Über Weiden und Wald geht der Blick weit bis zu den majestätischen Schneegipfeln der Drei- und Viertausender. Man wähnt sich auf einem übergrossen Balkon oder in der ersten Reihe eines grandiosen Schauspiels. Hier oben trotzen Markus Zwahlen und Irène Bertschi manchen Wetterkapriolen, aber auch den Stürmen des Lebens.
Markus Zwahlen ist in Schwarzenburg aufgewachsen. Auf Wunsch des Grossvaters half der gelernte Elektromechaniker auf dem Hof im Ottenleuebad mit und übernahm diesen 1984. Während sein älterer Sohn Janick die Sportmittelschule Engelberg besuchte, liess sich Olivier zum Zimmermann und zum Landwirt ausbilden. Er und seine Frau Martina sind stolze Eltern von Sandro und Fabian.
Weitsicht, Wind und Willenskraft
«Hier oben ist alles Berg», erklärt Markus Zwahlen. Er zeigt auf grosse Wald- und Weideflächen, an die 90 Hektaren Land und 60 Hektaren Wald. Doch der Schein trügt: Was im Unterland ein ansehnliches Gut darstellt, ist hier oben vor allem eines – steil, steinig, mühsam zu bewirtschaften. Der Stolz des Bauern ist das Vieh. Da macht der 62-Jährige keine Ausnahme. Seit 15 Jahren züchtet er erfolgreich die weltweit beliebte Rasse Simmentaler. Er war damals der 34. bernische Bauer, der auf Mutterkuhhaltung umstellte.
Kurz nach dem Erwerb des «Heimetli» Anfang 1992 wurde die Wohnung im Bauernhaus renoviert. 1995 wurde ein Laufstall angebaut und 2011 ein Mehrzweckgebäude mit Stall, Werkstatt und Büro errichtet.
Im Sommer 1992 startete Zwahlen mit der Trutenmast. Damit fiel der frühere Nebenerwerb auf dem Bau oder am Skilift weg. «Wir machen alles selber, von der Zucht übers Metzgen bis zum Verkauf», erklärt Zwahlen. Das Label «Natura Beef» verpflichtet, auch in der Kuhhaltung. Pro Jahr werden rund 15 Tiere geschlachtet. Zuvor geniessen sie gesunde Alpengräser und erfahren liebevolle Zuwendung. Trotz Erfolg blieb das intensive Engagement nicht ohne Folgen: «Im Sommer 2000 ging meine Ehe mit Gabriela kaputt», schaut Zwahlen zurück. Es war eine nicht einfache Zeit. In Irène Bertschy fand er eine neue Lebensgefährtin. Die Mutter von Sascha (30) und Ilona (28) lebt seit rund 15 Jahren auf dem Hof.
Im «Helly Hansen» Feuer machen
Panorama und Idylle können nicht darüber hinwegtäuschen: Das Leben «am Berg» ist anders. Meistens zieht’s ein wenig. Dafür hat’s selten Nebel. «Es wächst halt nicht alles hier oben», meint Zwahlen. In den Kriegsjahren wurden versuchsweise Kartoffeln, Weizen und Mais angepflanzt. Vieles muss zugekauft werden. «Wegen der langen Fahrt überlegt man sich zweimal, was man einkaufen will», erklärt Irène Bertschy. Die 57-Jährige schätzt die Gefriertruhe sehr. «Man arrangiert sich», ergänzt Martina. «… tuesch ifach chly angers hie obe.» Und die Winter? Sie dauern oft bis zu sieben Monate. Zwahlen erinnert sich ans Anfangsjahr 1984, mit kaum 3 Grad am Morgen: «Vor dem Anfeuern musste ich den Helly Hansen anziehen.»
Die nächste Generation übernimmt
Die Hofübergabe nächstes Jahr markiert ein wichtiges Ereignis. Olivier freut sich auf die neue Herausforderung. Sein Vater wird ihm als Angestellter oder Geschäftsführer assistieren. Olivier stellt klar: «Letztendlich hat der Chef das letzte Wort!» «Doch der Chef ist gleichzeitig noch mein Sohn», ergänzt Vater Markus lachend. «Es ist schwieriger aufzuhören als anzufangen», sinniert er. Und tröstet sich gleich selber: «Aber der Schritt ist nicht so gross, wie wenn man in der Not Tiere verkaufen muss.» Für den Jungbauern Olivier ist Ackerbau kein Thema. Er möchte den Betrieb so weiterführen, wie er ihn von seinem Vater Markus übernehmen wird. Vorerst aber freuen sich alle an der spätsommerlichen Wärme, die in dieser Höhenlage recht angenehm ist. Und überhaupt: «Aus allem das Beste machen» ist ein Lebensmotto von Markus und Irène. «Wir fühlen uns wohl hier. Es sind oft die kleinen Sachen im Leben, die zählen», ergänzt Martina. So glücklich, wie sie aussehen, glaubt man es gern.