«Nicht wichtiger. Aber gewählt.»

«Nicht wichtiger. Aber gewählt.»

Benjamin Marti, SVP-Grossrat seit zweieinhalb Jahren, ist seit 2012 im Belper Gemeinderat und seit 2017 Gemeindepräsident. An den letzten Wahlen stellte er sich nicht mehr zur Verfügung. In seine Amtszeit fällt die Sanierung zweier Schulhäuser – eine davon erfolgreich, die andere noch ausstehend – und eine weitere grosse Abstimmungsniederlage. Aber auch die Modernisierung der Verwaltung, noch dazu während einer Pandemie – und ein Engagement, das in Werteüberzeugungen gründet.

Durch das wandfüllende Luftbild hat Benjamin Marti seine Gemeinde jederzeit vor Augen. Zum Fenster hinaus fällt der Blick auf die wartende S3 nach Bern. «vorORT – vorBILD – vorBERN», so der Slogan zum neuen Leitbild von Belp, das der Gemeinderat 2018 vorgestellt hatte. Seit anderthalb Jahren stand Marti da der Exekutive vor. «Eine engagierte Gemeinde im Vorwärtsgang» sei Belp, heisst es einleitend im Leitbild, die Entwicklung sei dynamisch und basiere «auf einem nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen Finanzen und Wirtschaft, Bildung und Soziales, Infrastruktur und Umwelt». Heute, eine globale Pandemie und mehrere kommunale Abstimmungen später, steht Marti kurz vor seinem letzten Tag im Amt und schaut zurück auf die vergangenen acht Jahre.

Zwei Schulen, zwei Richtungen

Das deutliche Nein der Belper Stimmbevölkerung zum Neubau der Schule Mühlematt Ende November 2022 sowie zur Ortsplanungsrevision (OPR) Ende September 2021 wird oft als erstes erwähnt, wenn es um Martis Amtszeit geht. Dabei hatte er, als er 2012 als Gemeinderat und Ressortverantwortlicher Liegenschaften und Finanzen anfing, ebenfalls mit einem Schulhaus zu tun. Die Schulanlage Neumatt musste dringend saniert werden: «Es gab einen Moment, als das Projekt zu scheitern drohte.» Nun ist es eines der wichtigsten Projekte, das während Martis Zeit im Gemeinderat und als Gemeindepräsident umgesetzt werden konnte. Dass dem so ist, ist zu einem grossen Teil auch ihm zu verdanken. «Alles hat damals zusammengespielt, sodass wir innert kurzer Zeit eine Wende herbeiführen konnten», sagt er rückblickend. Dass es beim Mühlematt so diametral anders kam, beschäftige ihn bis heute stark. Klar: «Als ich zum ersten Mal den Betrag von 80 Mio. Franken hörte, kam er mir auch als zu gross für uns vor.» Doch: «Je mehr wir uns damit beschäftigten, umso mehr war ich davon überzeugt, dass es möglich ist.» Schliesslich würde das Projekt über eine lange Zeit realisiert. Eine Zeit, in der noch viel an Feinjustierung möglich ist.

Aktiv für Erneuerung

Und ganz grundsätzlich: «Bei uns Menschen funktioniert die Erneuerung über Generationen hinweg von selbst. Jedes Jahr stirbt etwas mehr als 1 % der Bevölkerung. Während meine Haare grauer werden, ist meine Tochter mit dem dritten Kind schwanger. Bei der Infrastruktur hingegen müssen wir aktiv für Erneuerung schauen.» Eine solche Planung sei eine Kernaufgabe der Gemeinde, das habe er bei seinem Amtsantritt erst recht realisiert. Umso mehr habe er sich dafür einsetzen wollen, dass Veränderungen in der Gemeinde als gesunde Entwicklungen gesehen werden, selbst wenn sie das persönliche Lebensumfeld betreffen. Nachdenklich fügt er an: «Vielleicht hat die Art und Weise, wie ich das an die Leute zu versuchen bringe, Widerstand provoziert, anstatt Verständnis ausgelöst.» Einem Geschäft einen Sinn geben: Das ist eine der Kernaufgaben eines Gemeindepräsidenten. «Ich habe leidenschaftlich gern und auch intensiv probiert, möglichst im direkten Kontakt mit den Menschen, ein Bild einer lohnenden Veränderung zu malen und einem Geschäft einen Sinn zu geben.»

Verantwortung übernehmen

Direkte Begegnung: ein Thema, das Benjamin Marti am Herzen liegt. «Als Gemeindepräsident steht man oft im Zentrum. Ich setze mich gerne für das Zusammenleben der Menschen ein.» Als er Anfang 40 den Landwirtschaftsbetrieb aufgab, kommentierte seine Schwiegermutter spontan: «Bis jetzt hast du für die Kühe gearbeitet, jetzt arbeitest du für die Menschen.» Kurz nach dem Erscheinungstag dieser Ausgabe wird er seine letzte Gemeindeversammlung leiten. «Ich mag diese Abende», sagt er, «vor allem dann, wenn die Menschen einander gegenseitig annehmen und auf dieser Ebene miteinander debattieren.» Diese Auseinandersetzung mit politischen Themen fing beim jungen Marti schon in seinen frühen Zwanzigern an. Als er seinen Bauernbetrieb übernahm, gehörte die Mitgliedschaft zur SVP beinahe automatisch mit dazu. «Vermutlich bin ich für die SVP etwas zu ökologisch eingestellt», so der passionierte Fahrradfahrer. Aber er erlebe die Partei sowohl im Kanton wie auch in Belp als eine, die Verantwortung übernimmt. «Es hat immer noch viel, womit ich mich identifiziere.» Sein Mandat als Grossrat erlebt er als ganz anders als die Arbeit im Gemeinderat. «Dort weicht man besser nicht zu häufig von der Fraktionsmeinung ab, man muss gut verankert sein, um wirkungsvoll zu grossrätlen.» In Belp hingegen sei die Parteizugehörigkeit zweitrangig. Aktuell setzt er sich etwa dafür ein, dass der Regionale Sozialdienst grössere Räumlichkeiten erhält.

Es wäre ein weiterer Schritt zur Modernisierung der Verwaltung. Diese gehört zu den wesentlichen Meilensteinen von Martis Präsidentschaft. «Auch bei uns wurde es in den vergangenen Jahren schwieriger, geeignete Leute zu finden», gibt er zu. Umso wichtiger sei es gewesen, den Betrieb zu modernisieren. «So können wir nun viel effizienter Dienstleistungen für unsere Bürgerinnen und Bürger erbringen und eine Wirkung gegen aussen erzielen.» Überhaupt sei die Rolle der Gemeinde Belp in gesellschaftlichen Themen eine aktivere als früher. «In diesem Bereich sind die Bedürfnisse massiv gewachsen.» Klar, man könne immer noch mehr tun. Doch manchmal fehlten schlicht die Ressourcen. Die Pandemie habe jedoch deutlich gemacht, dass sich die Gemeinde für die Gesellschaft engagieren müsse.

«Mit meinen Werten prägen»

Marti ist gläubiger Christ. «Die christlichen Werte beeinflussen sicher auch meine Politik», sinniert er. Einer seiner Lieblingssätze aus der Verfassung sei seiner Meinung nach vom Evangelium inspiriert: «Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der Schwachen.» Gerade als Bürgerlicher sei er immer motiviert gewesen, diese Grundhaltung zu leben. Anwenden konnte der oberste Belper dies zum Beispiel im Juli 2021: Eine Gruppe von ausländischen Fahrenden hatte sich auf einem Parkplatz beim Flughafen niedergelassen. Marti verhandelte an vorderster Front und schaffte es, eine Lösung herbeizuführen. «In den Fahrenden habe ich, analog zu den Jüdinnen und Juden, ein anerkanntes Volk gesehen, das Anspruch auf Schutz hat.» Manche Leute hätten sich darüber aufgeregt. «Aber das sind Momente, wo es wirklich auf die Werte des Gemeindepräsidenten ankommt.» Und er betont: «Ich bin nicht wichtiger als die anderen. Aber ich wurde gewählt und wollte mein Amt deshalb mit meinen Werten prägen.»

Ob das Belp der letzten Jahre als «engagierte Gemeinde im Vorwärtsgang» bezeichnet werden kann, kann diskutiert werden. Die S-Bahnen von und nach Bern kommen an und fahren wieder ab, vor Martis Büro dominiert Bewegung und Verbundenheit. Er selbst wird seine Siebensachen packen, der Raum wird voraussichtlich zum Sitzungszimmer umdefiniert. «Das einzig Beständige ist der Wandel»: ein Satz, den Benjamin Marti im Gespräch zitierte. Er hat viel angestossen, manches erreicht. Und wird seine Werte nun andernorts einbringen.

Teilen Sie diesen Bereich

Beitragstitel
«Nicht wichtiger. Aber gewählt.»

Die meistgelesenen Artikel

Kontakt