Es sind zurzeit bewegte Tage für die frischgebackene 7.-Klässlerin Alexandra Vaucher, die von ihrem ersten Schultag am Oberstufenzentrum Schwarzenburg berichtet: «Ich war schon etwas nervös. Zum Glück war ich nicht allein. In der neuen Klasse sind nämlich auch zwei Mitschülerinnen aus meiner ehemaligen 6. Klasse in Rüschegg dabei. Ich freue mich sehr auf die Zeit am Oberstufenzentrum Schwarzenburg.» Nach Schulabschluss soll es entweder mit einer Berufslehre oder der Talentförderung am Sport-Gymer in Bern weitergehen: «Ich war schon mal schnuppern auf einem Bauernhof in Hinterfultigen. Körperlich arbeiten im Freien, das hat mir sehr viel Spass gemacht.»
Nachhaltige Korrekturen der Weitwinkelfehlsicht
Der Beginn von Alexandras Schulkarriere verlief allerdings nicht ohne Hindernisse. In der dritten Klasse wurden ihre Probleme beim Lesen – oft verbunden mit starken Kopfschmerzen – offenkundig: Ihr linkes Auge nahm nicht dasselbe wahr wie ihr rechtes. Weitwinkelfehlsichtigkeit lautete nach der Abklärung die Diagnose, worauf sie alle drei Monate zum Spezialisten in die Kontrolle gehen musste. Zum Kontakt mit dem Schiesssport kam es, als sie im Alter von 9 Jahren mit ihrer Schwester Lara und ihrem Vater beim Kleinkaliberschiessen erstmals selber anlegen und schiessen durfte – ausgerüstet mit einer Schiessbrille, die ihre Sehkraft nachhaltig unterstützte und die Weitwinkelfehlsicht ausglich. Heute liegt die Vermutung nahe, dass sich diese Massnahmen positiv auf ihre Begabung als Schützin ausgewirkt haben.
Jeder Schuss ein Volltreffer
Wie hat sie ihren unerwarteten Triumph am diesjährigen Eidgenössischen Feldschiessen erlebt? Alexandra beschreibt die entscheidenden Momente mit einem Lächeln: «Zum Glück hatte mich mein Vater im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht, dass beim 300-Meter-Feldschiessen nicht wie üblich auf die A-Scheibe mit dem schwarzen runden Fleck, sondern auf die grüne B-Scheibe mit den Konturen des menschlichen Oberkörpers/Halsabschnittes geschossen wird. So konnte ich vorgängig noch mit der B-Scheibe üben. Ich absolvierte das Eidg. Feldschiessen in der gewohnten Umgebung des Schiessstandes der Militärschützen Guggisberg, wo ich in der Regel ein- bis zweimal pro Woche trainiere. Ruhig und konzentriert gab ich als erstes die 6 Einzelschüsse innerhalb von 6 Minuten ab und sah auf dem Bildschirm, dass ich getroffen hatte. Diesen Flow nahm ich mit in die anschliessende Schnellschuss-Serie, in der man 6 Schüsse innerhalb einer Minute abgeben muss. Ich benötigte dafür 52 Sekunden, worauf auf dem Bildschirm angezeigt wurde, dass alle Schüsse Volltreffer waren. Erst jetzt realisierte ich, dass ich das Punktemaximum von 72 Punkten erreicht hatte.»
Teilnahme an Olympischen Spielen in Sichtweite?
Alexandra macht nicht den Eindruck, als ob der sensationelle Erfolg am Eidgenössichen Feldschiessen sie zum Abheben bringen könnte. Ihr Vater Olivier, der nach wie vor als ihr Coach und Betreuer nach dem Rechten sieht, pflichtet bei: «Klar hat sich Alexandras Spitzenresultat herumgesprochen. Neulich bin ich an einem kantonalen Schiessen in der Innerschweiz von Kollegen darauf angesprochen worden, ob es sich beim «Bärner Modi», das am Eidgenössischen Feldschiessen das Punktemaximum geholt hat, um meine Tochter handle.
«Für uns in der Familie hat sich eigentlich nichts verändert. Oberstes Gebot bleibt der Spass am Schiessen. Die Schule und später die Berufslehre haben erste Priorität. Alles andere kann warten.» Dazu äussert sich Alexandra eine Spur konkreter: «Eine Teilnahme eines Tages an Olympischen Spielen wäre natürlich schon cool. 300 Meter mit Sturmgewehr ist nicht olympisch, dafür die Kategorien Kleinkaliber und Luftgewehr. Für mich käme wohl letzteres in Frage, weil dort das Niveau nicht ganz so hoch ist wie beim Kleinkaliber.»