Christoph Kauz, soll die ehemalige Panzerplatte bei der Stierenhütte weiterhin fürs Driften und andere laute Fahrmanöver zugänglich bleiben? Will und kann der Naturpark Gantrisch etwas dagegen unternehmen?
Anscheinend gibt es dieses Verlangen, welches wir sicherlich nicht fördern wollen und es zeigt sich auch, dass dieses Verhalten von den Gästen nicht verstanden wird. Eine Sperrung der Platten ist aber nicht machbar, wenn wir sie weiterhin als Parkplatz nutzen wollen. Sind wir vor Ort, sprechen wir solche Autofahrer an, was kurzfristig Ruhe bringt. Für eine längerfristige Lösung sind wir mit den betroffenen Gemeinden und der Kantonspolizei im Gespräch.
Wo hat für den Naturpark Gantrisch die Natur vor wirtschaftlichem Profit Priorität?
Für uns hat nicht etwas vor dem anderen Priorität. Der Naturpark ist ein Förderinstrument für die drei Säulen Wirtschaft, Gesellschaft und Natur. Wo wir die Natur stärker schützen, kommunizieren wir es oft bewusst weniger, damit diese Lebensräume nicht gestört werden.
Was hat sich für die Natur dank des Naturparks Gantrisch zum Positiven verändert?
Vieles lässt sich nicht so einfach messen. Einen Unterschied haben sicher die Schwenteinsätze (Entbuschung, Anmerkung der Redaktion) gemacht, ohne die grosse Flächen vergandet wären. Bei allen wichtigen Zuflüssen von Sense und Schwarzwasser entfernten wir zudem Neophyten: Sonst wären viele einheimische Pflanzen verdrängt worden. Und seit wir die Kleine Hufeisennase, eine stark gefährdeten Fledermausart, zur Zielart erklärt haben, erreichen uns viel mehr Meldungen von Fundorten. Ob es dank uns mehr Tiere gibt, ist kaum messbar. Aber die Sensibilisierung für sie ist deutlich grösser geworden.
Weiter hat es mehr Hecken, die Lebensräume verbinden, mehr Stein- und Asthaufen und immer mehr Gruppen und Freiwillige, die stunden- oder tageweise Einsätze für die Natur leisten.
Wo spüren die Einwohner der Parkgemeinden den Nutzen des Naturparks?
Dass die Region nun mit dem Park einen Ansprechpartner hat, stärkt sie gegen innen und gibt ihr nach aussen mehr Gewicht. Der Austausch und die Zusammenarbeit unter den Mitgliedsgemeinden sind deutlich grösser geworden, die Region hat eine Identität erhalten, die es so vorher nicht gab. Gemeindeübergreifende Projekte können einfacher verwirklicht werden, es werden in unserer Region deutlich mehr Fördergelder beantragt – und erhalten – als in anderen Ecken im Kanton.
Was wäre anders, wenn es den Naturpark nicht gäbe?
Ohne den Naturpark und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlten der Region kompetente und engagierte Ansprechpartner und die Unterstützung. Es gäbe keinen Adressaten, um Kritik entgegenzunehmen oder um Frisches anzuregen. Zudem haben wir uns als gestärkte Region zu einem bedeutenden Gegenpol zur Stadt entwickelt – es ist nicht mehr alles auf Bern ausgerichtet, wir werden gerade in der Regionalkonferenz viel mehr wahr- und ernst genommen, als dies für die Regionen vorher der Fall war und ohne Naturpark der Fall wäre.
Der neue Gäggersteg wäre zudem nie zustandegekommen – es brauchte viel Wissen, wie man für so ein Projekt mit dem Kanton und dem Bund zusammenarbeitet. Der Verkauf regionaler Produkte wäre wohl kaum so stark gewachsen und sie wären nicht so bekannt, wie sie es heute sind. Weitere Beispiele sind die Innovationspreise, die es ohne uns kaum gäbe, unzählige Freiwilligenstunden, die nicht geleistet worden wären, und vieles mehr.
Tina Müller, ist der Lärm von Motorrädern und Autos in allen Schweizer Pärken ein Problem?
Pärke sind Landschaften von nationaler Bedeutung – klar, dass sie auch Freizeitverkehr anziehen. Vor allem Passstrassen und Strecken entlang besonders schöner Landschaften sind beliebt. Dies war bereits so, bevor diese Gegenden zu Naturpärken wurden. Da hören wir von Anwohnern ab und zu Enttäuschung heraus: «Nun ist es ein Naturpark, und der Verkehr ist immer noch da.»
Was kann ein Regionaler Naturpark unternehmen, um das Naturerlebnis auch für die Ohren möglich zu machen?
Im Park können keine Fahrverbote angeordnet werden. Hingegen können gezielt nachhaltige Angebote entwickelt werden: Alle Angebote, die wir kommunizieren, sind mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar. Wir setzen auf Kommunikation, Sensibilisierung und Besucherlenkung.
Was meinen Sie damit?
Wir entwickeln bewusst Angebote um öV-Haltestellen herum – etwa Wanderungen, deren Ausgangs- und Endpunkt je eine Postautohaltestelle sind. Praktisch
alle von uns kommunizierten Angebote sind mit öffentlichen Transportmitteln erreichbar. Auf unserer interaktiven Online-Karte lassen sich nicht nur sämtliche Haltestellen anzeigen, sondern auch direkt der Fahrplan dazu abrufen. Wir können einen Grossteil der Besuchenden zu attraktiven und gut erreichbaren Angeboten einladen und so die Besucherströme «lenken».
Dies wird die Motorradfahrer und -fahrerinnen aber nicht von Passfahrten abhalten…
Das wird es wohl nicht.
Was unternehmen Sie auf politischer Ebene für die Förderung des öffentlichen Verkehrs in Regionalen Naturpärken?
Dies ist uns ein grosses Anliegen. Wir arbeiten mit PostAuto zusammen und haben die Initiative «Fahrtziel Natur» (www.fahrtziel-natur.ch, Anm. der Redaktion) lanciert, wo wir regelmässig wichtige Akteure zu runden Tischen einladen, um Lösungen für die nachhaltige Mobilität zu finden. Bei derart vielen verschiedenen Transportunternehmen und politischen Ebenen ist dies gar nicht so einfach.
Schliessen sich intakte Natur und Wertschöpfung in wirtschaftlicher Hinsicht gegenseitig aus?
Nein, Massnahmen für Natur und Umwelt sind für einen Regionalen Naturpark zen-tral! Diese werden jedoch weniger kommuniziert als touristische Angebote.
Aber gerade die geführten Exkursionen in Pärken sensibilisieren jedes Jahr Hunderte Kinder und Erwachsene für den Umweltschutz und Naturthemen. Ein gutes Beispiel sind auch die «Corporate Volunteering»-Einsätze für Mitarbeitende von Grossfirmen, die ein bis zwei Tage im Park für die Natur arbeiten, Informationen zur Landschaftspflege und Biodiversität erhalten und regionale Produkte geniessen können.
Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem sowohl verstärkter Naturschutz wie auch wirtschaftliche Wertschöpfung möglich wurden?
In der Biosphäre Entlebuch etwa existierte das Moorschutzgebiet bereits. Mit den Labels «Biosphäre» sowie «Regionaler Naturpark» entwickelte sich richtiggehend eine neue, selbstbewusste Identität. In der Region selbst wurde das Bewusstsein für den Wert der Natur geschärft, gleichzeitig kehrte das Leben zurück – die Abwärtsspirale der Abwanderung konnte gestoppt werden. Darum: Naturschutz ist wichtig – wichtig ist aber auch, dass die Region lebendig bleibt.
Spricht ein Park vor allem neue Besucherinnen und Besucher an? Inwiefern soll er auch der Bevölkerung dienen?
Ein Park existiert nur, wenn er auch von der Bevölkerung getragen wird. Alle Regionalen Naturpärke bieten eine Anlaufstelle, eine Plattform und einen Rahmen, wo sich die Einwohnerinnen und Einwohner austauschen und neue Ideen einbringen können. Sehr viele Projekte, die aus und mit den Gemeinden gestartet wurden, würde es ohne die Pärke als verbindendes Element nicht geben. Ein Naturpark ist also vor allem für die Region da – es ist eine Modellregion für nachhaltige Entwicklung. Pärke arbeiten für die Bevölkerung, Hand in Hand mit der Natur und der Wirtschaft.
Eric Brandt, wir hören manchmal, die Bevölkerung bekomme vom Wirken des Naturparks nicht viel mit. Teilen Sie diese Einschätzung?
Im Gegenteil – wo wären wir heute ohne Naturpark? Klar, nicht alle Gemeinden sind gleich aktiv. Damit eine Gemeinde mehr vom Naturpark spürt, muss und kann sie mehr mit ihm zusammenarbeiten. Aber: Heute gibt es eine Vielzahl an Firmen und Projekten mit einem «Gantrisch» im Namen. Unsere Region ist selbstbewusster geworden und alle Einwohnerinnen und Einwohner profitieren, wenn sie es auch vielleicht nicht immer bewusst merken.
Die Marke «Gantrisch» ist also nicht nur ein Konstrukt?
Nein, gar nicht. Wer von einem «Kons-trukt» spricht, will wohl nicht mit anderen zusammenarbeiten. Damit begibt man sich auf die Verliererstrasse. Denn die Marke verkörpert Identität, Begeisterung und Engagement. Ich persönlich bin Fan vom «Gantrisch», dessen überzeugter Botschafter ich bin.
Warum will eine Gemeinde wie Wald Mitglied im Naturpark Gantrisch sein?
Will man eine attraktive Wohngemeinde sein, ist es unabdingbar, dass vor Ort Wertschöpfung erfolgt, dass es lebendig ist, Arbeitsplätze gesichert sind. Der Naturpark bringt Inhalte in die Region. Oder anders gesagt: Er macht die Region zum Inhalt und fördert so die Lebensqualität. Es ist nicht mehr alles auf die Stadt fokussiert – die Parkgemeinden haben gemeinsam eine Zentrumsfunktion, was die Infrastruktur, Wohnraum, Gewerbe und Industrie angeht. Zudem ist dank der verstärkten Gemeindezusammenarbeit viel mehr möglich. Unsere Anliegen haben mehr Gewicht, wenn wir gemeinsam dafür einstehen.
Wie hat der Naturpark Gantrisch die Zusammenarbeit unter den Gemeinden gefördert?
Die Grundlage einer regionalen Identität ist das, was uns verbindet. In unserem Fall ist ganz klar: Der Naturpark Gantrisch verbindet uns. Er beweist: Es ist ein «Zusammen»! Durch die Solidarität beim Gemeindebeitrag ermöglichen wir einander, dass in jeder Gemeinde etwas bewerkstelligt werden kann. Selbst wenn es nur ein kleines Projekt ist – es bringt einen Mehrwert. Die Gemeinden unterstützen den Park ja nicht nur, sie nutzen ihn auch. Dafür gibt es sogar noch viel mehr Potential. Ich bin überzeugt, dass unsere Region gestärkt ist, Akzeptanz und Wirkung hat, weil wir gemeinsam unterwegs sind.
Christoph Kauz ist seit fünf Jahren Geschäftsführer des Regionalen Naturparks Gantrisch. Mit Blick auf den Sternenpark, die Aussenstationen des Bärenparks sowie auf die Gemeindeabstimmung hat er ein spannendes 2020 vor sich.
Tina Müller ist stellvertretende Geschäftsleiterin und Bereichsleiterin Tourismus des «Netzwerk Schweizer Pärke». Die Vernetzerin setzt sich für nachhaltigen, natur- und kulturnahen Tourismus ein.
Eric Brandt ist Bauingenieur und Geschäftsführer des Vereins «Gebäudeenergieausweis der Kantone». Als Gemeinderat und Vize-Gemeindepräsident von Wald hat er viel Einblick in die gemeindeübergreifende Zusammenarbeit mit dem Naturpark erhalten.