«Ohne Unterstützung aus dem Umfeld geht es nicht»
Sandra Thierstein, 41-jährig,
Familienfrau, Bäuerin und Pflegefachfrau im Spital Riggisberg
Spät- und Nachtdienst ist die ideale Lösung, um Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Ich schätze es, in der Nacht mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten zu haben. Langweilig wird es nie. Jederzeit können Komplikationen auftreten oder Notfälle eintreffen – ich muss nonstop präsent sein. Wenn ich müde werde, esse ich etwas Kleines, damit der Blutzuckerspiegel nicht runterfällt. Dieses Arbeitsmodell erfordert viel Verständnis des Umfelds. Ohne die Unterstützung meiner Familie hätte ich die letzten zehn Jahre Schichtarbeit wohl nicht durchgehalten. Je älter ich werde, desto länger brauche ich, um mich zu erholen und wieder in den Rhythmus zu finden. Dank dem 40% Pensum habe ich dazwischen aber Pausen und finde meinen Ausgleich draussen bei der Arbeit auf dem Bauernhof.
«Man gewöhnt sich an alles»
Peter Zoss, 52-jährig,
Bäcker Konditor beim Dorfbeck Schwarzenburg
Eigentlich hatte ich andere Berufspläne. Doch schon vor 30 Jahren herrschte Fachkräftemangel. Der Berufsberater überzeugte mich und nun blicke ich auf eine 35-jährige Karriere beim Dorfbeck (ehemals Bäckerei Zwahlen) zurück. Für mich waren die Arbeitszeiten nie ein Problem. Man gewöhnt sich an alles. Auch mitten am Tag schlafe ich schnell ein und hole den Schlaf in mehreren Etappen nach. Dieser Rhytmus ist mir so in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich sogar während den Ferien in der Nacht erwache. Ich kenne Einige, die unter den Arbeitszeiten leiden. Dies ist wohl auch ein Grund, dass immer weniger junge Menschen den Beruf erlernen wollen. Arbeitet man 100%, kommt das soziale Leben zu kurz. So ist es zum Beispiel kaum möglich, bei Vereinen mitzuwirken. Ich habe sicher meine Ansprüche etwas heruntergefahren. Glücklicherweise arbeitet meine Partnerin auch in dieser Branche, somit haben wir denselben Rhythmus.
«Die Hühner steigen auch in der Nacht aufs Stängeli zum Schlafen»
Miriam König, 42-jährig,
Familienfrau, Leiterin Rückbildungskurse und Hebamme, Milken
Eine Geburt passiert rund um die Uhr und kann nicht eingeplant werden, das war mir von Anfang an klar. Als junge Frau konnte ich jedoch die Auswirkungen von unregelmässigen Arbeitszeiten nicht einschätzen. Nach der Ausbildung reduzierte ich mein Pensum aufgrund der kurzen Umstellungszeiten während den Schichten auf 80%. Mit der Gründung unserer Familie pausierte ich einige Jahre. Als die Kinder älter wurden, begann ich, Rückbildungskurse am Abend zu geben. Seit 2019 arbeite ich nun 20% in einem Geburtshaus, wo ich in der Nacht Wochenbettlerinnen betreue. Arbeiten in der Nacht ist eigentlich gegen die Natur. Die Hühner steigen schliesslich auch auf das Stängeli, wenn es dunkel wird. Bedingt durch den Familienalltag ist es nicht möglich, sieben Stunden am Stück nachzuschlafen. Die Qualität des Schlafs ist zudem nicht dieselbe wie in der Nacht. Dann kann es schon mal vorkommen, dass ich zu Hause weniger belastbar bin als sonst.
«Auch bei Routinearbeiten hat Sicherheit oberste Priorität»
Rashiah Sujenthini, 52-jährig,
Familienfrau und Linienbedienerin, Alupak Belp
Bereits seit 16 Jahren leiste ich Schichtarbeit. Die Kontrolle und Abpackung der Kaffeekapseln gehören in mein Aufgabengebiet. Bei aufsteigender Müdigkeit ist es eine Herausforderung, auch bei Routinearbeiten konzentriert zu bleiben. Mittlerweile habe ich mich an den Rhythmus gewöhnt. Der Ausgleich neben meinem Vollzeitpensum ist mir wichtig. Ich schätze es, dass wir am Wochenende immer frei haben – so kann ich am sozialen Leben mit der Familie und Freunden teilnehmen. Körperliche Tätigkeiten wie Wandern und Yoga helfen mir, eine gute Balance zu finden.
«Es ist wichtig, ausgeruht zur Schicht zu erscheinen»
Roger Spring, 50-jährig,
Linienführer Produktion, Alupak Belp
Ich bin verantwortlich für die Qualitätskontrolle und die Überwachung der Anlage. Mit der industriellen Weiterentwicklung bin ich in die Schichtarbeit reingerutscht. In der Nacht ist es etwas ruhiger und ich kann fokussiert meiner Arbeit nachgehen. Doch es ist Vorsicht geboten: Die Sicherheit hat oberste Priorität, deshalb ist es wichtig, ausgeruht zur Schicht zu erscheinen. Für mich ist nicht das Problem, in der Nacht zu arbeiten, das ist Einstellungssache. Mit meinem 100% Pensum habe ich jedoch etwas Mühe mit den kurzen Umstellungszeiten zwischen den Schichten. Nach über 20 Jahren hinterlässt dies Spuren. Frei haben, wenn andere arbeiten, hat aber auch Vorteile: Ich fahre gerne Ski. Es gibt nichts Schöneres, als auf der fast leeren Piste neue Energie zu tanken.