Baukultur ist ein umfassendes Konzept: Was wir bauen, wie wir bauen und wie sich Gebäude in ihre Umgebung einfügen –
aber auch wie wir mit dem bereits Gebauten umgehen. Gestern, heute und auch in der Zukunft. Um dieses Konzept etwas verständlicher zu machen, startete das Forum Baukultur mit drei Exkursionen in der Region Schwarzenburg.
Exkursionen sagen mehr als 1000 Worte
Die Teilnehmenden besichtigten ein Tätschdachhaus in Rüschegg, welches durch eine gekonnte Sanierung zu einem modernen Wohnhaus innerhalb der alten Strukturen umgestaltet wurde. Alte Türen, Balken und Kamine blieben erhalten und bilden einen heimeligen Kontrast zu der neuen Küche und den offenen Räumen.
Die zweite Exkursion führte zum Depot des Museums für Kommunikation in Mamishaus. Das Gebäude des ehemaligen Kurzwellensenders Schwarzenburg wurde so saniert, dass mit möglichst wenig Energie ein gutes Raumklima zum fachgerechten Aufbewahren der Museumssammlung ermöglicht wird. Die Erweiterung von 2014, ein preisgekrönter Bau des Architekten Patrick Thurston (welcher ebenfalls den in der Region bekannten Gäggersteg geplant hat), nutzt die Eigenschaften von Holz, um die Feuchte der Räume zu regulieren und ist ein Vorzeigebeispiel für nachhaltiges Bauen. Schon vor 10 Jahren hat es die passive Sonneneinstrahlung mit Photovoltaik und Klimaregulation im Innern durch die grosse Masse des Bodens kombiniert.
Die Teilnehmenden der dritten Exkursion besuchten das Rosalia-Wenger-Haus in Schwarzenburg. Das Haus, in welchem das Verdingkind Rosalia Wenger einen Teil ihrer Kindheit als Dienstmädchen arbeiten musste, wurde vom Architekturbüro Freiluft saniert und energetisch optimiert. Die Architekten legten hohen Wert auf die historische Bausubstanz und sanierten das Haus mit grosser Sorgfalt, um gleichzeitig den Charme und die Geschichte des Hauses zu bewahren und ihm eine neue Zukunft zu geben.
Fachtagung mit Format
Die Leiterin der kantonalen Denkmalpflege, Tatiana Lori, eröffnete das Forum und betonte, dass zwischen Klimaschutz und Denkmalpflege kein Widerspruch bestehe. Beide tragen zur nachhaltigen Entwicklung und zur Schonung von Ressourcen bei. Zudem dürfe die Region zu Recht stolz auf ihre lange gepflegte Baukultur sein.
Ganzheitliche Ansätze für Renovationen unter dem Aspekt der Kreislaufwirtschaft brachte Prof. Friederike Kluge den Teilnehmenden näher. Sie zeigte, wie wichtig es ist, dass bei einer totalen Sanierung eines Gebäudes immer auch zukünftig Nutzungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Raumaufteilungen mitgedacht werden. Anschlüsse und Raumerschliessungen sollten so geplant werden, dass eine flexible Nutzung des Gebäudes langfristig gewährleistet ist. So kann z.B. ein Büro später zu einer Wohneinheit umgenutzt werden: Hätte man diese Lösung schon vor 30 Jahren gedacht, sähe es in Punkto Wohnungsknappheit in verschiedenen Schweizer Städten heute ganz anders aus!
Einen praktischen Einblick bot Heinz Friedli von 3S Swiss Solar Solutions. Er zeigte eindrucksvolle Beispiele, wie Solardächer in baukulturell wertvolle Häuser integriert werden können, ohne deren historische Optik zu beeinträchtigen. Die im Kanton Bern hergestellten, in verschiedenen Farben erhältlichen Module erfüllen dabei oft denkmalpflegerische Vorgaben und können somit in vielen Projekten angewendet werden.
Lebendiger Austausch
Im Fokus des Austausches stand die einzigartige regionale Baukultur des Naturparks Gantrisch – vom historischen Gebäude, bis zur modernen Architektur – die nicht nur das Landschaftsbild prägen, sondern auch Identität stiften. Das Fazit dieser Diskussionen: Es braucht ein Umdenken. Ältere Bauten dürfen, auch wenn sie nicht geschützt sind, nicht länger einfach abgerissen werden. Die Deponien sind voll, und auch Ressourcen wie Sand für Beton sind nicht endlos. Die Herstellung von Beton braucht zudem enorm viel Energie, die als «graue Energie» in den Gebäuden gespeichert bleibt. Berechnet man diese mit, ist es oft sinnvoller, ein älteres Gebäude zu sanieren und die Energieeffizienz stufenweise zu verbessern, als ein neues Gebäude mit der höchsten Energieklasse zu bauen. Zudem muss es möglich werden, die Kreislaufwirtschaft in der Baubranche stärker zu verankern – z.B. mit Bauteilbörsen. Eigentlich eine alte Idee, welche aber in unserer schnelllebigen Zeit in Vergessenheit geraten ist.
Baukultur: Respekt vor dem Bestand, Zukunft im Blick
Am Forum wurde deutlich: Der bewusste Umgang mit Ortsbildern und die Wiederverwendung von Materialien schaffen nicht nur einen Beitrag zur Nachhaltigkeit, sondern bewahren auch den kulturellen Charakter der Region. Das erste Forum Baukultur hat dies den Teilnehmenden eindrücklich vor Augen geführt. Weitere Anlässe werden folgen, um das Bewusstsein bei verschiedenen Akteuren zu stärken: Nicht als theoretisches Konzept, sondern lebensnah, draussen mit Respekt vor dem Bestand und mit der Zukunft im Blick. So möchte es der Naturpark gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteuren vorleben.