Als die Mönche von Rüeggisberg die Waldwildnis rund um das Guggershorn erschlossen, setzten sie zur Aufsicht über die dort sesshaften Siedler lokale Edle als Vögte ein. Diese Herren residierten in einem hölzernen Turm auf einer Hügelhöhe unweit des Dorfes Muntcuchîn (dem heutigen Guggisberg), welche später noch lange «Chastelenbühl» genannt wurde. Einer dieser Gewalthaber war Salaco, dessen lateinischer Name eigentlich «Prahler» bedeutet und bereits genug über seinen unrühmlichen Charakter aussagt. Salaco war ein selbstherrlicher Gebieter, welcher keine Gelegenheit ausliess, um die Menschen der Umgegend seine Macht spüren zu lassen. Wenn er zur Jagd ausritt, trampelte er mit seinem Gefolge achtlos durch die Saaten der Bauern und versprengte das Vieh auf den Weiden. Am meisten gefiel er sich jedoch darin, mit den jungen Bauerntöchtern seinen Mutwillen zu treiben, denn nach damals gültigem Recht stand ihm jeweils die erste Nacht mit jeder frisch vermählten Braut aus dem Kreis seiner Untertanen zu.
Diese zweifelhafte Ehre wollte Salaco auch einer Maid namens Katharina angedeihen lassen, welche mit ihrer Familie am Lopbach zuhause war. Diese selbstbewusste, junge Frau war sehr bewandert in der Heilkunde und man sagte ihr nach, sie pflege heimlichen Umgang mit dem verschollenen Feenvolk aus den Wäldern. Sie widersetzte sich dem Zugriff des begehrlichen Landherrn, als dieser sie anlässlich ihrer Heirat mit dem Jäger Peter von Planfeyon auf seine Burg verschleppen wollte.
Salaco fühlte sich durch das widerborstige Gehabe der Waldhäuslerin gedemütigt, und er hätte wohl bald seinen ungezügelten Zorn an dem jungen Paar ausgelassen, wenn sich dieses nicht in den Wäldern verborgen hätte. Kurz darauf ereilte den Zwingherrn von Muntcuchîn ein Aufruf seines Lehensherrn und er musste sein Herrschaftsgebiet zum Glück für seine leidgeplagten Untertanen für einige Jahre verlassen. So konnte auch Katharina mit ihrem Liebsten an den Lopbach zurückkehren, wo sie eine Familie gründeten.
Als der Zwingherr nach geraumer Zeit wieder in Muntcuchîn auftauchte, nahm er sein strenges Regiment dort unvermindert wieder auf. Er hatte Katharina nicht vergessen und sann insgeheim immer noch auf Rache. In einem heissen Sommer wurde ein grosser Bär auf der Egg gesichtet, so dass der Verwalter von Muntcuchîn alle Männer seiner Herrschaft zur Treibjagd auf das mächtige Raubtier aufbieten liess, darunter auch Peter. Da Katharina gerade im Kindbett lag und einer schwierigen Geburt entgegensah, ersuchte der junge Jäger seinen Herrn darum, bei seiner Frau bleiben zu dürfen. Davon wollte Salaco freilich nichts hören und er beharrte auf der Gehorsamspflicht seines Hörigen. Schweren Herzens liess Peter seine Frau zurück und schloss sich dem Jagdgefolge an. Die Dorfbewohner schafften es, Salaco die begehrte Beute zuzutreiben, doch dieser verfehlte sein Ziel, und das Armbrustgeschoss verwundete den Bären lediglich. In Rage stürzte sich das gewaltige Raubtier sogleich auf den ungeschickten Schützen und warf ihn mitsamt seinem Pferd zu Boden. Nun war es Peter, welcher todesmutig vorsprang und den Bären solange ablenkte, bis Salacos Waffenknechte den Mutz vertreiben konnten.
Nachdem Peter seinem Herrn auf diese Weise das Leben bewahrt hatte, bat er Salaco inständig darum, nun zu seiner Frau heimkehren zu dürfen. Da trat ein heimtückisches Grinsen auf das finstere Gesicht des Tyrannen. «Lauf nur, so schnell dich deine Beine tragen», höhnte er. «Dreimal werde ich hier ein Avemaria beten, ehe ich dir folge. Erreichst du den Waldsaum vor mir, dann lasse ich dich ziehen. Anderenfalls gehörst du mir.» Die Mordlust, welche in den Augen des Zwingherrn funkelte, verriet Peter, dass es nun um sein Leben ging.
Der junge Bauer war ein kundiger Waldläufer und mit dem Gelände wohlvertraut. Er wählte seinen Fluchtweg so klug, dass der siegessichere Verfolger den Vorteil seines Pferdes einbüsste und immer wieder langwierige Umwege auf sich nehmen musste. Endlich erreichte der Gehetzte den Talgrund und verliess unversehrt das Schattengespinst des Waldes. Vor ihm erstreckten sich die Äcker, die er mit seiner Familie in mühsamer Arbeit der Wildnis abgerungen hatte. Am nahen Bachufer konnte er hinter den Hecken bereits seine Hütte erkennen. In Sorge um seine Frau lief er eilends nach Hause. Aber just als er über die Schwelle seines Heims treten wollte, zerschnitt hinter seinem Rücken ein verdächtiges Schwirren die Luft.
Salaco hatte sich nicht abschütteln lassen. Er war abgesessen und Peter zu Fuss mit seiner Armbrust gefolgt. Vom Waldrand aus schoss er den jungen Mann hinterrücks nieder, obwohl dieser eigentlich das rettende Ziel längst erreicht gehabt hätte. Als die Hofleute schreiend zusammenströmten, um dem Verwundeten zu helfen, trat Katharina aus der Hütte. Sie erkannte den niederträchtigen Schützen unter den Bäumen sofort. Trotz ihrer Schwäche reckte sie drohend ihre Faust in die Höhe und verfluchte den Zwingherrn von Muntcuchîn: «Dies war deine letzte Jagd in unseren Landen, Ruchloser! Von nun an sollst du bis in alle Ewigkeit reiten und niemals weder Rast noch Ruhe finden!»
Katharina und Peter wurden daraufhin von ihren Angehörigen in den Wald gebracht, wo sich ihre Spur verlor. Lange munkelte man im Dorf, ihre Freundschaft zum Elbischen Volk hätte den Leuten vom Lopbach das Leben gerettet. Sie wurden nie mehr gesehen.
Salaco von Muntcuchîn war mit seinem feigen Schuss indes zu weit gegangen. Die unterdrückten Bauern der umliegenden Lande rotteten sich nach der Schandtat am Lopbach wutentbrannt zusammen und stürmten den Turm auf dem Chastelenbühl. Der verhasste Zwingherr schaffte es zwar, vor der aufgebrachten Meute zu fliehen, aber er fiel wenig später auf einem namenlosen Schlachtfeld fernab der Heimat.
Von da an ging es jedoch um in den Wäldern und Hügeln rund um Muntcuchîn. Immer wieder tauchte die gespenstische Gestalt eines grüngewandeten Jägers in der Gegend auf, der hoch zu Ross und an der Spitze einer ungebärdigen Reiterschar heulend über das Land brauste und nachts die Landleute heimsuchte. Katharinas Fluch entfaltete seine Wirkung. Als die Belästigungen durch den Ruhelosen nicht abreissen wollten, nahm sich schliesslich ein Kapuziner aus Freiburg des Spuks an. Er schlug einen Bann über den geisterhaften Ritter und liess die Reste seines ehemaligen Wehrturmes niederreissen. An derselben Stelle wurde ein grosses Kreuz aufgerichtet, welches noch bis zur Reformation hoch auf dem ehemaligen Burghügel aufgeragt haben soll.
Ob die Anhöhe westlich des Guggershorns deshalb heute immer noch «Chrüz» genannt wird?
Frei nacherzählt nach Hans Nydegger und anderen Quellen