Stark und mutig ist nicht, wer Mobbing-Handlungen ausführt, sich zum Mitmachen und Mitlachen hinreissen lässt oder wegschaut. Mutig ist, wer sich entscheidet, hinzuschauen und gezielte Schritte einleitet, Mobbing zu unterbinden. Da Mobbing fast ausnahmslos in der Schulklasse beginnt, muss auch an den Schulen gehandelt werden. Opfer von Mobbing sprechen selten von sich aus darüber. Sei es aus Angst vor noch heftigeren (Rache-) Attacken, nicht ernstgenommen zu werden, als Petze zu gelten oder aus Scham – ein erster Schritt ist, dass man Schüler zum Melden von Mobbing-Vorfällen ermutigt. Und dies setzt die Bereitschaft zum Hinschauen voraus. Es ist von grösster Wichtigkeit, dass Lehrpersonen, denen von Mobbing-Fällen berichtet wird oder die sie selber aufdecken, Unterstützung vom Kollegium und der Schulleitung erhalten. Eine klare Anti-Mobbing-Schulkultur ist ein erster Schritt.
Bettina Dénervaud (Lerncoach und Dozentin) und Pascal Kamber (psychosozialer Berater) wurden bei ihrer Arbeit immer wieder mit Mobbing konfrontiert und haben festgestellt, dass zu diesem heiklen Thema an den Schulen viel Nachholbedarf besteht. Im Jahr 2019 haben sich die beiden entschlossen, ihre Fachstelle «Hilfe bei Mobbing» zu gründen. Seitdem sind sie mit viel Engagement an Schulen tätig, sei es in Form von Prävention, Interventionen bei laufenden Mobbingfällen, Lehrerfortbildungen, Vorträgen und Beratungen für Eltern und Schulen, fachlicher Begleitung und Coachings von Lehrpersonen sowie Klassenbegleitungen. Ebenso bieten sie telefonische Beratung für Eltern an, die oft verzweifelt sind und sich machtlos fühlen und verständlicherweise nicht wissen, wie sie ihr von Mobbing betroffenes Kind unterstützen können.
Wir versuchen Ihnen im Folgenden nun aufzuzeigen, wie sich ein Mobbing-Kon-strukt zusammensetzt, wie Sie Mobbing von einem Konflikt unterscheiden können und wie Sie bei Verdacht auf Mobbing handeln sollten.
Jeder kann Opfer von Mobbing werden. Es hängt nicht unbedingt von bestimmten Eigenschaften, der Herkunft oder der Verhaltensweise ab.Oft gehen wir in der Gesellschaft davon aus, dass ein Mobbing-Opfer schwach, wenig selbstbewusst, ängstlich, unfähig ist, sich zu wehren, oder eine körperliche Einschränkung hat. Dieses Bild eines Mobbing-Opfers wird aber von der Wissenschaft nicht bestätigt. Es zeigt sich, dass es jedes Kind oder jeden Jugendlichen treffen kann.
Mobbing
Verdeckte Aktionen
Mobbing-Handlungen sind für Lehrkräfte und andere Erwachsene häufig nicht direkt zu erkennen, da die Akteure ihre Aktionen und Handlungen verdeckt durchführen. Für die Klassenkameraden allerdings ist das Geschehen meist gut sichtbar. Mobbing-Handlungen werden dann offen ausgeübt, wenn die Akteure sich relativ sicher sein können, dass seitens der Schule nicht interveniert wird.
Permanenter Machtmissbrauch
Die dauerhaften Schikanen sind konstituierend für ein Geschehen, das treffend mit Mobbing bezeichnet werden kann. Isolierte einzelne Übergriffe und Schikanen sind unangenehm, aber wegen der ausbleibenden Wiederholung nicht ausreichend, um ein Mobbing-System zu entwickeln.
Lösungen werden nicht gesucht
Mobbing hört normalerweise nicht von selbst auf. Es geht den Mobbing-Akteuren nicht um die Lösung eines Problems, auch dann nicht, wenn ein Konflikt am Anfang der weiteren Entwicklung stand. Eine Lösung würde den Gewinn gefährden, den sie aus den wiederkehrenden Aktionen ziehen: Anerkennung, Machterfahrung, Sicherheit, nicht selbst zum Opfer werden. Die Mobbing-Akteure setzen ihre Übeltaten fort, selbst wenn seitens der Betroffenen ein Rückzug und keine Gegenwehr erfolgt. Die Akteure brauchen den kontinuierlichen Beweis ihres überlegenen Status, den sie aus ihren Handlungen gewinnen.
Konflikt
Offene Aktionen
Schüler «verstecken» ihre Konflikte untereinander meist nicht. Sie tragen ihren alltäglichen Streit offen vor den Augen der Lehrkräfte und ihren Mitschülern aus. In Konflikten, die sich zuspitzen und weiter eskalieren, erfolgen sogar aggressive Angriffe schulöffentlich.
Begrenzter Machtmissbrauch
Auch in Konflikten kann Macht in negativer Weise genutzt werden, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Ist dieses Ziel erreicht, sind auch die Angriffe beendet.
Lösungen werden gesucht
Konflikte enden üblicherweise, nachdem sie ausgetragen wurden und eine Lösung gefunden ist. Diese muss nicht zwangsläufig konstruktiv sein, und es müssen auch nicht alle Beteiligten damit zufrieden sein. Auch Gewinner-/Verlierer-Ergebnisse sind möglich. Von Bedeutung ist, dass keine weiteren eskalierenden Handlungen der Beteiligten erfolgen und die gegebene Situation – zumindest vorübergehend – akzeptiert wird.
Was können wir tun
Hinnehmen soll man Mobbing auf keinen Fall. Nach Hilfe zu fragen, hat nichts mit Schwäche zu tun, sondern erfordert viel Mut und ist Voraussetzung, um Mobbing zu beenden. Wenn Eltern, Lehrer, Bekannte oder auch Mitschüler eine Ahnung oder sogar die Gewissheit haben, dass ein Mobbing-Fall vorliegt, ist es elementar, mit den richtigen Personen oder Stellen Kontakt aufzunehmen.
Lehrpersonen haben die Möglichkeit, sich mit Kollegen auszutauschen, die Schulleitung zu informieren oder auch unsere Fachstelle beizuziehen.
Eltern wenden sich am besten an die Lehrperson, die Schulleitung, die Schulsozialarbeit, den schulpsychologischen Dienst, eine psychiatrische Beratungsstelle oder unsere Fachstelle.
Mitschüler wenden sich als erstes an die Klassenlehrperson. Sollte dies nichts bewirken, besteht die Möglichkeit, direkt bei der Schulleitung oder die Schulsozialstelle vorzusprechen.
Bekannte oder Zuschauer wenden sich ausserhalb der Schule an die Eltern, ansonsten am besten an die Klassenlehrperson oder die Schulleitung.
Ratschläge für Eltern
Unterstützen Sie ihr Kind – es braucht Sie!
- Nehmen Sie ernst, was ihr Kind berichtet, hören Sie aufmerksam zu und verharmlosen Sie nicht.
- Erklären Sie Ihrem Kind, dass Hilfe holen kein Petzen ist!
- Raten Sie Ihrem Kind, sich nicht mit Süssigkeiten, Geld oder Gefälligkeiten freizukaufen oder zu gefallen.
- Bestätigen Sie Ihrem Kind, dass nichts falsch an ihm ist.
- Geben Sie Ihrem Kind nicht das Gefühl, durch sein Verhalten allenfalls selbst schuld zu sein.
- Beteiligen Sie Ihr Kind an Ihren Überlegungen, wie das weitere Vorgehen aussehen könnte. Versichern Sie ihm, dass Sie nichts unternehmen werden, was sich negativ auswirken könnte.
- Nehmen Sie die Gefühle Ihres Kindes immer ernst und sprechen Sie mit ihm darüber. Ihr Kind lernt dadurch, dass seine Gefühle wichtig sind und es ein Recht darauf hat, respektiert zu werden.
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