Licht und Schatten im Urlaub

Licht und Schatten im Urlaub

Viele Menschen fahren gerne in die Ferien. Viele freuen sich, wenn Touristen ihr Geld in der Schweiz ausgeben. Doch kaum jemand mag grosse touristische Menschenströme. Und für das Klima ist der Tourismus ohnehin schädlich. Eine schwierige Situation für ihn.

Seit der Antike erleben Tische und Stühle mit gedrechselten Holzbeinen ein Auf und Ab. Während einigen Epochen konnten viele Menschen nicht genug von schwungvoll gedrechselten Möbelbeinen bekommen. In anderen Zeiten galten schlichte Möbel ohne gross Zierde als schön. Was wohl die meisten Menschen über alle Zeiten hinweg auch als schön oder zumindest bereichernd empfunden haben, war das Reisen. Und wo von Reisen die Rede ist, darf der Begriff «Tourismus» nicht fehlen. Dieser findet seinen sprachgeschichtlichen Ursprung nämlich im Drechseln.

Der Begriff Tourismus leitet sich vom griechisch-lateinischen tornus, Dreheisen, ab. Ein Dreheisen dient beim Drechseln dazu, eine gewünschte Form in ein sich drehendes Holzstück zu gravieren. Dieser etymologische Ursprung erklärt, warum eine Tour eine Drehung, ein Umlauf, ist. Wer als Tourist von zuhause aus startet, dreht am Ende des Urlaubs auch zurück ins traute Heim.

Touristen und Tourismus

Heute gelten Touristen als Personen, die zu Orten ausserhalb ihres gewöhnlichen Umfelds reisen und sich dort für nicht mehr als ein Jahr aufhalten. Dabei können die Motive vielfältiger Natur sein. Touristen hören da auf solche zu sein, wo sie einer bezahlten Aktivität nachgehen.

Als Tourismus-Destination gewann die Schweiz ab der Mitte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Damals reisten vor allem englische Reisende hierher, um die Alpen bestaunen zu können. Vor allem die Pauschal-Ferienreisen durch Europa, die der englische Unternehmer Thomas Cook organisierte, sorgten seit 1858 für ein touristisches Aufkommen in der Schweiz.

Insgesamt trägt der Tourismus in der Schweiz 5,6 % zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei und hat somit einen bedeutenden Einfluss auf die Schweizer Wirtschaft. Das zeigt sich vor allem in Berggebieten, wo rund 20 % der Wertschöpfung aus diesem Bereich stammen. Konkret generiert er direkte Einnahmen überwiegend durch die Beherbergung, das Gastgewerbe und den Personenverkehr. Im vergangenen Jahr konnte die Schweiz gar einen neuen Höchststand an Hotelübernachtungen verzeichnen. Der bisherige Rekord aus dem Jahr 2023 von 41,8 Mio. Logiernächten wurde um rund 1 Mio. übertroffen.

Ein so grosses touristisches Aufkommen bedarf entsprechender Arbeitskräfte. In der Schweiz arbeiten rund 4,2 % aller Beschäftigten im Tourismus, die meisten davon in der Beherbergung, dem Passagierverkehr und der Verpflegung.

Tourismus und Arbeit

Gemäss Stefan Otz, Direktor der Höheren Fachschule für Tourismus in Thun, habe sich der Umgang von Arbeitskräften in der Tourismusbranche mit den Touristen in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Gründen verändert. Grundsätzlich arbeiteten immer weniger Schweizerinnen und Schweizer direkt im Tourismus. Das liege an Aspekten wie dem Lohngefüge, den Arbeitszeiten oder der Belastung. Dementsprechend sei der Tourismus auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Dafür zeige sich ein Unterschied zwischen ausländischen und einheimischen Arbeitskräften: «Schweizerinnen und Schweizer vertreten ihre Heimat mit Stolz. Für ausländische Arbeitskräfte ist es ein Job.» Gäste möchten gemäss Otz das Authentische erleben: «Dazu gehört der Kontakt mit Einheimischen.» Deshalb gelte es, die Einheimischen vermehrt aktiv einzubeziehen. Tourismus ohne aktiven Einbezug der Einheimischen werde «langfristig keinen Erfolg bringen», so Otz.

Das Tourismus-Dilemma

Trotz dieser wirtschaftlich gesehen positiven Zahlen löst der Tourismus nicht nur Jubelschreie aus. Nicht wenige verbinden eher Negatives mit dem Begriff. Man denke hierbei an den Massentourismus, der einige Städtchen gefühlt mehr und mehr in Freizeitparks verwandelt, viel herumliegenden Müll produziert oder Drehkreuze an Aussichtsplattformen hervorbringt. Ganz abgesehen vom meist klimaschädigenden Aspekt des Reisens. Und trotz dieser unschönen Assoziationen reisen viele Menschen gerne in den Urlaub. Ein Dilemma? Wie Otz erklärt, werde der Begriff Tourismus aufgrund der erwähnten Begleiterscheinungen heute tatsächlich eher negativ assoziiert. «Trotzdem wollen wir reisen», so Otz, «aber bitte alleine, exklusiv». Gleichwohl lüden wir schöne Fotos geheimnisvoller Orte auf Social Media und machten diesen Ort so weltbekannt, was wiederum den Tourismus fördere. Otz verweist auf ein treffendes Sprichwort: «Der Tourist zerstört, was er sucht.» Ganz falsch sei diese Aussage nicht. Dieser Widerspruch könne allenfalls dank einem nachhaltigen Verhalten, Lenkungsmassnahmen und einem ausgeprägten eigenen Bewusstsein etwas entschärft werden. «Doch es bleibt ein gewisser Widerspruch», so Otz, «Tourismus ist per se nie nachhaltig.» Man könne jedoch versuchen, die daraus entstehenden Emissionen so gering wie möglich zu halten. Hier bestünden verschiedene Möglichkeiten: weniger Flüge, weniger Abfall, länger an einem Ort verweilen oder auch die Gäste sensibilisieren. Viele Aktionen und Initiativen wollen diesem Umstand in jüngster Zeit Rechnung tragen und versuchen dementsprechend, den Tourismus nachhaltiger zu gestalten, auch in der Schweiz.

Beispiel Bern

Wie Manuela Angst, CEO von Bern Welcome, erklärt, verstärke der Klimawandel die Bedeutung von Nachhaltigkeit. Deshalb setze Bern Welcome bewusst auf den Heim- und Nahmarkt, also auf Gäste aus der Schweiz und dem angrenzenden Ausland. Diese reisten nämlich meist mit dem öffentlichen Verkehr an. Bern biete dafür ideale Voraussetzungen, konkret kurze Wege von A nach B, die Natur in unmittelbarer Nähe und das entschleunigte Berner Lebensgefühl.

Gleichwohl zähle der Umgang mit dem Massentourismus zu den Herausforderungen. «Mit gezielter Gästelenkung, klarer Kommunikation und passenden Angeboten wollen wir erreichen, dass sich die unterschiedlichen Gästegruppen nicht im Weg stehen, sondern sich ideal ergänzen», so Angst. Auf ihrer Plattform gebe Bern Welcome beispielsweise Anregungen, wie Gäste ihren ökologischen Fussabdruck während ihres Aufenthalts in Bern klein halten können.

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