Park bei Sportfans ebenso beliebt wie bei Naturfreunden.
Warum macht es Sinn, dass es nach den ersten zehn Jahren weitergeht?
Der Bekanntheitsgrad des Parks konnte in den letzten zehn Jahren durch gezielte Aktionen und eine gute Zusammenarbeit zwischen der Destination Management Organisation «Bern Welcome» und dem Naturpark Gantrisch markant gesteigert werden. Mit der Unterzeichnung einer Leistungsvereinbarung wurde diese Zusammenarbeit weiter gestärkt. Wichtig ist es, die Wettbewerbsfähigkeit in den nächsten Jahren zu erhalten.
Was bringt eine Organisation wie der Naturpark der Region?
Das Label «Naturpark» sorgt für die Erhaltung des Lebensraums vieler Tiere und Pflanzen. Die Landschaft wird sorgfältig behandelt und aufgewertet. Ein Naturpark wirkt zudem identitätsstiftend, steigert die Wertschöpfung im Gebiet und fördert die Zusammenarbeit sowie Vernetzung in der Destination Bern.
Was hat sich aus Ihrer Sicht mit dem Naturpark verändert?
Vor dem Naturpark gab es in der Region Gantrisch verschiedene Tourismusbüros. Heute gibt es eine Geschäftsstelle. Dies bringt die Vorteile des direkten Kontakts und eines persönlicheren Verhältnisses mit sich.
Theo Schnider ist von Anfang an, seit 2001, Direktor der Biosphäre Entlebuch. Er kennt wie kaum ein anderer die Herausforderungen von Randregionen. Das Entlebuch gehört wie auch die Region Gantrisch zu den wirtschaftlich benachteiligten Regionen der Schweiz. Er hat aber auch eindrücklich miterlebt, dass Organisationen wie eine Biosphäre oder ein Naturpark eine Region nachhaltig verändern können.
Theo Schnider, welche Bedeutung haben die Labels «Biosphäre» und «Regionaler Naturpark» für das Entlebuch?
Das Entlebuch gilt heute als lebendige Modell- und Vorzeigeregion der UNESCO. Ohne den Einsatz des Parkteams wäre die Region wie früher vor allem eine einzigartig schöne Moorlandschaft. Wir sind aber dafür da, dass davon auch die Bevölkerung profitieren kann, durch die Bewahrung und Aufwertung der Natur, aber auch durch verstärkte Wertschöpfung dank nachhaltiger touristischer und wirtschaftlicher Entwicklung. Dies kann unter einem Label wie «Regionaler Naturpark» konzentrierter kommuniziert werden. Die Bevölkerung trägt den Park mit. Die Akzeptanz im Entlebuch ist hoch. Das merkt man etwa an den vielfältigen, bis jetzt weit über 500 Regionalprodukten.
Hat sich nach den ersten 10 Jahren «Naturpark» die zweite Betriebsphase anders angefühlt? Welche Projekte profitierten von der Langfristigkeit?
Die erste Phase galt ganz klar dem Aufbau des Parks, dem Vertrauensgewinn und somit der Schaffung von Akzeptanz, intern und extern. Die zweite Phase führt in die Bewährung und in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Vom langfristigen Engagement profitieren grundsätzliche Positionierungsbemühungen und das Knüpfen von entscheidenden strategischen Kooperationen: interdisziplinär über alle Bereiche, wie zB. Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft, Gewerbe, Wissenschaft, Bildung oder Kultur, hinweg.
Inwiefern ist es wichtig, längerfristig über das Parklabel zu verfügen? Was hat sich in der Biosphäre Entlebuch erst über Jahre oder gar Jahrzehnte entwickeln können?
Viel wichtiger als jedes Label ist das Engagement und der Veränderungswillen der betroffenen Bevölkerung. Sie machen den Erfolg aus, nie das Label. Es sind die Menschen die so etwas Grossartiges schaffen können. Labels werden überbewertet. Ein Label ist eine hilfreiche Kommunikationsunterstützung, es ist ein Orientierungspunkt im Wettbewerb. Nicht mehr und nicht weniger. Nach rund 20 Jahren Arbeit muss ein solch herausforderndes und anspruchsvolles Projekt die nötige Glaubwürdigkeit erreichen. Dazu braucht es eben den Tatbeweis über Jahre. Das schafft man nicht über Nacht. Es braucht Biss, Hartnäckigkeit, ein klares Ziel, Fokus, Überzeugungskraft und ein unermüdliches Engagement. Somit sind wir wieder beim Menschen als Schlüssel zum Erfolg. Er füllt schliesslich das Label mit glaubwürdigem Inhalt und mit echten Werten. Wenn sie nichts verändern wollen, wenn sie nicht besser sein wollen als der gemeine Rest der Welt und es nicht schaffen, Leuten Lust zu machen für einen Aufbruch, dann kann ihnen garantiert auch ein Label nicht helfen.