Weissstörche, Rotschenkel oder Blaumeisen

Weissstörche, Rotschenkel oder Blaumeisen

Der Gurnigel ist international bekannt zur Beobachtung des Herbst-Vogelzugs. An einem guten Zugtag überqueren unzählige Greif- und Singvögel die Passhöhe auf ihrem Weg in den Süden. Wir haben mit Barbara Bosco, Präsidentin des Natur- und Vogelschutzvereins Steffisburg und Parkbotschafterin, darüber gesprochen.

Barbara Bosco, was macht für Sie die Vögel besonders interessant?
Wenn du Vögel und ihren Lebensraum schützt, schützt du die ganze Natur, weil alles vernetzt ist. Zudem sind Vögel absolut faszinierend, interessant und gute Botschafter für Naturanliegen.
 
Was macht Ihr Verein und was beinhaltet Ihre Arbeit?
Wir bieten Exkursionen und Vorträge zu verschiedenen Themen an, fördern Schwalben und Segler mit Nisthilfen und unterhalten über 100 Nistkästen für Meisen, Gartenrotschwanz, Waldkauz und Dohlen. An zahlreichen Arbeitseinsätzen werten wir Waldränder auf, pflegen und unterhalten ein «Glögglifrosch»-Biotop, pflegen eine vor fünf Jahren angepflanzte Hecke und natürlich unser bisher grösstes Projekt, unser Mustergarten an der Zulg. Dort zeigen wir, wie ein Naturgarten aussehen kann und was da alles kreucht und fleucht. Meist sind unsere Einsätze gut belegt und es ist immer schön und befriedigend, zusammen für etwas mehr Natur zu schwitzen.

Wie kam es zu der engen Zusammenarbeit mit dem Naturpark Gantrisch?
Vor elf Jahren war ich mit Willy Jakob, einem befreundeten Ornithologen, bei der alljährlich stattfindenden Birkhahn-Zählung dabei und lernte den Naturpark nochmals anders kennen und schätzen. Mittlerweile bin ich Mitglied der «Avifaunagruppe» und für die Birkhähne zuständig, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Und natürlich bin ich jeden Herbst mehrere Tage auf der Wasserscheide, um die Faszination Vogelzug zu erleben. Ich möchte aber nicht nur «konsumieren», sondern mich aktiv einsetzen für mehr Naturverständnis. Darum finde ich die Idee der Parkbotschafterinnen und Parkbotschafter sehr gut. 

Der Gurnigel (Wasserscheide) ist ein bedeutendes Gebiet für die Zugvogelbeobachtung im Herbst. Warum erscheinen Ihrer Meinung nach die Vögel dort so zahlreich?
Die Vögel fliegen hier vom Aare- und Gürbetal wie in einem Kanal über den Pass, es ist die niedrigste Erhebung und hat eine ideale Thermik. Weiter geht es dann Richtung Südwesten ins Rhonetal.

Welche Beobachtung auf dem Gurnigel war Ihr bisheriges Highlight?
Sicher einmal ein Trupp Weissstörche und mittendrin ein Schwarzstorch, ein rufender Rotschenkel ganz früh in der Dämmerung oder hunderte von Blaumeisen, so, dass ich das Piepsen abends immer noch in den Ohren hatte.

Wo und wie kann ich als Privatperson den Vogelzug beobachten?
Die Wasserscheide ist mit dem Postauto sehr gut erreichbar und es hat meist auch Ornithologen oben, die gerne ihr Wissen weitergeben. Ein Fernglas ist zu empfehlen. Jedes Jahr am ersten Wochenende im Oktober findet der internationale Zugvogeltag statt, wo unter anderen Orten auch die Wasserscheide mit Infoständen und Fachleuten dabei ist. 
 
Wo fliegen die Zugvögel hin im Herbst?
Es gib Teil-, Kurz-, und Langstreckenzieher. Der Buchfink zum Beispiel ist ein Teilzieher, da fliegen vor allem die Weibchen und Jungvögel Richtung Süden. Kurzstreckenzieher wie zum Beispiel die Mönchsgrasmücke überwintern im Mittelmeerraum und als Vertreter der Langstreckenzieher fliegt der Mauersegler über die Sahara in den südlichsten Teil Afrikas. Zugvögel vollbringen unglaubliche Leistungen, was für mich das «Wunder Vogelzug» ist.
 
Wie finden die Zugvögel den Weg dorthin und im Frühjahr wieder zurück?
Das Zugprogramm ist genetisch festgelegt, also angeboren. Sie brauchen die Sonne und die Sterne als Kompass. Wenn es bedeckt ist, benutzen sie das Magnetfeld zur Orientierung. Zusätzlich nehmen sie prägende Landmarken wie Gebirge, Flüsse oder Küsten als Leitlinien. Der Kuckuck findet so als alleine ziehender Jungvogel seinen Weg. Andere Vogelarten ziehen im Schwarm und lernen von älteren Vögeln, welches die besten Zugwege sind.
 
Welche Vogelarten verbringen den Winter im Süden und welche bleiben hier?
Alle Insektenfresser würden im Winter bei uns verhungern. Es ist also nicht die Kälte, sondern die ausbleibende Nahrung, die die Vögel in den Süden treibt. Typische Zugvögel sind die Schwalben und Segler, alle Grasmücken, die Nachtigall, Feldlerche, Singdrossel und viele mehr, die wir dann im Frühling wieder sehnlichst erwarten. Wenn wir im Winter ein Futterhaus aufstellen, können wir gut beobachten, welche Vögel hierbleiben und gerne die angebotenen Sonnenblumensamen vernaschen. Amsel, Spatz, Erlenzeisig und andere Körnerfresser können so den Winter hier überleben. Immer wieder gibt es auch Invasionen aus Skandinavien, wenn dort das Futter knapp wird. So verbrachten im Jahr 2020 circa fünf Millionen Bergfinken den Winter bei uns und labten sich an unseren Buchnüsschen.
 
Wie kann ich als Privatperson die Vögel im Naturpark Gantrisch unterstützen?
Mit einem naturnahen und giftfreien Garten mit einheimischen Beerensträuchern, stehengelassenen Samenständen und vielen insektenfreundlichen Blumen hilft man schon sehr. Wenn du im Naturpark unterwegs bist, sollte dir immer bewusst sein, dass du dich als Gast im Raum von vielen Mitlebewesen bewegst. Wenn du auf den Wegen bleibst und von dort aus beobachtest, fühlt sich das Tier ungestört und sicher und verliert keine unnötige Energie, um zu fliehen.

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Weissstörche, Rotschenkel oder Blaumeisen

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