«Ich muss heute noch lernen, wie ich ein Billett lösen kann! Die BLS will bald alles bargeldlos machen, da muss ich jetzt noch üben», verkündet eine der Teilnehmerinnen des «Lismiträffs» im Ökumenischen Zentrum Kehrsatz. Während sie an einem Schal strickt, wartet sie geduldig, bis jemand Zeit hat, mit ihr die besagte App anzuschauen und die Schritte einzuüben. Am Ende des Nachmittags ist nicht nur der gestrickte Schal länger geworden, sondern auch das Wissen der Teilnehmerin über den Gebrauch ihres Telefons hat sich vergrössert. Und ihr Gesicht strahlt.
Von L wie «Lisme» bis S wie Smartphone
«Mit dem Treff wollten wir erreichen, dass die Teilnehmenden mit ihren Fragen rund ums Smartphone eine Anlaufstelle finden, aber auch einen schönen Nachmittag zusammen verbringen können», so Noémie Hess, Praktikantin Fachstelle Alter, Integration und frühe Förderung der Gemeinde Kehrsatz. Dabei ist nicht nur das Smartphone zentraler Inhalt, sondern ebenfalls das gemeinsame Stricken sowie der Austausch und ein feines «Zvieri». Entstanden ist die Initiative, weil sich einige Seniorinnen gerne treffen wollten, um gemeinsam für das Projekt «Weihnachtspäckli» warme Schals und Mützen zu stricken. Von der Gemeinde Kehrsatz kam dann die Idee, damit gleich ein weiteres Bedürfnis der älteren Generation anzugehen – den Umgang mit dem Smartphone zu lernen. Ursprünglich hätten Jugendliche aus der Jugendarbeit für diese Aufgabe einbezogen werden sollen, da sich aber keine Möglichkeit fand, bei der sowohl die Seniorinnen wie auch die Jugendlichen Zeit hatten, wurde schlussendlich das Projekt Generationentandem aus Thun involviert. Nun ist ihr Praktikant für zwei Nachmittage im «Lismi-träff» dabei und beantwortet zusammen mit Noémie Hess die anstehenden Fragen, erklärt, wie man einen Termin in die Agenda schreibt, ein Ticket für den öV löst, mit Twint eine Rechnung bezahlt, fotografiert und telefoniert oder die E-Mails auf den Laptop herunterlädt. Nebenbei entstand Gestricktes für die Päckli, die nun in Polen um die Weihnachtszeit verteilt werden.
Voneinander lernen
Der Austausch zwischen den Generationen, das liegt auch Matthias Zbinden, Abteilungsleiter Kinder- und Jugendfachstelle Region Gantrisch, und Lisa Loretan, Altersbeauftragte des Vereins Altersnetzwerk Region Gantrisch, am Herzen. Beide arbeiten im Generationehuus in Schwarzenburg und sind immer wieder einmal im Austausch darüber, wie die beiden Generationen sich begegnen und einander helfen können. Dabei ist zum Beispiel ein Stand an der Infomesse 60+ entstanden, an dem die junge Generation die Fragen der älteren in Bezug aufs Smartphone klärte. Vor zwei Jahren wurde dieser Stand das erste Mal organisiert und regelrecht überrannt, so gross war das Interesse. Aus diesem positiven Erlebnis ist ein fixer Termin jeweils am Freitagnachmittag im kirchlichen Zentrum Toffen geworden. Dort treffen sich die Senioren und Seniorinnen jeweils nach dem Turnen im Café neben der Turnhalle und können dabei mit Jugendlichen, die über die Jobbörse der Kinder- und Jugendfachstelle gefunden wurden, ihre Smartphone-Fragen besprechen. Die Jugendlichen verdienen sich damit ein Sackgeld und lernen, geduldig mit den Fragen der älteren Kundschaft umzugehen, wie Zbinden augenzwinkernd erzählt. Besonders schön findet er, dass es für einmal die junge Generation sei, die Wissen vermittelt, es stärke ihr Selbstbewusstsein.
Einander begegnen ist wichtig
Begegnungsräume schaffen, das ist nicht immer einfach. Vielfach ist der zeitliche Faktor ein Problem: Die ältere Generation ist vorwiegend morgens und nachmittags unterwegs, die Jungen sind dann meistens in der Schule oder bei der Arbeit. Manchmal besteht auch kein Interesse oder es gibt Vorurteile gegenüber der anderen Generation, die Angst oder Bequemlichkeit lässt Termine platzen. Die Gefahr besteht, dass man unter seinesgleichen bleibt, zu Hause «versuurt» oder kein Verständnis für die anderen aufbringen möchte. Dabei wäre es wichtig, dass sich die verschiedenen Bevölkerungsschichten treffen und nicht isoliert unterwegs sind, sind sich Loretan und Zbinden einig. Vorurteile können so abgebaut und das gegenseitige Verständnis gestärkt werden. Denn eine Gesellschaft, die sich nicht mehr miteinander austauscht, ist eine verarmte Gesellschaft.
Über Sprache einander begegnen
Umso mehr freut es die beiden aus dem Generationehuus in Schwarzenburg, wenn es mit den Begegnungen klappt. So auch geschehen bei einem Sprachaustausch auf einem Schulhauspausenplatz im Bus der Jugendarbeit Boxfish. Die Schüler durften dabei den älteren Mitmenschen ihre Slang-Wörter erklären. Im Gegenzug erklärte die ältere Generation Begriffe, die die Jüngeren nicht mehr kannten. Ein Austausch, der beide Generationen zum Schmunzeln brachte, wie Loretan und Zbinden erzählen. Und sicherlich verstehen sie sich nun auch besser – nicht nur sprachlich, sondern auch in ihrer Art.