Nach einem gestellten Gang gegen Mitfavorit Samuel Giger im ersten Gang, sieht es für den Schwarzenburger Kronfavorit nach drei Gängen noch gut aus. Dann aber breitet der Kampfrichter wenige Sekunden vor Schluss seine Arme aus und beschliesst, dass Werner Schlegel gewonnen hat. Aus Berner Sicht zumindest kein allzu klarer Entscheid. Staudenmann rutscht nach dem ersten Tag in der Tabelle etwas nach hinten, Schlegel, im Gegenteil, an die Spitze. Umstrittene Kampfrichterentscheide sollten auch den Sonntag prägen. Erneut gehört Staudenmann zu jenen, die nicht gerade vorteilhaft davonkommen. Nach zwei Siegen am Sonntagmorgen gewinnt er auch gegen den 150-Kilogramm-Brocken Domenic Schneider. Die Bestnote ist gefordert, um noch Chancen auf den Schlussgang zu erhalten. Ein schier unglaublicher Kraftakt. Staudenmann hebt den Koloss auf und donnert ihn zu Boden. 9.75 statt 10.0, befinden die Kampfrichter. Aus der Traum vom Schlussgang. Das ist dann zu viel des Guten mit den Fehlentscheidungen, befinden die Berner und legen Rekurs ein. Ohne dass es Wirkung zeigte. Aber Diskussionen: «Es hat viele Fehlentscheide gegeben, es war noch selten so offensichtlich wie an diesem ESAF», sagt Matthias Sempach. «Ich bin auch dieser Meinung», schliesst sich Christian Stucki dem an. Am Schluss resultiert ein äusserst verdienter Rang 2. Dieser umstrittene Viertel aus dem Kampf gegen Schneider macht den hauchdünnen Unterschied. Die anderen Berner Favoriten Michael Moser, Curdin Orlik und Matthias Aeschbacher holen weitere Spitzenplätze. Die Nordostschweizer verkeilen und beissen sich an der Spitze regelrecht fest. Mit allen Mitteln, da schubst Damian Ott auch mal eine Kamera auf die Seite und Werner Schlegel gestikuliert wortreich vor den Kampfrichtern. Wenig Kampfrichterglück bekundet aber auch Titelverteidiger Joel Wicki. Rang 9b für ihn. Neuer Schwingerkönig darf sich Armon Orlik nennen. Im rein nordostschweizerischen Duell gegen zwischen Samuel Giger und Werner Schlegel gibt es nach 16 Minuten keinen Sieger.
Für Aufsehen sorgt der 31-jährige Emmentaler Landwirt Fritz Ramseyer. Es brauchte schon fünf Eidgenossen und zwei Topfavoriten auf seinem Notenblatt, um den zähen Emmentaler zurückzubinden. Eidgenosse wird er trotzdem. Ganz ähnlich verlief das ESAF für den Sensler Steven Moser. Rang vier nach dem ersten Wettkampftag, erst der anschliessende Schwingerkönig Armon Orlik bremste ihn ein wenig aus. Rang 16 nach acht Gängen belohnt den starken Sensler. Lange hielt auch der Milkener Nicolas Zimmermann weit vorne mit. Am Schluss resultiert ebenfalls Rang 16.
Die andere Schwarzenburger Erfolgsgeschichte, neben Fabian Staudenmann, die schreibt Michael Ledermann. Nach langer Verletzungspause fehlten dem Mamishauser eigentlich etliche Wettkämpfe. Davon war wenig zu spüren. Nach drei Gestellten und einem Sieg am Samstag kam er immer besser im Wettkampf an. Am Sonntag gewann Ledermann sämtliche vier Gänge und bodigte unter anderem die Eidgenossen Samir Leuppi und Martin Roth. Rang 4b bedeutet nach dieser Saison eine ausserordentliche Spitzenleistung. «Die Werte vom Schwingsport sollten ausserhalb vermehrt wieder Einzug finden. Werte sind Grundlagen für das Zusammenleben im Land», sagte Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter an ihrer Festrede. Was für eine schöne Brücke aus dem gelungenen Fest in Mollis Richtung des Lebens aller Schweizerinnen und Schweizer. Auch dort gibt es Pechvögel und Höhenflieger. Doch bekanntlich haben nicht immer dieselben Pech und jeder Höhenflug muss auch einmal landen. Das nächste ESAF in drei Jahren in Thun kommt. Mit neuen Pechvögeln und Höhenfliegern. Und das soll auch für die Kampfrichter gelten, die dann hoffentlich zu Höhenflügen ansetzen, statt jene gewisser Schwinger zu vereiteln.