Morgens um sechs Uhr wird der am Vortag bestellte Salat geschnitten. Zusammen mit weiteren Produkten liegt er schon wenige Stunden später in einer Gemüse-
kiste vor der Haustür der Kundschaft: Frischer und bequemer geht es kaum!
Was visionär tönt, ist bei Familie Riem in Kirchdorf schon seit rund fünf Jahren möglich. War es am Anfang eine wöchentlich versandte Excel-Liste für Freunde und «Freunde von Freunden», ist daraus seit März 2019 ein moderner Onlineshop entstanden.
Eigene Erzeugnisse wie Kartoffeln, Rüebli, Salate oder Eier und Suppenhühner gehören genauso zum grossen Sortiment wie Produkte von Betrieben aus der Umgebung: Früchte von Messerli’s Bioobst, Milchprodukte der Käserei Noflen oder Mehl der Dittligmühle. Aber auch Tofu und Seitan aus Frutigen können bestellt werden, Zitrusfrüchte aus spanischem Direktimport, zahlreiche Biofarm-Produkte aus Kleindietwil und vieles mehr. Was aber allen gemein ist: Sie tragen das «Bio Knospe»-Label und kommen möglichst aus der Region.
Am Dienstag fahren zwei mit Solarstrom vom Hofdach betriebene Lieferwagen in die Region Thun, am Freitag liefern sie die grünen Kisten in der Region Bern aus. Gut 50 Gemüseharassen werden pro Tour verteilt. Vom Fuss des Niesens bis an den Wohlensee, von Riggisberg bis Grosshöchstetten: Ab einem Mindestbestellwert von 30.- Franken wird gratis an die Haustür geliefert.
Was für den Kunden bequem ist, bedeutet für Philippe Riem und sein Team grossen Einsatz. «In den letzten vier bis fünf Jahren arbeitete ich oft 70 Stunden pro Woche», erzählt der junge Landwirt. Dabei hatte sich das Wachstum ohne Werbung und organisch ergeben: Mund-zu-Mund-Propaganda und Gespräche an den Marktständen führten zu Neukunden, die steigende Nachfrage erweiterte das Angebot. Ursprünglich waren nämlich nur hofeigene Produkte erhältlich.
Fairness über Profit
Seit dem 16. Jahrhundert führt die Familie Riem den Hof in Kirchdorf. Von Philippe Riem und seinen drei Geschwistern wollte eigentlich niemand den Hof der Eltern übernehmen. Der Vater produzierte hauptsächlich für die Grossverteiler: Rüebli, Randen, Kartoffeln. «Für mich wäre das nicht vorstellbar», sagt Philippe Riem. Zu sehr sei man vom Seeland und dem Thurgau abhängig, zu wenig interessant wäre die Arbeit. So lernte er Polymechaniker. Erst durch eine – inzwischen überstandene – Krankheit des Vaters kam er zur Landwirtschaft. «Ich bin gern herausgefordert», sagt der 32-Jährige. Mit seiner Frau und den inzwischen zwei Kindern führt er nun den Hof in 16. Generation. Der e-Hofladen und Lieferdienst sind neu, nicht aber die Arbeitsweise und Grundwerte: «Als Mitte der 80er Jahre die Spritzerei zum Trend wurde, stellte mein Vater direkt auf biologische Landwirtschaft um», erzählt Philippe Riem. Sein Grossvater hatte noch mit Pferden den Acker bestellt. Immer schon war dem Boden Sorge getragen worden, und auch heute geht es den Riems nicht um Profit um jeden Preis. «Ich will fair sein gegenüber meinen Angestellten, meinen Kundinnen und Kunden und gegenüber meinen Lieferanten», betont der Jungunternehmer. Mit dem neuen Shop halte sich der administrative Aufwand im Rahmen und man habe Kapazität für Neukunden, aber «wir wollen eine Grösse beibehalten, die mit unserem Lager und unseren Feldern machbar ist.»
Partnerschaften und Nachhaltigkeit
Nebst Unternehmertum, Arbeitsstunden und einer steigenden Nachfrage nach Bio-Produkten «vom Bauern um die Ecke» ermöglichte auch eine Fügung des Schicksals das Wachstum zur heutigen Grösse: Anfang 2018 gingen Bühlers vom Biohof Geist in Gurzelen in Pension. Seit 25 Jahren schon hatten sie nebst ihrem Marktstand in Thun auch einen Hauslieferdienst in Thun und Umgebung betrieben. Auf ihre Anfrage hin konnte Philippe Riem ihren Kundenstamm und Marktstand übernehmen.
Inzwischen sind bei Riems zwölf Leute angestellt – von vier Stunden pro Woche bis zum 100%-Pensum. Auch die Eltern helfen nach wie vor tatkräftig mit. Ob sich der Aufwand finanziell lohnt, muss erst noch berechnet werden – wenn mal Zeit dafür bleibt. Aber Philippe Riem schätzt sich glücklich, den geschichtsträchtigen Hof in eine moderne Zukunft führen zu dürfen, in der die Konsumentinnen und Konsumenten kritischer sind und bewusster einkaufen und in der vieles digital abläuft. Seine Preise seien in etwa gleich oder sogar günstiger als Schweizer Bioprodukte im Grossverteiler. Weitere Partnerschaften mit Betrieben aus der Region sind schon angedacht oder bereits aufgegleist, aber das Wachstum soll sich natürlich entwickeln. Alles, was er verkauft, soll entweder frisch auf seinen Feldern wachsen oder ansonsten lagerbar oder lieferbar sein. Und immer sollen bei einem Produkt bzw. von dessen Produzentin oder Produzent die Grundgedanken von Riems geteilt werden: Nachhaltigkeit vom Saatgut bis zur Fruchtfolge, sozialer und fairer Umgang untereinander, keine Preisdrückerei, sondern anständige Preise auch für Lieferanten.
www.bioriem.ch