Die Exklave ist mit einer Fläche von 334 Hektaren eigentlich viel zu gross, um in Vergessenheit zu geraten. Zu ihr gehören ausserdem das bekannte Berghaus Gurnigel und die Spitze des Gantrisch, der mit 2175,4 Meter den höchsten Punkt der Gemeinde Rüeggisberg markiert. Im Sommer weiden auf den Bergwiesen der Exklave viele Tiere, vornehmlich Kühe. Wie viele Tiere die sattgrünen Weiden der Nünenenalp bewirtschaften dürfen, ist klar geregelt: Die Nünenenallmend-Korporation verteilt sogenannte Kuhrechte, es sind dies 403 an der Zahl. Im ungefähren Zeitraum von Mitte Juni bis Mitte September werden diese Tiere auf den Alpen Obernünenen, Chueberg und bei der Stierenhütte gesömmert. «Die Zahl der Kuhrechte bleibt seit Jahrhunderten stets gleich und wird meist in den Familien vererbt», weiss Fritz Guggisberg, Lokalhistoriker. Der rüstige 93-Jährige ist noch immer sehr aktiv – als die Autorin ihn erreicht, ist er gerade von einem Tagesausflug ins Gantrischgebirge nach Hause gekommen. «Ich habe schon immer alles, was ich kriegen konnte, über die Exklave Nünenen und ihre Geschichte gesammelt», erzählt er begeistert am Telefon. 2005 war er bei der Produktion und Herausgabe des Buches «Rüeggisberg – Geschichte und Gegenwart» der Gemeinde Rüeggisberg federführend beteiligt.
Rechte und Pflichten
Zurück zu den Kuhrechten: «Sind diese Rechte nicht bereits in Familienbesitz, sind sie für Aussenstehende sehr schwer zu erwerben. Die Konditionen und Bedingungen sind unter anderem in alten Schreiben, in sogenannten «Sey-Briefen» festgehalten, welche noch heute Gültigkeit haben und im Gemeindearchiv aufbewahrt und eingesehen werden können», so Guggisberg weiter. Zum Beispiel müssen die Hirtenfamilien als Gegenleistung für die Rechte einen sogenannten «Soll-Dienst» erweisen. Dieser setzt sich haupsächlich aus der Pflege der Alpen zusammen und kann beispielsweise die Instandhaltung wichtiger Wege und Pfade beinhalten.
Da die Exklave zur Gemeinde Rüeggisberg gehört, ist diese auch verantwortlich für deren Veränderung: Baupublikationen für Skilifte, Biathlon-Anlagen und Gebäude gehen über den Tisch der zuständigen Verwaltung. Die Gemeinde hat aber auch Einfluss auf die geschützten Hochmoore und Feuchtgebiete und beteiligt sich finanziell an den Verbauungen der Gürbe, die in der Exklave entspringt. Ein Teil der Fläche gehört der Eidgenossenschaft, welche diese für militärische Zwecke nutzt, beispielsweise für Schiessübungen.
Kloster Rüeggisberg spielt tragende Rolle
Die Gemeinde Rüeggisberg kam 1531 in den Besitz der Exklave Nünenen, als die Stadt Bern die Nünenenalp an sie verkaufte. Durch die Schliessung des Klosters Rüeggisberg 1484 kam Bern damals ursprünglich in den Besitz der Alp. Das Kloster spielt eine tragende Rolle in der Geschichte der Exklave. «Die Nünenenalp wurde damals vom Kloster gekauft», weiss Fritz Guggisberg. Prior Heinrich de Yllens habe um 1320 den «Berg Nuninon» für 30 Pfund von den Zisterzienserinnen des Klosters Fraubrunnen erworben. Die zinspflichtigen Bauern mussten neben dem Zins noch zehn Tagdienste zur Rodung der dortigen Wälder leisten – es wurde also bereits damals darauf geschaut, dass die Landschaft gepflegt und bewirtschaftet wurde. Aus diesen Aufzeichnungen geht hervor, dass das Kloster Rüeggisberg Weiderechte besass.
Der kopflose Mönch
Zu der reichen Geschichte eines Ortes wie der Exklave Nünenen dürfen natürlich Sagen und Märchen, die den Ort nochmals etwas geheimnisvoller erscheinen lassen, nicht fehlen. Eine solche Sage erzählt man sich noch heute im Gebiet rund um die Exklave Rüeggisberg, und zwar die des kopflosen Mönches. Das Pfaffenloch ist eine Höhle in einer Sandsteinfluh bei Toffen. Im Jahre 1072 lebten im Pfaffenloch die beiden Mönche Ulrich und Cuno, die Erbauer des Klosters Rüeggisberg. Gemäss der Sage sollen die als besonders fromm geltenden Cluniazensermönche regelmässig wilde Feste in ebendieser Höhle gefeiert haben. Einer dieser Mönche soll noch heute als Busse für seine Sünden als Geist im Pfaffenloch herumspuken – den eigenen Kopf unter den Arm geklemmt.