Im Sommer 2018 wurde der Naturpark Gantrisch zum Filmstudio: Kameras und Mikrofone wurden über Trampelpfade zu mystischen Lichtungen geschleppt, professionell trainierte Jugendliche schlüpften in die Rollen von Zaubertrank brauenden Teenagern. Mittendrin: Sagenfiguren der Region und ein weisser Hirsch (die «Könizer Zeitung/Der Sensetaler» und die «Gantrischpost» berichteten).
Grosse Unterstützung
Am 5. Juli feierte die ursprünglich als Kurzfilm geplante und nun über eine Stunde lange Produktion am «Klostersommer» Premiere. Rund 300 Zuschauerinnen und Zuschauer strömten zur Vorstellung. Nach zwei Jahren intensiver Arbeit sei nun ein Traum Realität geworden, erzählte Robin Bezençon dort. Dies sei nur dank dem Treffen der richtigen Leute möglich gewesen. 35 Personen gross ist das Filmteam, davon sind 18 Schauspieler oder Schauspielerinnen. Ohne klassische Filmförderung war die Realisation nur dank Sponsoren und Gönnerinnen möglich.
Sagenwelt und Moderne
Dem Team um Produzentin Carmen Bezençon und Regisseur Robin Bezençon sowie Filmemacher Simon von Niederhäusern gelang es, eine Geschichte über suchende Jugendliche mit alten Sagen zu verweben: Die junge Lea (Luna Sibold, Kirchdorf) möchte Zauberin werden und tüftelt am Gantrischseeli an einem Trank, der sie unsichtbar machen soll, während ihre Freunde aus der Schülerband nebenan mit einem Joint, mit Gruppendruck und Verliebtheitsgefühlen umzugehen versuchen. Auf der Suche nach einer Zutat verläuft sich Lea im Gantrischwald und trifft dort auf Crassus (Andreas Sommer, siehe S. 6+7), der schon seit mehreren Hundert Jahren in der Gegend unterwegs ist, wie sich im Gespräch herauskristallisiert. Trotz anfänglicher Skepsis folgt sie ihm und lernt so Helva kennen, die Hüterin und Heilerin des Gantrisch (Vreni Brun). Derweil vergiftet sich ihre Freundin am «Zaubertrank» und fällt ins Koma. Als Lea zur Gruppe zurückkehrt, liegt die Freundin bereits im Spital, wo jedoch kein Gegenmittel gefunden wird. Lea überzeugt die andern, nochmal zurückzukehren, um Crassus und Helva um Hilfe zu bitten. Der Schluss sei hier nicht verraten, jedoch spielt ein weisser Hirsch eine Schlüsselrolle.
Zwischen Joint am Lagerfeuer, Feenkönigin in einer Höhle, einem Sonnenuntergang, einer durchwachten Nacht am Spitalbett und einer zweiten Begegnung mit Crassus verliert man manchmal etwas die Orientierung, was die Zeitabfolge angeht. Dies trübt aber keineswegs das Filmerleben. Im Gegenteil – vielleicht hilft es sogar, sich ganz auf die in die «Realität» eingebrochene Sagenwelt einzulassen. Merkt man ab und an, dass die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler noch keine Profis (jedoch umso erfrischender) sind, stellen dafür die gewaltigen Bildaufnahmen manch «grossen Film» in den Schatten! Die Musikkompositionen des jungen Baslers Raphael Sommer tragen das ihre dazu bei.
Kein Wunder, ist aus dem geplanten Kurzfilm etwas deutlich Grösseres geworden. Zum Glück.
Die Einheimische
Die Wattenwilerin Naehma Schönholzer, 18, spielt im Film die Rolle der Sophie. Die Sagenwelt interessierte sie nie gross – «so, wie sie aber jetzt im Film aufgenommen wurde, würde ich auch als Unbeteiligte den Film anschauen gehen».
Naehma Schönholzer, wie sind Sie zur Schauspielerei gekommen?
Schon von Kind auf stand ich gern auf der Bühne, etwa bei Weihnachtsspielen oder Schultheateraufführungen. 2013 durfte ich als Statistin bei den Thunerseespielen dabei sein – eine prägende Erfahrung.
Und wie kam es zur Mitarbeit beim «Weissen Hirsch vom Gantrisch»?
Obwohl Carmen Bezençon meine Geografielehrerin war und ich vom Projekt gehört hatte, meldete ich mich zuerst nicht an. Zwei Tage vor dem Casting erhielt ich aber in den Ferien eine E-Mail, dass noch ein Platz frei sei. Auf dem Rückflug schaute ich den Text an, und kurz darauf hatte ich die Rolle. Heute bin ich sehr glücklich über diese Fügung!
Wie erlebten Sie den Dreh?
Es wurde viel grösser, als wir alle erwartet hatten. Ich war aber positiv überrascht: Wir als Jugendliche hatten es gut untereinander und wurden professionell geschult. Schritt für Schritt ging es vorwärts. Die zwei Wochen im Sommer waren intensiv, aber das Team war sehr familiär.
Sie wohnen in Wattenwil. Sind Sie naturverbundener als Sophie?
Ich bin oft an der Gürbe anzutreffen. Die Gegend um Wattenwil hat viel zu bieten! Auch der Seilpark Gantrisch gefällt mir. Vom Filmset war ich beeindruckt; die Schauplätze waren wunderschön.
Werden Sie auch in Zukunft als Schauspielerin zu sehen sein?
Vorerst werde ich Lehrerin, möchte aber der Schauspielerei treu bleiben. War ich bis anhin vor allem auf der Bühne, hat mich dieses Projekt nun mit dem Filmvirus angesteckt. Vor der Kamera muss man mehr mit der Mimik arbeiten, muss «echter» sein. Das gefällt mir.
Die Auswärtige
Make-up Artistin May Hälg arbeitet regelmässig auf Filmsets überall in der Schweiz. Die Region Gantrisch erinnert die Bündnerin an ihre Heimat.
May Hälg, Filmsets sind normale Umgebung für Sie. Wie erlebten Sie den Dreh von «Der weisse Hirsch im Gantrisch»?
Bei dieser Produktion hatten wir einen unglaublich starken Teamzusammenhalt. Sie hob sich auch von der besonderen Geschichte her von meinen bisherigen Engagements ab.
Wie gefiel Ihnen die Region Gantrisch?
Einige der Schauplätze waren wirklich magische Orte! Die Gegend ist sehr gepflegt und doch urtümlich. Sie erinnert mich an meine Heimat Graubünden. Während des Drehs erlebte ich einige «Flash-Momente». Etwa dann, als ein Falter längere Zeit bei mir verweilte. Die Crew warnte mich vor, ich solle gute Schuhe mitbringen – was ich als Bündnerin natürlich nicht tat (lacht). So war das Aufsuchen von gewissen Schauplätzen schon etwas halsbrecherisch, aber wir passten alle aufeinander auf.
Sie waren für das Make-up von Crassus und Helva zuständig, also zwei Gestalten aus der Sagenwelt. Wie gingen Sie damit um?
Ich bin ein bisschen ein «Hexli» und interessiere mich enorm für Sagen. So war es wunderschön, dies aufleben lassen zu dürfen. Die Waldfee Helva ist ja etwas «gebrannt» von ihren Erfahrungen. Ich versuchte, sie dennoch nicht zu böse zu schminken. Zu den langen, weissen Haaren verwendete ich darum leichte Rosétöne, um auch das Liebliche hervorkommen zu lassen. Bei Crassus war vor allem die Wahl des richtigen Bartes wichtig.