Der grosse Tag für die nächste Generation begann um 16 Uhr. Ein steiler Aufstieg führte die ankommenden Familien von der Feldmoosstrasse zu dem idyllischen Hügel unterhalb der Wahlern-Kirche. Ein Weg, der es sich zu gehen lohnte.
Zahlreiches Erscheinen
Auf dem Hügel angekommen, erwartete die Besuchenden eine fesselnde Aussicht, weit über das Schwarzenburgerland hin-aus. Begleitet von wärmenden Sonnenstrahlen und einem rau wehenden Wind, wurden Gross und Klein vom Gemeindepräsident Urs Rohrbach willkommen geheissen. Er zeigte sich zugleich verblüfft und erfreut, wie viele Leute der Einladung der Gemeinde gefolgt waren. «Wenn nur genauso viele junge Mitbürgerinnen und Mitbürger an einer Gemeindeversammlung teilnehmen würden», sagte er mit einem Augenzwinkern. Ein Vater nahm dabei sogar die Reise von Marseille auf sich, um das symbolische Wurzelnschlagen seines Kindes miterleben zu können. Der Anlass war geprägt von einer ausgelassene Stimmung und einer familiären Atmosphäre.
Bereicherung in vieler Hinsicht
Die Gemeinde pflanzt seit dem Jahr 2008 für jedes neugeborene Kind einen Baum. Der letzte offiziell gepflanzte Baum schlug im Jahre 2019 erstmalig seine Wurzeln. Jeweils im Herbst wurde für jedes Neugeborene ein Baum abgegeben. Aufgrund der Pandemie konnte diese Tradition in den letzten vier Jahren leider nicht aufrechterhalten werden. Aus diesem Grund entschied sich die Gemeinde, vier symbolische Bäume für die rund 200 geborenen Kinder zu pflanzen. Im Schnitt kommen somit jährlich ca. 50 Kinder in der Gemeinde zur Welt. Rohrbach möchte auch nächstes Jahr einen symbolischen Baum für den Nachwuchs pflanzen. Laut ihm könne so das Umweltbewusstsein gefördert und das Dorf und Landschaftsbild nachhaltig bereichert werden. Zudem könnte sich der Wahlern-Hügel zu einem sozialen Treffpunkt entfalten, wo sich die Eltern vernetzen können. «Wer weiss, vielleicht gibt es in den nächsten Jahren eine Baumallee oder auch eine adäquate Sitzmöglichkeit», meint der Gemeindepräsident mit einem Lächeln im Gesicht.
Unterschiedliche Baumarten
Die Wahl der Bäume fiel auf je zwei Traubeneichen und Bergulmen. Traubeneichen gehören zur Familie der Buchengewächse. Die Laubbäume werden durchschnittlich 35 Meter hoch und blühen von April bis Mai. Eine Eiche kann zwischen 500 und 800 Jahre alt werden. Die Berg-Ulme wurde hingegen von der Gemeinde auserwählt, da sie seit einigen Jahrzehnten stark vom Ulmen-Sterben bedroht sind. Ulmen sind fast überall in Europa verbreitet – vom Tiefland bis zu Höhenlagen von maximal 1400 Höhenmetern. Die Bergulme ist durchschnittlich 40 m hoch und kann rund 400 Jahre alt werden. Zudem bildet sie selbst auf temporären Nassböden tiefe Wurzelgeflechte aus und ist daher ausserordentlich stabil. Sowohl die Traubeneichen als auch Bergulmen sind robuste und trockenresistente Baumarten.
Selbst Hand anlegen
«Wie die Bäume ihre Wurzeln schlagen, wünschen wir uns als Gemeinde, dass auch die zukünftigen Bürgerinnen und Bürger eine Heimat finden», plädierte der Gemeindepräsident in seiner Begrüssungsrede. Im Anschluss waren alle Teilnehmenden des Anlasses dazu eingeladen, sich aktiv bei der Pflanzung der Bäume zu beteiligen. Unter der Anleitung von Martin Müller und Urs Weibel vom Naturschutzverein Schwarzenburgerland wurde behutsam Baum für Baum gepflanzt, dabei war eine klare Rollenverteilung wahrzunehmen: Die Väter kümmerten sich grösstenteils ums Pflanzen der Bäume, während die Mütter und Kinder das ebenso wichtige und symbolkräftige Düngen übernahmen. Danach manifestierte Martin Müller die tiefe Verwurzelung in der Region, indem er die Bäume mithilfe drei eingeschlagener Pfähle stabilisierte, um sie vor kommenden Stürmen zu schützen. Schliesslich befestigten die Eltern die Plaketten mit den Namen ihrer Kinder am Stamm oder um die Äste des jeweiligen Baumes und verschwanden genauso schleichend, wie sie gekommen waren. Jeder starke Baum war einmal eine kleine Pflanze und jede grosse Tat beginnt mit einem kleinen, guten Gedanken.
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«Baby Tree» auch in Belp
Auch die Klima- und Umweltgruppe Belp lässt den Brauch des Geburtsbaums aufleben. «Der Name ‹Baby Tree› kann auch im anderen Sinn ausgelegt werden – dass ein neu gepflanzter Baum ein neuer, junger Baum ist. Somit sind nicht nur Eltern, Patinnen oder Paten von neugeborenen Kindern zur Teilnahme eingeladen, sondern auch andere Spendende», erklärt Co-Initiantin Ruth Sutter. Nach den Pflanztagen im Frühling und Herbst bereichern die Bio-Bäume die Belper Flora. Es sind einheimische Laubbäume wie Linde, Nuss oder Eiche oder Hochstamm-Obstbäume. Von letzteren seien über 40 Vogelarten, diverse Insekten und auch Fledermäuse abhängig, so Sutter. Die Bäume gehören ab Pflanzung dem Grundstückbesitzer, der sich im Gegenzug zur Pflege des Baums verpflichtet. Bäume dürfen mit einer Beschriftungstafel versehen werden und die Spendenden dürfen die Pflanzung mit einem kleinen Zeremoniell verbinden. Es gibt mehrere Standorte für die jungen Bäume, sowohl in Belp wie auch auf dem Belpberg.