«Es geht um viel mehr, als nur darum, Gemüse anzubauen», beginnt Mirjam Richter, Mitbegründerin der Gemüsegenossenschaft «auVert». Eine Gemüsegenossenschaft? Das ist etwas, was man nicht jeden Tag hört und was seine Anfänge ziemlich genau vor zwei Jahren, am 1. März 2022, genommen hat. Damals begann die Betriebsgruppe der Gemüsegenossenschaft auf einer Hektare Gemüse anzubauen. Dieses Stück Land gehört zu einem Bauernhof, welcher sich in Pacht befindet. «Der Pächter übernahm damals mit dem Hof auch den Gemüseanbau sowie den bereits bestehenden Hofladen», führt Richter aus. «Der ganze Hof mit Tieren und Feldern ist schon ein grosses Stück Arbeit und der Pächter wünschte sich, dass es auch mit dem Hofladen weitergeht. Da kamen wir ins Spiel. Wir, also mein Mann und ich, sind Nachbarn des Hofs. Ich hatte auf dem Hof schon ab und zu ausgeholfen und Pächter wie Hofbesitzer wussten um meinen Traum, selbst in den Gemüsebau einzusteigen. Und voilà: Mein Traum sollte schneller in Erfüllung gehen, als ich es dachte. Als das Angebot kam, war für uns schnell klar, dass wir für den Gemüseanbau und den Betrieb des Ladens eine Genossenschaft gründen möchten.» Von ursprünglich 7 Gründungsmitgliedern ist «auVert» heute auf zwei Teilzeitangestellte, 70 Genossenschafterinnen und Genossenschafter und auf zahlreiche Kundinnen und Kunden gewachsen. Fun Fact: Bei der Namensfindung entschieden sich die Gründungsmitglieder deshalb für «auVert», weil dies einerseits auf Französisch «im Grünen» bedeutet und andererseits auch ein ProSpecieRara-Salat, also eine alte Sorte, ist. «Eigentlich wollten wir diesen Salat auch anbauen, allerdings mussten wir feststellen, dass dieser Samen nicht verfügbar ist», erzählt Richter mit einem Schmunzeln in der Stimme.
Der Natur vertrauen
Mirjam Richter und Co. haben sich von der Permakultur faszinieren und inspirieren lassen. Dabei geht es auch um den Respekt vor dem Menschen, vor den Tieren, vor den Pflanzen. Es geht darum, Sorge zu tragen zu unserer Umwelt, den Boden als wichtigstes Gut wertzuschätzen und darum, für Mitmenschen zu sorgen, zu teilen und weder Mensch noch Natur auszubeuten. Dies bedeutet für Richter und ihr Team: Statt ein Traktor kommt ein Zweiachser zum Einsatz, gesät, gejätet und geerntet wird von Hand. In sogenannten «Dauerbeeten», Gartenbeete, die das ganze Jahr über bestehen, gedeihen bis zu 40 verschiedene Gemüse- und Beerenarten. Erdbeeren wachsen beispielsweise neben Zwiebeln, denn deren Wurzeln gehen eine für beide Pflanzen förderliche Symbiose ein: «Die Zwiebel treibt ihre Wurzeln um einiges tiefer als die Erdbeere und befördert somit wertvolle Nährstoffe aus tieferen Erdschichten in die oberen Schichten, wo dann die Erdbeere profitiert», weiss Richter. Oder: «Wenn wir Kabis anpflanzen, setzen wir Koriander zwischen die Köpfe, dieser hält mit seinen Duftstoffen den Kohlweissling fern, dessen Raupen die Blätter fressen. Generell gilt: Je vielfältiger, desto ausgewogener ist ein System. Danach streben wir und danach bewirtschaften wir unsere Hektare.» Sogenannte «Schädlinge», zu denen man auch den eben genannten Kohlweissling zählen könnte, gibt es bei «auVert» nicht. «Schädlinge sind, wenn man so willl, eigentlich Nützlinge, denn sie zeigen auf, wo ein Ungleichgewicht herrscht. Wir bekämpfen dann nicht primär den Schädling, sondern beobachten und versuchen stattdessen, die Pflanzen zu stärken. Alles andere wäre nur eine oberflächliche Behandlung des Problems. Wir wollen resiliente Systeme schaffen, die in sich selbst funktionieren – und dieses extrem komplexe Zusammenspiel wollen wir nicht mit dem Einsatz von Schutzmitteln etc. stören. Wir müssen wieder lernen, der Natur zu vertrauen.» Dazu gehöre auch, dass zum Beispiel zu viel gepflanzter Salat auch einfach mal stehen gelassen werde – was dann wieder der Biodiversität zugutekommt.
Keine Veränderung ohne Pioniere
«Wenn ich ehrlich bin, haben wir manchmal etwas zu kämpfen», so Richter nachdenklich. «Trotz eines treuen und grossen Kundenstamms darf die Nachfrage noch deutlich steigen. Auf unserem Feld wächst mehr, als wir im Laden verkaufen – und rund 1/4 der verfügbaren Fläche haben wir noch immer nicht bepflanzt, was wir aber in diesem Jahr ändern wollen.» Sie sei sich bewusst, dass nicht alle Leute bereit dazu wären, den Weg auf sich zu nehmen, doch: «Frischer und gesünder bekommt man Lebensmittel kaum über. Wir tendieren in unserer Gesellschaft dazu, vor dem vollen Teller zu verhungern, da unserem Essen heute oftmals die Nährstoffe durch Wachstumsbedingungen, Transport, Lagerung etc. abhandenkommen.» Die «Gmüesler» lassen sich nicht beirren, und folgen weiterhin ihrem Weg. Denn bevor es einen Wandel geben kann, braucht es immer kreative Pioniergeister, die mutig vorangehen.
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