Es liegt eine fast mystische Ruhe über den Bauernhöfen, die rund um Hirschhorn der winterlichen Kälte harren. Vor dem Gemeindehaus endet die Stille. Gemeindearbeiter kehren nach dem anstrengenden Winterdienst zurück und finden sich nahtlos in das emsige Treiben im Inneren des Hauses ein. Peter Mohr orchestriert einen Teil dieser Geschäfte und scheint so etwas wie ein ruhender Pol zu sein. Einer mit Überblick, Weitblick und Durchblick.
Landreserven
Auf den ersten Blick jedoch beeindrucken die vielen Papiere, Pläne und Notizen.
Bei Mohr scheinen einige Fäden zusammenzulaufen, die zum Erfolg der Gemeinde beitragen. Ein goldener Faden für eine gut funktionierende Gemeinde sind die Landreserven. «Als der Kanton im Jahr 2016 sagte, wir hätten zu viel Baulandreserven, wollten wir nicht zurückzonen, weil dann die Gefahr drohte, dass wir diese Flächen nicht mehr bekommen würden», erklärt er. Die Gemeinde wendete sich dann an die Baulandbesitzer und ermunterte diese ihr Bauland zu veräussern. Auf der Homepage der Gemeinde wurde eine Plattform eingerichtet, damit diese ihr Land kostenlos anbieten konnten. Daraufhin kauften einige Familien in Rüschegg Land, um ihr Eigenheim zu realisieren. Strategisch clever war die Gemeinde zudem mit der Erschliessung. Fast alles ist erschlossen und eine Verdichtung nach innen kann nun nach und nach angedacht werden. So setzt die Gemeinde auf ein moderates Wachstum im Gleichgewicht mit ihren Reserven. In 10 Jahren sind 41 Neubauten entstanden, 120 Wohnungen in den letzten 20 Jahren, davon eine Mehrheit (75) in den vergangenen zehn Jahren. Rüschegg wächst, aber mit Bedacht.
Sparen statt verschulden
Mehr Menschen sind aber oft gleichbedeutend mit mehr Infrastruktur. Diese kostet wiederum Geld. «Sparen statt verschulden heisst bei uns die Devise», verrät Mohr. Das bedeutet, wenn etwa eine Investition ansteht, wird diese über Jahre geplant und auf das Ziel hin gespart. Bestes Beispiel ist die Mehrzweckhalle mit einem kleinen Dienstleistungszentrum in Heubach. Der Wunsch ist da, die Notwendigkeit auch, aber es fehlt das Geld. Statt die Steuern hierfür anzuheben, öffnet die Gemeinde einen Fonds und spart auf das Grossprojekt hin. Jeder Gewinn steuert Geld für diesen Wunsch bei.
Kreativität
Aber mit Sparen allein entwickelt man sich nicht. Kluge Köpfe und starke Hände sind es, die Projekte ermöglichen, ohne das Budget allzu stark zu strapazieren. So geschehen beim Schulhaus. Die Umnutzungen und Erweiterungen bei der Schulanlage Bundacker hätten gemäss erstem Kostenvoranschlag über 1 Million gekostet. Da dies über den finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde lag, wurde nach Ideen und Lösungen gesucht, welche günstiger sind und trotzdem die Bedürfnisse der Schule erfüllen, sodass die Kosten auf 600’000 Franken gesenkt werden konnten. «Kreativität ist Teil unseres Erfolgsrezepts. So haben wir beim Schwimmbad das Projekt gemeinsam mit dem Schwimmbadverein umgesetzt und erst noch ein Badi-Beizli eingeplant», nennt er ein weiteres Beispiel. Mohr hat den Plan für den Innenausbau kurzerhand gleich selber gemacht; und wieder wurden einige Franken gespart. Trägerschaften und Vereine beteiligen sich gemeinsam mit der Gemeinde an der Entwicklung, das spart Kosten und sorgt für spannende Lösungen.
Zusammenlegen
Diese Zusammenarbeit wird nirgends besser ersichtlich als beim Werkhof. Burger- und Einwohnergemeinde respektive Forst- und Werkmitarbeiter sind unter einem Dach vereint. Es gibt kaum etwas, was dieses Team nicht zustandebringt. «Wir haben einen Wegmeister, der auch Brunnenmeister ist, oder Forstwarte, die im Strassenunterhalt oder als Friedhofsgärtner und auch als Stellvertreter des Brunnenmeisters eingesetzt werden können. Sie machen viel mehr als einfach nur den Job», erzählt Mohr und kann eine gewisse Begeisterung für dieses schlagkräftige Team nicht verbergen. Dieses Konzept scheint den Rüscheggern zu liegen. Die Feuerwehrleute verbessern in ihrer Freizeit ihr Lokal, der Fussballclub erhält Unterstützung, legt aber gleich selber Hand an, die Beispiele sind allgegenwärtig.
Tiefe Steuern
Sind die kreativen Köpfe, der Sparhebel und die Landreserven die Gründe für einen Steuerfuss, der tiefer liegt als in den umliegenden, teils grösseren Gemeinden? «Ja, aber nicht nur», lässt Mohr aufhorchen. «Wir haben vor einigen Jahren das Strassennetz durchgearbeitet und einige alte Wege gelöscht, um uns darauf zu konzentrieren, was wir wirklich brauchen. Damit schafft man sich nicht nur Freunde, spart aber viel Geld», verrät er. Man muss aber noch etwas weiter zurück in der Geschichte gehen, um zu erkennen, dass Rüschegg schon einmal ein kluges Händchen mit den Strassen hatte: Unsere Vorgänger konnten viele Strassen an den Kanton abgeben. Und dies in einer Zeit, in der kaum jemand daran dachte, wie teuer einmal der Strassenunterhalt für grossflächige Gemeinden mit wenig Einwohnern werden würde. «Das war sehr vorausschauend», fasst der Verwalter zusammen.
Es ist diese Eigeninitiative der Rüschegger, die massgeblich zur positiven Entwicklung der Gemeinde beiträgt. «Früher waren hier mal viele Hausierer, vielleicht stammt die Offenheit für Entwicklungen und die Bereitschaft, sich selber zu helfen, noch aus dieser Zeit», lacht Mohr und formuliert es sofort etwas allgemeiner: «Was unsere Vorfahren geleistet haben, ist unglaublich. Eigentlich haben Sie den Grundstein für unsere heutigen Entwicklungen gelegt.» Die Ruhe trügt also im beschaulichen Rüschegg. Hier leben Menschen, die mit viel Herzblut den Fortschritt der Gemeinde mitgestalten. Und nach einem Besuch im Gemeindehaus wird klar: Peter Mohr ist längst ein Teil davon.