Die Nacht in der Schweiz und auf der ganzen Welt wird in einem viel drastischeren Ausmass heller als bisher angenommen. Diesen Schluss lassen die Beobachtungen von weltweit 51‘000 Bürgerinnen und Bürgern zu, die den Himmel beobachtet und die Sichtbarkeit bestimmter Sternkonstellationen via App gemeldet haben. Ausgewertet hat die Beobachtungen das deutsche GeoForschungsZentrum GFZ. Es seien in Europa seit 2014 mehr als 6,5 Prozent, die der Nachthimmel an Dunkelheit verliert – jährlich. Das Licht, welches vom Boden ausgeht und an den Partikeln der Atmosphäre reflektiert wird, überstrahlt das feine Licht der Sterne. Ein solcher Trend ist auch im Monitoring des Naturparks zu beobachten (siehe Kasten). Heute wird mit immer weniger Energie immer mehr Licht erzeugt. Dafür verantwortlich sind stromsparende LED. Wie bei vielen ressourcenschonenden Entwicklungen hat sich auch bei der Beleuchtung der sogenannte Rebound-Effekt eingestellt. Dieser folgt oft auf neue, vielversprechende Entwicklungen. Anstatt weniger werden oft gleich viele oder mehr Ressourcen verbraucht, um die Leistung zu erhalten oder sogar zu erhöhen, weil es eben günstiger ist. Im Bereich Beleuchtung spricht man von einem Effekt von 10 bis 20 Prozent (Quelle: umweltbundesamt.de).
Je heller der Himmel, umso mehr Energieverschwendung
Für die Aufhellung des Nachthimmels wird jede Nacht viel Energie verbraucht, ohne dass ein Nutzen für jemanden entsteht. Das Licht, welches am Himmel landet, hat nämlich schon an seiner Quelle seine Aufgabe verfehlt: Bodenleuchten strahlen an der Fassade vorbei in den Himmel. Kugellampen erhellen die ganze Umgebung und werfen sogar einen Schatten auf das zu erhellende Wegstück. Leuchtschriften und LED-Panels blenden Auto- und Velofahrende. Zierbeleuchtungen, die auch weiterleuchten, wenn die Zuschauer schon lange zu Bett gegangen sind. Es gibt unzählige Beispiele, die zum Verlust der wertvollen Dunkelheit beitragen. Das Gute jedoch ist: Sie sind meist auf Unachtsamkeit und fehlendes Bewusstsein zurückzuführen und könnten einfach verhindert oder vermindert werden.
Der Energiewinter, der keiner war – und wie nun doch noch ein Stern aufgehen könnte
Was die Sensibilisierungsmassnahmen zugunsten der Dunkelheit seit Jahren versuchten, das würde nun die Energiekrise in einem Aufwasch schaffen – glaubte man zumindest im Vorfeld des Energiewinters 22/23. Man dachte, alles, was nicht unbedingt notwendig sei, würde vom Stromnetz getrennt. Einige Leuchtreklamen und Schaufenster wurden tatsächlich nachts abgeschaltet. Es ist zu vermuten, dass viele Geschäfte angesichts des ausgebliebenen Blackouts überlegen, in den Courant normal zurückzukehren. Wie könnten Betriebe aufgefordert werden, im nachtfreundlichen Modus zu verbleiben? Insbesondere jetzt, im aufkommenden Frühling, wo die Natur besonders lichtsensibel ist? Der Naturpark Gantrisch ruft deshalb auf: «Wenn Ihnen eine Abschaltung aufgefallen ist, machen Sie sich positiv bemerkbar – melden Sie es dem Geschäft oder dem Betrieb zurück. Die Wertschätzung des Engagements trägt sicher Früchte.»
Wo im Grossen kaum Erfolge, da im Kleinen wirksam
Auch wenn die Lichtverschmutzung, als Ganzes betrachtet, zunimmt und viele nachtaktive Tiere die hellerleuchteten nächtlichen Landschaften bereits verlassen haben: Wir brauchen das nächtliche Ökosystem – seine Jäger, seine Bestäuber, seine Organismen. Mit der Umstellung auf bedarfsgesteuerte Beleuchtungen werden Lichtbarrieren wieder durchlässig. Nicht nur wir sparen Energie, auch in der Natur wird weniger Energie für Umwege und Anpassungen verbraucht. Eine Win-Win-Situation für alle, sogar auf Knopfdruck.
INFO:
Möchten Sie sich für den Schutz der Nacht engagieren?
www.tinyurl.com/dunkelheitgantrisch
Wissenschaftliches Sternezählen:
www.globeatnight.org/de/webapp/
Naturpark-Nachtmonitoring:
Je mehr Sterne, umso höher der Wert der Nacht
Sternenlicht lässt sich messen: Je höher der gemessene Wert, umso dunkler der Himmel. Während unser hellster Stern am Himmel, Sirius, mit einer Magnitude von -1.09 leuchtet, hat ein exzellenter Nachthimmel eine Leuchtdichte von 21.8 Magnituden pro Flächeneinheit. Ziel für den Naturpark ist genau so ein exzellenter «Dark Sky» über dem Gebiet Gurnigel-Kaiseregg (21.6 bis 21.8) und die Erhaltung des ländlichen Himmels mit einem Wert über 21. Dies liegt allerdings nicht nur in der Macht der Naturpark-Gemeinden. Der Himmel über dem Naturpark ist auch stark abhängig von den umliegenden Städten und Agglomerationen.
Die Zeitreihe von Himmelsaufnahmen über dem Gurnigel von 2017-2023 zeigt: Das Dunkel wird weniger. Der Himmel wird blasser, die dunkle Fläche schrumpft. Während des Corona-Lockdowns waren im ganzen Park eindrückliche Werte zu messen. Der Schnee (2023) verstärkt die Lichtemissionen noch zusätzlich:
Die Werte am Gürbetaler Himmel (Standort Taveldenkmal) haben zwischen 2022 und 2023 um einen Zehntel abgenommen, und mit ihnen der dunkle Teil des Himmels. Die rote Blase – das viele Licht – im Norden (Richtung Bern) hat sich vergrössert, ebenso im Südosten (Richtung Thun). Das Streulicht reicht weit in den Himmelszenith hinein: