«Bei uns leben Menschen, die es im Leben nicht immer einfach hatten», erzählt Peter Zwahlen. «Unser Ziel ist es, ihnen den vierten Lebensabschnitt so unterhaltsam, so inklusiv wie möglich zu gestalten.» Er ist der CEO des Alters- und Pflegeheims Kühlewil und hat unter diesem Leitgedanken Anfang Jahr den «Kulturtreff Kühlewil» ins Leben gerufen.
Der erste Event war bereits eine Erfolgsgeschichte – das Konzert im Februar von «KK Project». «Wer im Vorfeld glaubte, dass so ein Konzert für unsere Bewohnenden nicht geeignet wäre, wurde definitiv eines Besseren belehrt: Man kann auch im hohen Alter noch rocken und gemeinsam Freude an guter Musik haben.»
Es stimmt, was Peter Zwahlen sagt. Mit über hundert Gästen ist der Saal auch heute gut gefüllt. Wegen einer Gewitterwarnung findet das Konzert nicht, wie geplant, draussen im Innenhof statt. Etwa ein Drittel sind interne Gäste, alle anderen sind extra fürs Konzert nach Kühlewil angereist. Hier treffen sich heute Abend Menschen, die sich sonst vermutlich nie begegnen würden. Die Stimmung ist einzigartig, exklusiv. Die Stars sind heute nicht die Musiker.
Die vordersten Reihen mit Stühlen sind den Bewohnerinnen und Bewohnern vorbehalten. Manche stehen bald auf und tanzen mit, sei es mit dem Rollator oder im Duett. Wer sich nicht traut, dem hilft Ursina gerne. Die Aktivierungsfrau ist heute auch Animatorin und Tanzpartnerin. Sie holt die Menschen dort ab, wo sie gerade sind; manche vermutlich in Gedanken bei alten Zeiten. Der Rhythmus von «The Magic Five» ist für alle gleich; alles andere ist egal. «You Can’t Always Get What You Want» covern sie die Stones – das stimmt nicht ganz, in Kühlewil kann man in diesem Moment ein bisschen alles haben.
Auch Peter Zwahlen ist heute Abend nur ein wenig CEO. Er ist vor allem Besucher eines Rockkonzerts. Und er wippt mit, wie die neben ihm bekannten und strahlenden Gesichter. Er ist gerührt. «Stellen Sie sich vorne in den Saal und schauen sie nach hinten und den Menschen in die Augen», wird er in der Pause sagen, «diese Augen sagen einfach alles». Es gibt Freudentränen, viele bedanken sich.
«I bi richtig beidruckt vo üsne Bewohnerinne u Bewohner», sagt er gegen Ende durchs Mikrophon. Sie jubeln ihm zu und verlangen eine Zugabe, oder zwei. Nach zwei Stunden Rock aus den letzten 60 Jahren Musikgeschichte hat noch niemand genug. «Äs richtigs Partyvölkli sit dir», sagt Mario Capitanio und legt mit Peter Enderli und Bruno Dietrich wieder los. Sogar Berns Stadtpräsident wippt mittlerweile zu «Purple Rain», bis er bei «Lasciatemi Cantare» schliesslich richtig das Tanzbein schwingt. Ein inklusives Rockkonzert ganz exklusiv eben.
Zwahlen würde gerne öfters ein Konzert veranstalten. Die Herausforderungen eines inklusiven Konzertabends sind jedoch gross, deshalb ist das nicht möglich. «Die Anlässe können nur dank des Engagements des Teams stattfinden.» Die Konzerte sollen laut Zwahlen so realitätsnah wie möglich sein. Ein Konzert beginnt am Freitag um 19.30 Uhr und nicht am Mittwoch um 16 Uhr. Das mache es für die Pflege nicht einfacher.
Die Bewohnenden sind zu den Anlässen eingeladen. Die Einnahmen werden teilweise durch die externen Gäste sowie über Sponsoren generiert. «Zum Glück sind die Bands sehr kulant», so Peter Zwahlen. Er bedankt sich bei «The Magic Five» und dem Team, holt alle zusammen auf die Bühne. Für ihn ist klar, dass er mit dem Kulturtreff Kühlewil weitermachen will. Weitere Ideen hat er schon. Ganz nach dem Motto: «Wenn ich hier zum verrücktesten Heimleiter erkoren werde, dann habe ich alles richtig gemacht.»