Mit Bauchgefühl und Gottvertrauen

Mit Bauchgefühl und Gottvertrauen

Aufgeregt laufen die Wollschweine auf den Zaun zu. Sehen sie Anna oder Christian Böhlen, gibt es meist etwas zu fressen. Nebenan schaukeln die Leinblüten im Wind, die Lupinen reifen an der Sonne.

Viele kennen Böhlens vom Muriboden.
Die Eltern führten einen klassischen Milchbetrieb, Tochter Anna und ihr Mann Christian Böhlen-Gutknecht betreiben nun bereits in der 5. Generation den Hof ausserhalb Riggisbergs. Das dazugehörige Land ist überschaubar: etwas Hafer, Gerste, Dinkel, Grasland, links die Lupinen, der Mohn – und die Leinsamen. Der Lein: Unter anderem damit gewannen Böhlens 2016 den Innovationspreis des Naturparks Gantrisch in der Kategorie Ökologie. «Aus einem Streifen Lein am Rand wurde bald ein ganzes Feld», erzählt Anna Böhlen. Obwohl als Bauerntochter aufgewachsen, bezeichnet sie sich als völlige Quereinsteigerin. Eher spät wurde ihr und ihrem Mann klar, dass sie sich eine Hofübernahme vorstellen können. «Mal probieren», dachten sie, und liessen sich per Nebenerwerbskurs NEK und Bäuerinnenschule respektive Zweitlehre ausbilden. «Uns beiden gefällt das Draussensein, die Arbeit mit den Tieren, der Ackerbau», schwärmt die Jungbäuerin. Dies ist aber noch nicht alles: Dank Direktvermarktung und einem gut laufenden «Schlafen im Stroh» kommt auch der Kontakt mit Menschen nicht zu kurz.

Freiland und bio – aber nicht zertifiziert
Inzwischen leben über 40 Wollschweine in ihrem grosszügigen Freilandgehege. «Wahnsinnig saubere und intelligente Tiere» seien das, erzählt Anna Böhlen. Schweine seien wohl «die am meisten falsch gehaltenen Tiere der Schweiz». Bei Böhlens scheint es ihnen wohl zu sein: Platz zum Wühlen, sich Suhlen und Rückzugsorte gibt es genug. Ein bis anderthalb Jahre dürfen sie hier aufwachsen, bevor sie geschlachtet werden.
Zum Hof gehört auch Rhätisches Grauvieh: sechs Mutterkühe mit ihren Kälbern. «Das ist eine alte, robuste Rasse», erklärt Anna Böhlen. Dennoch seien sie eher klein, so biete der alte Stall genug Platz.

Das blaue Meer der blühenden Leinpflanzen im Frühsommer beeindruckt immer wieder. Doch auch nebenan wächst Erstaunliches heran: Die Lupine, hierzulande noch kaum bekannt, ist eine in Deutschland bereits zum Trend gewordene Hülsenfrucht. Auch als «Soja für unsere Breitengrade» bezeichnet, strotzt sie vor Eiweissreichtum und ist vielseitig verwendbar: Suppen, «Hummus», als Beilage in Salaten – oder als knuspriger Apéro-snack.
Praktisch alles wird biologisch angebaut und verarbeitet; ein Label ist dennoch nicht zu finden – noch nicht? «Wir wollen es uns noch überlegen», so Böhlen. Das junge Ehepaar arbeitet hart und viel und am liebsten nach eigenen Grundsätzen, nicht nach dem Schema eines Zertifikates. Auf der anderen Seite würde ihnen die «Knospe» den Zugang zu einem wichtigen Markt eröffnen.

Einsatz gibt (hoffentlich) Umsatz
Am liebsten verarbeiten Böhlens, die vor anderthalb Jahren zum ersten Mal Eltern wurden, ihre Produkte selber. Dies ist nicht immer einfach: Die Mohnsamen sind sehr klein, Haferentspelzer schwer zu finden. Und auch hier: Oft ist es für Mühlen, Weiterverarbeiter und Grossverteiler billiger, Bio-Hafer oder -Lein aus dem Ausland zu importieren, als Böhlens die verhältnismässig kleinen Mengen abzukaufen. Darum setzen sie vorerst auf direkte Kontakte: Bäckereien in der Region, Unverpacktläden in Bern, eigener Hofladen, Wirtinnen und Wirte. Einmal pro Monat gibt es Leinöl frisch ab Presse – es weist ein ausgezeichnetes Verhältnis der wichtigen Omega 3- und 6-Fettsäuren auf. Die Lupinen werden im Bistro der Dittligmühle als einheimischer «Hummus» angeboten oder in der Toffener Kaffeerösterei Gold-Bach zu Getreidekaffeebohnen geröstet. Ein vielfältiges und reiches Angebot, das Böhlens erwirtschaften. Alles ist arbeitsintensiv und zum Teil noch unbekannt. «Wir sind zu klein zum Überleben, aber zu gross zum Sterben», lacht Anna Böhlen. Dennoch wirkt sie zuversichtlich. Sie kennt das Potenzial ihrer Tiere und Pflanzen und weiss um ihren Durchhaltewillen und den ihres Mannes.

Pilgerinnen und Wanderer, die auf der Strohbühne übernachten, finden auf einem Barfusspfad mit anschliessendem Fussbad aus regionalen Blüten Erholung; am Morgen steht ein Frühstücksbuffet mit regionalen Produkten bereit. Und so wünscht man Böhlens, dass sich ihr Mut und ihr harter Einsatz ebenso in Anerkennung wie in Umsatz auszahlen.

www.muriboden.ch

Teilen Sie diesen Bereich

Beitragstitel
Mit Bauchgefühl und Gottvertrauen

Die meistgelesenen Artikel

Kontakt