Von der Eiszeit zu Ackerbau und Viehzucht

Von der Eiszeit zu Ackerbau und Viehzucht

Unsere Böden wurden seit der letzten Eiszeit vor rund 12'000 Jahren bis heute gebildet. Die Moräne, von Gletschern abgelagertes Material, ist der Ursprung fruchtbarer Böden in tieferen Lagen. In höher gelegenen Regionen entwickelten sich aus Nagelfluh flachgründige Böden mit weniger Ertragspotenzial

Die fünf Faktoren, welche die Beschaffenheit des Bodens bestimmen, sind definiert: Neben der Zeit sind dies das Muttergestein, das Relief, die Lebewesen und das Klima. Andreas Chervet ist Ingenieur Agronom und arbeitet an der Fachstelle Boden des Kantons Bern. Er erklärt die Bodenbildung, die vor sehr langer Zeit ihren Anfang nahm, einem ständigen Wandel unterliegt und aus der sich letztendlich unsere Lebensgrundlage entwickelte. «Diese fünf Faktoren bestimmen, welche Bodenart sich an welchem Standort ausbildet. Die Bodenbeschaffenheit in der Schweiz ist sehr unterschiedlich.» Das Muttergestein bildet den Untergrund und ist das Ausgangsmaterial des Bodens. Es besteht aus festem Gestein oder aus Ablagerungen, beispielsweise Kies oder Sand. Den Einfluss des Klimas auf die Bodenbildung fasst Chervet so zusammen, dass sich in tiefer liegenden Regionen mit höheren Temperaturen tiefgründigere Bodenschichten aus dem Muttergestein entwickeln als in höheren Lagen. Je tiefgründiger ein Boden ist, desto höher ist seine Speicherkapazität für Wasser und Nährstoffe. Zum Einfluss, den das Relief bzw. die Topografie auf die Bodenbildung hat, sagt er: «Je höher und steiler eine Hanglage ausgeprägt ist, desto stärker führen Wind und Wasser zu einer Ablösung der Bodenpartikel, die als Ablagerung in oder nahe der Talsohle liegen bleiben.» Die Lebewesen schliesslich bestimmen den Humus, den organischen Anteil im Boden. Dieser reichert sich infolge der unvollständigen Zersetzung von pflanzlichen und tierischen Resten an. «Prägend für den organischen Anteil im Boden ist das Pflanzenreich», präzisiert der Experte.

Schnelle Austrocknung bei Hanglage
In den höheren Lagen der Region Gantrisch, wo man auf das Muttergestein Molasse mit der Ausprägung Nagelfluh stösst, lebt und arbeitet Alfred Zwahlen. Hier, nahe Guggisberg, führt er seit 32 Jahren als Landwirt den Hof Hostetten. Er tut das in der vierten Generation; im Gegensatz zu seinen Vorfahren ist er ausschliesslich Tierzüchter und betreibt keinen Ackerbau. «Wenn ein Hof über Generationen weitergeführt wird, ist der Boden die Grundlage dazu», weiss er, «im Gegensatz zu früheren Zeiten kann man den Boden nur noch bedingt durch die Bewirtschaftung beeinflussen». Diese werde erschwert durch extreme Einflüsse des Wetters, vor allem, wenn sie so oft wie in den letzten Jahren auftreten. Dass er auf Ackerbau verzichtet, hat auch mit der Topografie zu tun. «In unserer Gegend werden beispielsweise kaum mehr Kartoffeln angebaut. Oft sind die Hänge zu steil, um sie rationell zu bewirtschaften.» Ein Boden mit Nagelfluh als Unterlage fängt weniger Wasser auf. «Ein steiler Hang ist schneller ausgetrocknet», ergänzt Alfred Zwahlen und schätzt, «dass etwa zwei Drittel des Bodens, den wir bewirtschaften, zwar ackerfähig, aber eben zu steil oder zu kurvig sind». Es sei gut sichtbar, stellt der Bauer fest, dass Hänge mit tiefgründigem Boden viel länger grün bleiben als diejenigen, bei denen nur eine dünne Schicht Erde auf der Nagelfluh liegt.

Unterschiede in der Region
Diese Feststellung des Landwirts Alfred Zwahlen deckt sich mit den Erkenntnissen des Bodenkundlers Andreas Chervet: «Das Klima, die Topografie und der Boden sind die Grundlagen zum ‹bauern›.» Die unterschiedlichen Ausgangsmaterialien des Muttergesteins führten zu unterschiedlichen Böden. Dort, wo durch die Ablagerung der Gletscher Moränenmaterial vorhanden ist, wurde der Boden fruchtbarer: «Die Moräne ist ein gutes Ausgangsmaterial für die Bodenbildung.»
In den Regionen mit Nagelfluh hingegen bildeten sich Böden mit geringerer Fähigkeit zur Speicherung von Wasser und Nährstoffen, dadurch sind sie durchlässiger und weniger fruchtbar. Über alles gesehen, so der Bodenkundler, ist die Region für die Landwirtschaft nur bedingt geeignet. «Wäre das anders», ergänzt er, «wäre die Gegend dichter besiedelt und landwirtschaftlich intensiver genutzt worden.» Ein Untergrund, der zur Hangrutschung neigt, sowie der Umstand, dass die Region eines der am dichtesten bewaldeten Gebiete der Schweiz ist, unterstützt diese These. Dass der Landwirt Alfred Zwahlen seinen Hof auf die Tierproduktion ausrichtet, hat mit all diesen Faktoren zu tun. «Es gibt verschiedene Gründe, weshalb die landwirtschaftliche Vielfalt teilweise verloren ging. Die Beschaffenheit des Bodens und die Topografie bei uns machen die ackerbauliche Bewirtschaftung schwierig. Deshalb ist die Landwirtschaft hier oben stark auf die Tierhaltung ausgerichtet.»

Teilen Sie diesen Bereich

Beitragstitel
Von der Eiszeit zu Ackerbau und Viehzucht

Die meistgelesenen Artikel

Kontakt